02.02.2017 Aufrufe

Kinderund

1811050

1811050

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 431 – Drucksache 18/11050<br />

zeitlich weiter nach hinten verschoben, sondern es sind zugleich die sozialen Konstellationen im Geflecht von<br />

Lebenslagen, Qualifikationen und Biografieverläufen mit den Institutionalisierungsformen sowie Erwartungen<br />

der beruflichen Ausbildung genauer zu analysieren, um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden. Hinzu kommt, dass<br />

bisher kaum Erkenntnisse vorliegen, wie junge Menschen durch ihre familialen und peerbezogenen persönlichen<br />

Beziehungen beim Weg in die Ausbildung und während der beruflichen Ausbildung unterstützt werden<br />

(vgl. als interessante Ausnahme zur Situation bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund: Schlimbach u. a.<br />

2015). Hier wäre auch zu fragen, mit welchen Vorstellungen von Verselbstständigung und Selbstpositionierung<br />

im Jugendalter die berufliche Ausbildung einhergeht. Es zeigt sich entsprechend, dass nicht nur der Weg in die<br />

Ausbildung, sondern auch die berufliche Ausbildung selbst sozial- und jugendpolitisch intensiver reflektiert<br />

werden sollte.<br />

Denn insgesamt gilt der „Normal“-Qualifizierungsverlauf in Deutschland weiterhin als sehr „entscheidungsintensiv“<br />

(Köller 2006) und sozial voraussetzungsreich. Damit ist gemeint, dass gerade beim Wechsel zwischen<br />

den jeweiligen Bildungsorganisationen und in das Bildungssystem hinein – z. B. aufgrund von Mobilität oder<br />

Migration – perspektivisch folgenschwere Entscheidungen getroffen werden (müssen), die den weiteren Weg<br />

der Bildungskarriere vorzeichnen und häufig kaum reversibel sind. Es werden eine soziale Lebenslage und soziale<br />

Beziehungen vorausgesetzt, die die jungen Menschen in ihren Entscheidungen sozial absichern und begleiten<br />

sowie – im Fall von Spannungen mit den Institutionen oder eines möglichen Wechsels oder einer Auszeit –<br />

intensiv beraten und sozial abfedern.<br />

In vergleichenden Untersuchungen zu „Misleading Trajectories“ – gemeint sind in soziale Sackgassen oder zu<br />

sozialem Ausschluss führende Verläufe – im europäischen Kontext (vgl. Walther u. a. 2002) wurde darum als<br />

Reaktion auf die Institutionalisierungsprozesse im Jugend- und jungen Erwachsenenalter das Konzept der Übergänge<br />

(transitions) eingeführt (vgl. Hagestad 1991). Damit wurde der Fokus auf die sozialen und biografischen<br />

Handlungsspielräume in den institutionalisierten Qualifizierungsprozessen gelegt (vgl. Sackmann 2007). Die<br />

institutionalisierten Formen des Jugend- und jungen Erwachsenenalters sollten überprüfen, welchen jungen<br />

Menschen sie überhaupt wie Bildungskarrieren ermöglichen und wie sie Verselbstständigungs- und Selbstpositionierungsprozesse<br />

im Jugendalter gestalten. Formen der Übergangsgestaltung sollten entsprechend so strukturiert<br />

sein, dass sie denjenigen jungen Menschen biografische Zugänge zum Bildungswesen und zur Arbeitswelt<br />

sowie Qualifizierungswege im Rahmen der Verselbstständigungs- und Selbstpositionierungsprozesse ermöglichen,<br />

deren Lebenslagen durch soziale Benachteiligungen charakterisiert sind und deren persönliches Leben in<br />

riskanter Spannung zu den institutionalisierten Qualifizierungswegen stehen.<br />

In der Bundesrepublik Deutschland hat sich in diesem Zusammenhang in den vergangenen 30 Jahren ein sogenanntes<br />

„Übergangssystem“ entwickelt, das aus einer Reihe von Maßnahmen zur Bearbeitung sozialer Benachteiligung<br />

im Rahmen der beruflichen Ausbildung junger Menschen besteht (vgl. dazu auch die aufschlussreiche<br />

Analyse im 14. Kinder- und Jugendbericht [Deutscher Bundestag 2013]). Heute ist das Übergangssystem weitgehend<br />

in die Struktur beruflicher Bildung integriert, ohne dass aber systematisch erkennbar wird, wie es auf die<br />

Kernherausforderungen des Jugendalters reagiert und insbesondere Qualifizierungs-, Verselbstständigungs- und<br />

Selbstpositionierungsprozesse für Jugendliche ermöglicht, die bestimmte Jugendliche und junge Erwachsene<br />

aufgrund sozialer Benachteiligungen nur in sozial begrenzten Handlungsspielräumen gestalten können.<br />

Wirft man vor diesem Hintergrund einen Blick auf die aktuellen Entwicklungen im beruflichen Ausbildungssystem,<br />

dann zeigen sich einige Auffälligkeiten (vgl. Abb. 7‒1).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!