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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 403 – Drucksache 18/11050<br />

6.5.1.4 Ehrenamtlichkeit und Verberuflichung<br />

Eines der zentralen Strukturmerkmale vor allem der verbandlichen Kinder- und Jugendarbeit ist sowohl von<br />

freiwillig und ehrenamtlich Aktiven als auch von beruflich in der Kinder- und Jugendarbeit Tätigen gestaltet zu<br />

werden. Dies macht ihre besondere Qualität aus und ist zugleich auch schon immer Anlass für Reibungspunkte<br />

z. B. hinsichtlich der Aufgaben und Verantwortungsbereiche (vgl. Heidenreich 1991; Wendt 2014). Es gibt<br />

jedoch auch Anlässe, die dieses Verhältnis weiter in Schieflage geraten lassen können. Hintergrund dafür sind<br />

unter anderem das zurückgehende Engagement in Vereinen und Verbänden und die zugleich gestiegenen gesellschaftlichen<br />

Erwartungen an professionelles Handeln und eine Tendenz zur Verregelung (z. B. Brandschutz,<br />

Gesundheitsvorschriften, Vorkehrungen zum Kinderschutz). Die Verbände und Organisationen stehen also vor<br />

der Frage, wie sie eines der zentralen Prinzipien aufrechterhalten und zugleich den von außen an sie gestellten<br />

vielfältigen Ansprüchen gerecht werden können. Die Empirie zeigt, dass beruflich in der Kinder- und Jugendarbeit<br />

Tätige eine wichtige Unterstützungsstruktur für das ehrenamtliche Engagement darstellen bzw. gerade sie<br />

oftmals notwendig sind, damit ehrenamtlich Aktive jene Tätigkeiten ausüben können, die für sie das Engagement<br />

ausmachen und für die sie es ursprünglich begonnen haben, z. B. Gruppenangebote machen, Konzerte zu<br />

organisieren, Rettungsschwimmerin bzw. Rettungsschwimmer zu sein. Hauptberuflich in der Kinder- und Jugendarbeit<br />

Tätige sichern damit Strukturen, entlasten Ehrenamtliche gleichzeitig von ungeliebten Aufgaben, wie<br />

z. B. Verwaltungsaufgaben, und unterstützen sie bei der Bewältigung schwieriger Situationen (vgl. Seckinger<br />

u. a. 2009).<br />

6.5.2 Vielfalt und fließende Übergänge<br />

Schon in Abs. 6.2 wurde darauf aufmerksam gemacht, dass das Feld der Kinder- und Jugendarbeit sich nur unzureichend<br />

auf der Basis der verfügbaren empirischen Daten abbilden lässt. Verantwortlich dafür sind zum einen<br />

die Art und Weise der Erfassung sowie nach wie vor fehlende Überblicksstudien; zum anderen liegen die<br />

Probleme auch in der Sache selbst. Kinder- und Jugendarbeit ist immer schon geprägt von der Vielfalt ihrer<br />

Strukturen, Methoden und Inhalte. Um nur ein Beispiel zu nennen: allein das 1991 erschienene „Handbuch<br />

Jugendverbände“ listete 255 Jugendverbände und Jugendorganisationen (Dachverbände, Bundes- und Landesjugendringe)<br />

auf (Böhnisch u. a. 1991, S. 1059-1063) – und dabei wurden die Untergliederungen nicht mitgezählt<br />

und allein die verbandliche Kinder- und Jugendarbeit in den Blick genommen.<br />

Es ist nicht besonders riskant, davon auszugehen, dass sich seitdem die Zahl der Jugendverbände erhöht hat.<br />

Allein die Gründung von Jugendorganisationen der Migrantinnen- und Migrantenselbstorganisationen und ihre<br />

teilweise Etablierung auf Bundesebene, wie z. B. dem Bund der Muslimischen Jugend (BDMJ), dem Bund der<br />

Alevitischen Jugendlichen in Deutschland (BDAJ), dem Bundesverband Jüdischer Studenten in Deutschland<br />

(BJSD), der Muslimischen Jugend in Deutschland (MJD), der Jugendorganisation von jungen Roma und Sinti in<br />

Deutschland (Amaro Drom), dem Assyrischen Jugendverband Mitteleuropa e. V. (AJM), dem Verband der<br />

russischsprachigen Jugend in Deutschland (JunOst) und dem Kurdischen Kinder- und Jugendverband (KOM-<br />

CIWAN) sowie das Hinzukommen ostdeutscher Jugendorganisationen, z. B. der Bundesverband Jugendweihe<br />

Deutschland und seine Mitglieder, indizieren eine weitere Pluralisierung des Feldes. Diese wird noch deutlicher,<br />

wenn der Blick auf die regionalen Strukturen gelenkt wird. So sind – um ein fast schon beliebiges Beispiel zu<br />

nennen – im Kreisjugendring Landkreis Leipzig derzeit 65 Organisationen vertreten; davon sind erkennbar über<br />

die Hälfte rein regional tätige Organisationen. 95<br />

Einen in dieser Hinsicht ebenfalls aufschlussreichen Einblick liefert die Expertise „Partizipation: Beteiligung<br />

und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg“ (Scherr/Sachs 2015), in der die zahlreichen<br />

Mitglieder einer Reihe von städtischen und Landkreis-Jugendringen dokumentiert sind. Der Blick in die<br />

Mitgliedsorganisationen der örtlichen Kreisjugendringe ist auch deshalb informativ, weil er deutlich macht, dass<br />

dort neben den Jugendverbänden sich schon länger ein breites Spektrum von Organisations- und Angebotsformen<br />

der Kinder- und Jugendarbeit etabliert hat. Im bereits erwähnten Kreisjugendring Landkreis Leipzig sind<br />

allein 25 Mitglieder lokale Jugendclubs (JC); darüber hinaus sind Jugendinitiativen, Jugendhäuser, ein Freizeitund<br />

Bildungszentrum, ein Kultur- um Umweltzentrum, eine Reihe von Musikvereinen u. a. vertreten. Wollte<br />

man diese Vielfalt jenseits der Bundes- und Landesebene empirisch erfassen, bedürfte es umfangreicher regio-<br />

95<br />

Vgl. http://www.kjr-ll.de/index.php/mitglieder [03.06.2016].

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