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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 99 – Drucksache 18/11050<br />

gerecht gestaltete Handlungsspielräume vorfinden, die sich im Bild eines Experimentierraumes fassen lassen.<br />

Vielmehr lässt sich konstatieren, dass der Integrationsmodus Jugend über Kernherausforderungen strukturiert<br />

wird, die den Alltag aller Jugendlichen in sozial, institutionell und persönlich sehr unterschiedlich entgrenzter<br />

Form prägen. So ist gerade das persönliche Leben (vgl. Smart 2007) Jugendlicher im generationalen Zusammenhang<br />

differenziert zu analysieren. Nicht umsonst werden Jugendliche heute auch als Grenzarbeiterinnen und<br />

Grenzarbeiter beschrieben (Mangold 2016). Dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Jugendlichen<br />

sehr unterschiedliche soziale Handlungsspielräume ermöglicht und soziale Grenzen gesetzt werden.<br />

Schon die wenigen bislang skizzierten Ergebnisse der Jugendforschung zeigen, dass die Teilhabe an Bildungsinstitutionen<br />

durch die sozioökonomische Lage sowie durch zugeschriebene ethno-natio-kulturelle Zugehörigkeiten<br />

gestaffelt ist und sozial unterschiedlich strukturierte Qualifizierungskarrieren die Verselbstständigungsprozesse<br />

Jugendlicher mitgestalten. So gliedern die Lebenslagen die sozialen Handlungsspielräume<br />

Jugendlicher und deren Möglichkeiten im persönlichen Leben, die Kernherausforderungen zu bewältigen und<br />

den damit verbundenen Erwartungen gerecht zu werden. Zudem sind – je nach spezifischen Lebensbedingungen<br />

– die Kernherausforderungen im Jugendalter mit sozial unterschiedlichen persönlichen Lebens- und damit Zukunftschancen<br />

verknüpft.<br />

Weiterhin erfordern die aktuellen Entwicklungen in Europa, wie schon länger bekannte globale Vernetzungen<br />

und Entgrenzungen, einen erweiterten Blick auf eine transnationale Generationalität von Jugend (vgl. Abs. 3.9).<br />

Diese Perspektive kann nicht nur auf die Aufnahme geflüchteter junger Menschen und die damit verbundene<br />

Frage, wie für diese Gruppe Jugend ermöglicht wird, begrenzt werden. Es geht insgesamt um die Fragen, inwieweit<br />

der Integrationsmodus Jugend bisher vor allem nationalstaatlich entworfen wird und warum die Diskussion<br />

um Jugend den „sozialpolitischen Nationalismus“ wie auch die Jugendforschung den „methodologischen<br />

Nationalismus“ (vgl. Wimmer/Glick-Schiller 2002) nicht ausreichend reflektiert. Dies gilt auch für den vorliegenden<br />

Jugendbericht, dessen Darstellungen im Großen und Ganzen auf den Zusammenhang und die generationale<br />

Lage von jungen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland beschränkt bleiben (zu ähnlichen Darstellungen<br />

im europäischen bzw. Internationalen Vergleich vgl. z. B. European Commission 2016; OECD 2015c;<br />

UNESCO 2015).<br />

Auch wenn der Jugendbericht nicht den Anspruch bzw. die Möglichkeit hat, Jugend in transnationalen Vernetzungen<br />

insgesamt zu thematisieren, gilt es, die damit verbundenen Herausforderungen mit zu bedenken. Jugendliche<br />

werden heute früh in den Bildungsinstitutionen aufgefordert, sich grenzüberschreitend zu orientieren, sie<br />

setzen sich mit nationalen Identitätspolitiken und globalisierten Märkten sowie lokalen Wirtschaftszwängen<br />

auseinander. Sie leben in einer Zeit globaler Armutsrisiken und wachsenden Wohlstandskonsums sowie zwischen<br />

europäischer Entsolidarisierung und internationalen Flüchtlingsbewegungen. Gleichzeitig spüren sie den<br />

Diskurs (vgl. oben), der sie zur Selbstoptimierung drängt und ihre eigene Qualifizierung mit dem Wissen um<br />

eine europäische Jugendarbeitslosigkeit in den Vordergrund rückt. Für viele, wenn nicht gar für alle Jugendlichen<br />

stellt sich früher oder später die Frage, wie Prozesse der Qualifizierung, Verselbstständigung und Selbstpositionierung<br />

mit einer kosmopolitischen Orientierung verknüpft werden können.<br />

1.3 Zur Ermöglichung von Jugend: Rechte, Politiken, Akteure und Kristallisationspunkte<br />

Wenn der Integrationsmodus Jugend gegenwärtig in sozialen Entgrenzungen und Ungleichheiten verwirklicht<br />

wird, dann stellt sich die Frage, wie er rechtlich und politisch reguliert wird und welche Erwartungen er auch<br />

bei den Jugendlichen erzeugt. Zudem kann gefragt werden, wie Jugendliche sich selbst als politische Akteure<br />

beteiligen und wie sie beteiligt werden, die alltäglichen Bedingungen ihres Alltags mitzugestalten. Wie wird<br />

Jugend also durch das Recht, aber auch die Politik und die Beteiligungsformen sowie die Jugendlichen selbst<br />

mitgestaltet? Wie wird in der gegenwärtigen generationalen Lage auch die mit dem Jugendalter systematisch<br />

verknüpfte Frage nach Freiräumen und Beteiligungsformen sichtbar?<br />

Wenn dabei insgesamt von der Ermöglichung von Jugend gesprochen wird, ist damit nicht gemeint, dass Jugend<br />

ohne eine politische Ermöglichung nicht stattfindet. Jugendliche gestalten die Kernherausforderungen und Jugendräume<br />

auch ohne eine explizite politische Ermöglichung von Jugend. Grundlegend für den vorliegenden<br />

Jugendbericht ist aber, wie die Kernherausforderungen politisch reguliert sind und unter welchen Bedingungen<br />

sowie mit welchen Handlungsspielräumen die Jugendlichen diese bewältigen und gestalten.

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