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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 62 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

auch Lebensorte Jugendlicher werden – woraus sich die Frage ergibt, inwiefern sie den damit einhergehenden<br />

Anforderungen gerecht werden.<br />

Dabei zeigt sich zunächst, dass die Debatten um Ganztagsschulen die Altersfrage bislang weitgehend ausgeblendet<br />

haben. Ganztagsschule wird in der Regel gleichsam altersfrei diskutiert, also unabhängig davon, ob es<br />

sich dabei um Kinder im Grundschulalter oder um Jugendliche in den weiterführenden Schulen der Sekundarstufe<br />

handelt. Demgegenüber wird in diesem Bericht dezidiert eine jugendorientierte Perspektive eingenommen.<br />

Gefragt wird, welchen Gesichtspunkten eine Ganztagsschule im Jugendalter gerecht werden muss, die den Herausforderungen<br />

des Jugendalters im Horizont jenseits von Betreuung und im Lichte einer wachsenden Verselbstständigung,<br />

Qualifizierung und Selbstpositionierung folgt.<br />

Der Ganztag zeigt nur mäßige Effekte<br />

Trotz einer Reihe vorliegender Befunde aus der Begleitforschung zum Ausbau der Ganztagsschulen ist es nicht<br />

leicht, eine empirisch eindeutige Bilanz der Ganztagsschule aus einer jugendbezogenen Perspektive zu ziehen.<br />

Durch die Heterogenität und große Variationsbreite der Ganztagsschulen ist es schwierig, ein Gesamturteil zu<br />

bilden. Zu heterogen sind die Bedingungen der Praxis in den einzelnen Bundesländern, die Ausstattung der<br />

Ganztagsschulen, die Kooperationsformen mit außerschulischen Partnern und deren Rolle, die Verschränkung<br />

formaler mit non-formalen Bildungsangeboten. Hinzu kommt, dass ein Großteil der Schülerinnen und Schüler<br />

im Ganztag der Sekundarstufe I längst nicht an allen Tagen an den Angeboten teilnimmt. Insbesondere zeigt<br />

sich mit steigendem Alter ein allmähliches „Abwählen“ des Ganztags. Dabei variiert die Zahl der insgesamt am<br />

Ganztag teilnehmenden Jugendlichen zwischen den Bundesländern erheblich.<br />

Versucht man dennoch vorsichtig eine Bilanz zu ziehen, so deutet sich an, dass die Effekte, die mit der Ganztagsschule<br />

verbunden wurden, bisher eher mäßig sind. Bislang konnte ein starker systematischer Zusammenhang<br />

des Ganztagsschulbesuchs mit der Verbesserung von Schulleistungen bzw. dem Erwerb entsprechender<br />

Kompetenzen nicht nachgewiesen werden. So haben sich die großen Hoffnungen, die mit dem Ausbau der<br />

Ganztagsschulen verknüpft waren, bisher nur zu einem Teil erfüllt. Moderate Effekte bestehen in einer leicht<br />

sinkenden Zahl von Klassenwiederholungen. Positive Effekte zeigen sich auch in leicht verbessertem Sozialverhalten<br />

der Schülerinnen und Schüler. Weiterhin tragen Ganztagsschulen in der Wahrnehmung vieler Eltern besonders<br />

im Jugendalter zur Entlastung des Eltern-Kind Verhältnisses bei.<br />

Die Ganztagsschule erweist sich, so die Befunde, mithin aktuell noch nicht in der Lage, herkunftsbedingte Ungleichheiten<br />

in der Bildungsförderung abzubauen. Empirische Studien zeigen weiterhin, dass die Wirkung der<br />

Angebote von individuellen Merkmalen der Schülerinnen und Schüler sowie von der Qualität der Angebote<br />

abhängt.<br />

Die Erwartungen an die Kooperation mit außerschulischen Partnern im Sinne der Ausgestaltung kohärenter<br />

Bildungslandschaften vor Ort – um einen Begriff aus dem 12. Kinder- und Jugendbericht aufzunehmen – und<br />

der Gestaltung der Schule als Lern- und Ermöglichungsraum auch für eine Vielfalt an Bildungsprozessen haben<br />

sich bisher nur ansatzweise erfüllt.<br />

Dagegen sind Befürchtungen, die vor allem von Verbänden und Vereinen, in denen Jugendlichen sich engagieren<br />

(z. B. in der verbandlichen Jugendarbeit oder im Sportverein) geäußert wurden, dass „die Ganztagsschule<br />

ihnen die Jugendlichen wegnehme“, ebenso wenig in der Breite eingetreten wie eine Erosion des Familien- oder<br />

Vereinslebens.<br />

Eine Ganztagsschule für Jugendliche braucht jugendpädagogische Konzepte<br />

Die Einschätzungen Jugendlicher, inwieweit sie ihren Besuch der Ganztagsschule positiv oder kritisch bewerten<br />

und warum sie ggf. wegbleiben, werden von einer Vielzahl von Faktoren und Erfahrungen beeinflusst. Soweit<br />

zu sehen ist, hängt die Bewertung von Ganztagsschulen durch Jugendliche wesentlich von der Frage ab, ob die<br />

Schule ihnen Möglichkeiten eröffnet, diese für sich erfolgreich nutzen zu können. Für die Bewertung Jugendlicher<br />

kommt es darauf an, was die Ganztagsschule ihnen „bietet“, und ob sie für sich Vorteile und Gewinne daraus<br />

ziehen können. Immer wieder geäußerte kritische Einschätzungen von Jugendlichen zu den durch die Ganztagsschule<br />

bedingten Einschränkungen, etwa in Bezug auf die selbstständige Ausgestaltung der Freizeit, stehen<br />

positive Beurteilungen zu erweiterten selbstbestimmten Handlungs- und Aneignungsmöglichkeiten und zu neuen<br />

Chancen der Gestaltung von Freiräumen innerhalb der Schule gegenüber.

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