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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59 – Drucksache 18/11050<br />

4. Das digital-vernetzte Leben Jugendlicher<br />

Eine wesentliche Veränderung im Alltagsleben Jugendlicher stellt in diesem Jahrhundert die Integration digitalvernetzter<br />

Medien dar. Die digitalen Medien bzw. die digital-vernetze Infrastruktur nimmt Einfluss auf die Art<br />

und Weise, wie Jugendliche ihren Alltag und die Zeiten mit der Familie gestalten, wie sie Peer- und Partnerschaftsbeziehungen<br />

pflegen, ihren Schul-, Ausbildungs- und Studienalltag organisieren, wie sie sich orientieren<br />

und Zugehörigkeit herstellen sowie sich politisch, kulturell und religiös positionieren. Bildungs- und Teilhabeerfahrungen<br />

Jugendlicher sind damit heute unmittelbar mit Medienerfahrungen verknüpft.<br />

Aus diesem Grunde nimmt der 15. Kinder- und Jugendbericht das digital-vernetzte Leben Jugendlicher und<br />

junger Erwachsener in den Blick. Er fragt, wie sich junge Menschen zu den gesellschaftlichen Anforderungen,<br />

die mit der Digitalisierung einhergehen, positionieren, welche Strategien sie im Umgang mit Ermöglichungsund<br />

Disziplinierungsdimensionen der digitalen Medien, aber auch der digitalen Netzkultur entwickeln und wie<br />

sie diese Anforderungen im Rahmen digitaler Grenzarbeit für sich ausbalancieren. Es zeigt sich, dass je nach<br />

Lebenskonstellation unterschiedliche Möglichkeitsräume eröffnet werden. Diese können die Entwicklung eigener<br />

jugendkultureller Praktiken und Orientierungen fördern. Gleichzeitig sind Formen sozialer Ungleichheit<br />

sowohl im Zugang zu Medien als auch im Medienhandeln selbst erkennbar. Deutlich wird ebenfalls, dass junge<br />

Menschen die Herausforderungen, die mit der digitalen Kommunikation und Infrastruktur einhergehen, weitestgehend<br />

individuell bewältigen. Familie, Schule und Jugendhilfe unterstützen die Selbstpositionierungen und<br />

Verselbstständigungsprozesse Jugendlicher nur bedingt. Auch fehlt es noch an einer jugendmedienpolitischen<br />

Rahmung.<br />

Jugendliche sind als digitale Grenzarbeiter und -arbeiterinnen im Internet unterwegs<br />

Eine Faszination entfaltet das Internet für Jugendliche vor allem über die Möglichkeiten zur Kommunikation.<br />

Jugendliche nutzen aktuell vor allem Soziale Netzwerke und Messenger-Apps, beliebt sind derzeit auch Audiound<br />

Videodateien sowie digitales Spielen. Außerdem betätigen sich Jugendliche jugendkulturell in verschiedenen<br />

Communities, Blogs, Foren, Chats usw. In der Regel sind sie im Internet unter sich bzw. mit Gleichaltrigen<br />

in der Kommunikation und wandern zu anderen Diensten, sobald Erwachsene sich zu sehr in „ihren Räumen“<br />

bewegen. Die Online-Kommunikation eröffnet Jugend damit zusätzliche Autonomiegewinne und neue Möglichkeiten<br />

und Formen der sozialen Teilhabe. Eine Besonderheit liegt vor allem in der Mobilität der Geräte, die<br />

relativ zeit-, orts- und situationsunabhängig nutzbar sind.<br />

Der Zustand des permanenten Online-Seins fordert jungen Menschen allerdings auch kontinuierlich Entscheidungen<br />

ab. So haben Jugendliche und junge Erwachsene häufig Sorge, etwas zu verpassen oder nicht rechtzeitig<br />

auf Kommunikationsanfragen zu reagieren. Parallel dazu werden sie mit Grenzverschiebungen konfrontiert,<br />

z. B. im Bereich Öffentlichkeit und Privatheit oder in punkto Präsenz und Kopräsenz, in sozialen Grenzsituationen<br />

(z. B. Hatespeech, Rassismus, Sexismus, Cybermobbing,) und in strukturellen Dilemma-Situationen (z. B.<br />

Datenschutz). Gefordert werden sie weiterhin durch ethische Fragen (z. B. Schutz der Daten anderer) und Rollenwechsel<br />

(z. B. von Konsumierenden zur Produzierenden). Die digitalen Medien stellen für Jugendliche somit<br />

einerseits einen Ermöglichungsraum dar. Die Netzkultur fordert sie zeitgleich aber andererseits auch dazu auf,<br />

die notwendigen Grenzmarkierungen in Generations- und Peerbeziehungen sowie auch in ästhetischen, wertbezogenen<br />

und sozialen Fragen zu setzen.<br />

Jugendliche müssen sich digital (selbst) qualifizieren und schützen<br />

Aktuell bewältigen junge Menschen die digitale Grenzarbeit vor allem individuell und im Kontext ihrer Peers.<br />

Eltern sind geneigt, Jugendlichen einen Großteil der Verantwortung für das digitale Medienhandeln zu überlassen.<br />

Ein Grund findet sich wohl auch darin, dass sich im digital-vernetzten Leben auch innerfamiliäre Begegnungen<br />

ändern und Zuständigkeiten neu verteilt werden: Eltern bekommen heute die ausgedienten Geräte ihrer<br />

Kinder überlassen und spannen diese für mediale Tätigkeiten ein, bei denen sie wenig Vertrauen in die eigenen<br />

Fähigkeiten haben. Darüber hinaus haben digitale Medien auch eine weniger gemeinschaftsstiftende Funktion in<br />

der Familie als die traditionellen Medien. Sie werden vor allem für Alltagsabsprachen und zur emotionalen<br />

Absicherung genutzt: Eltern können sich jederzeit erkundigen, wo ihre Kinder sind und ob es ihnen gut geht.<br />

Bei der Medienkompetenzvermittlung sehen Eltern aktuell vor allem die Schulen in der Pflicht. Parallel formulieren<br />

sie Erwartung an die Politik, die stärker Jugendschutzmaßnahmen fördern sollen.

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