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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 406 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

die sich in Form von Schulstress, Schulverweigerung, Schulversagen und in Form ganz persönlicher familiärer<br />

Probleme aufseiten der Jugendlichen äußern (vgl. hierzu Abs. 6.6).<br />

Erwähnt sei schließlich, dass an den Schnittstellen zum Allgemeinen Sozialdienst und den Hilfen zur Erziehung<br />

und zur Jugendsozialarbeit zunehmend Kooperationen und Entgrenzungsprozesse zu beobachten sind (vgl. z. B.<br />

Gissel-Palkovich 2013; Icking 2013).<br />

6.6 Gesellschaftliche Herausforderungen für die Kinder- und Jugendarbeit<br />

6.6.1 Der Inklusionsanspruch und die Kinder- und Jugendarbeit<br />

Sowohl die oben vorgestellten Daten (vgl. Abs. 6.2 und 6.3) als auch die zuvor skizzierten historischen Rückblicke<br />

indizieren, dass die Kinder- und Jugendarbeit ein Praxisfeld darstellt, das auf die Heterogenisierung der<br />

Lebenslagen junger Menschen mit der Ausdifferenzierung und der Entstehung neuer Mischformen von Strukturen<br />

und Angebote antwortet (vgl. Abs. 6.5.2 und 6.5.3). Angestoßen werden diese Entwicklungen üblicherweise<br />

durch eine meist kaum entwirrbare Gemengelage von unterschiedlichen Faktoren. Dazu gehören gesellschaftliche<br />

Erwartungen und ggf. entsprechende finanzielle Regelungen (z. B. in Bezug auf die Übernahme präventiver<br />

Aufgaben oder Betreuungsfunktionen am Nachmittag). Hinzuzählen ist überdies die beständige Kritik, dass<br />

Kinder- und Jugendarbeit bzw. einzelne Varianten von ihr „nur“ spezifische und prozentual kleine Gruppen junger<br />

Menschen ansprechen. Anstoßgeber sind auch interne Bemühungen der Weiterentwicklung der eigenen Angebote,<br />

um veränderten Bedarfen junger Menschen gerecht zu werden und die eigenen pädagogischen Anliegen<br />

und Angebote aufrecht erhalten zu können, sowie vielfältige, im Detail durchaus heterogene Impulse aus den<br />

Fachdebatten.<br />

Die sich daraus entwickelnden Dynamiken in Bezug auf die Inhalte, Strukturen und Verfahren der Kinder- und<br />

Jugendarbeit, die inneren Strukturen des Feldes und seiner Schnittstellen zu anderen gesellschaftlichen Teilbereichen<br />

spiegeln sich wider in vielstimmigen Selbstverständigungsdiskursen und Debatten um die eigene Identität<br />

und die Frage, wen die Kinder- und Jugendarbeit anspricht bzw. welche Jugendlichen sie „eigentlich“ erreichen<br />

sollte. Diese Reflexionen und Selbstvergewisserungen sind nicht neu, sie verdichten sich vielmehr immer<br />

wieder wie in einem Brennglas an bestimmten Fragestellungen. 97<br />

Neben der nach wie vor virulenten Frage zur Kinder- und Jugendarbeit in der Migrationsgesellschaft (vgl.<br />

Thimmel/Chehata 2015; Scherr 2013a) zeichnet sich in jüngerer Zeit ein neuer Kristallisationspunkt für Selbstverständigungsdiskurse,<br />

Aufgaben- und Funktionszuschreibungen und Weiterentwicklungspotenziale bzw. -<br />

anforderungen in der Praxis ab. Im Mittelpunkt steht dabei die UN-Konvention über die Rechte von Menschen<br />

mit Behinderungen (UN-BRK). Diese hat breite, an verschiedenen Orten geführte Debatten um Inklusion in<br />

pädagogischen Praxisfeldern (vgl. z. B. Dorrance/Dannenbeck/2013; Lütje-Klose u. a. 2011; Seitz u. a. 2012)<br />

bis hin zur Diskussion um die Große Lösung (vgl. Deutscher Bundestag 2009; Lüders 2010) bzw. – was nicht<br />

ganz das Gleiche sein wird – die sogenannte „inklusive Lösung“, wie sie gegenwärtig (erstes Halbjahr 2016) im<br />

Kontext der im Koalitionsvertrag angestrebten SGB VIII-Reform diskutiert wird, ausgelöst. In diesem Kontext<br />

sieht sich auch die Kinder- und Jugendarbeit von innen und außen gefordert, sich zu positionieren und die eigene<br />

Praxis zu befragen bzw. ggf. weiterzuentwickeln (vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter 2012;<br />

Voigts 2013a, 2014, 2015).<br />

Bei alledem ist zu berücksichtigen, dass, – wenn auch keineswegs flächendeckend – Kinder- und Jugendarbeit<br />

sich an vielen Stellen und zu Teilen deutlich vor den aktuellen Debatten um Inklusion im Horizont der UN-BRK<br />

bereits auf den Weg zu inklusiveren Angeboten gemacht hat. 98 Jüngere empirische Studien liefern eine Reihe<br />

von Hinweisen, dass jungen Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen Anschluss an die Angebote<br />

der Kinder- und Jugendarbeit ermöglicht wird. Aus den Daten von Ilg u. a. (2014) zur Kinder- und Jugendarbeit<br />

97<br />

98<br />

Illustrative Beispiele hierfür sind die Diskussionen um die sozialpolitische Inpflichtnahme von Kinder- und Jugendarbeit (vgl. Deutscher<br />

Bundestag 1980, S. 201ff) wie auch die seit rund 25 Jahren laufenden Fachdebatten zur sogenannten „interkulturellen Öffnung“ bzw. zum –<br />

damals noch eingebracht – „Multikulturalismus“ (vgl. Hamburger 1994; Bommes/Scherr 1992) mit ihrem mittlerweile kaum mehr überschaubaren<br />

Spektrum an Praxiserfahrungen und Arbeitsansätzen (vgl. z. B. Bibouche 2006) und institutionellen Ausdifferenzierungen auf allen<br />

Ebenen.<br />

So verfügt – um nur ein Beispiel zu nennen – die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) seit den 1960er Jahren über Erfahrungen im<br />

Bereich der – damals sogenannten – Behindertenarbeit.

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