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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 395 – Drucksache 18/11050<br />

„Freunde treffen“ ist für nahezu alle Befragten der wichtigste Anlass für einen Besuch im Jugendzentrum. „Leute<br />

kennenlernen“, „Angebote nutzen können“, „Selbst was machen/organisieren können“, aber auch „Freizeit<br />

ohne Geld ausgeben“ folgen in etwa gleicher Häufigkeit als wichtige Elemente des Besuchs von Jugendzentren.<br />

„Tipps bekommen“, was auch als eine Form von Beratung verstanden werden kann, betrachten immerhin noch<br />

etwa zwei Drittel als wichtig, während „von zu Hause weg sein“ nur von knapp der Hälfte der Jugendlichen als<br />

bedeutsam eingeschätzt wird (da zwischen den Geschlechtern keine bedeutsamen Unterschiede bestehen, wurde<br />

auf eigene Darstellung verzichtet). Unterscheidet man nach regelmäßigem und gelegentlichem Besuch, fällt auf,<br />

dass fast alle Antwortmöglichkeiten bei einem regelmäßigen Besuch eine signifikant höhere Bedeutung haben.<br />

Insgesamt treten so vor allem soziale Beziehungen und Angebote bzw. selbst organisierte Aktivitäten in den<br />

Freizeiteinrichtungen als besonders bedeutsam hervor.<br />

Die subjektive (positive) Haltung hängt darüber hinaus stark von den binnenstrukturellen Voraussetzungen und<br />

natürlich von den inhaltlichen Möglichkeiten ab, die die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit bieten. So ist<br />

es für Jugendliche offenbar besonders wichtig, dass sie durch die Kinder- und Jugendarbeit in ihren Möglichkeiten<br />

nicht eingeengt oder „vereinnahmt“ werden, sondern dass für sie offene und unverbindliche Angebote vorhanden<br />

sind (Schulz 2013, S. 52). Sie nutzen damit die Angebotsvielfalt und ordnen sie ihren jeweiligen Interessenlagen<br />

zu. So zeigt etwa die Befragung der Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit in München,<br />

dass ein nicht geringer Teil der Jugendlichen diese Orte als Treffpunkte und Orte des informellen Lernens für<br />

sich nutzt. Die Studie zeigt auch, dass es oft erst einige Zeit und das Wissen um Beteiligungsmöglichkeiten<br />

braucht, damit sich Jugendliche aktiv in die Gestaltung der Einrichtung einbringen (vgl. z. B. Klöver u. a. 2008).<br />

Eine aktive Teilnahme scheint daher sowohl in den offenen als auch in den verbandlichen Angeboten einen<br />

besonderen Stellenwert in der Bewertung der Kinder- und Jugendarbeit durch Jugendliche einzunehmen. Partizipation<br />

ist ein Charakteristikum der Kinder- und Jugendarbeit, das für Jugendliche einen hohen Stellenwert<br />

besitzt. Ihre eigenen Interessen und Anliegen einbringen und realisieren zu können, beeinflusst daher ihre Haltung<br />

gegenüber der Kinder- und Jugendarbeit nachhaltig. Auf diese Weise sind sie nicht „nur“ Empfängerinnen<br />

und Empfänger oder passive Konsumentinnen und Konsumenten von Dienstleistungen, sondern werden zu Ko-<br />

Produzentinnen und -produzenten (vgl. Schulz 2013, S. 54).<br />

Kennzeichnend ist in diesem Zusammenhang – und das markiert einmal mehr die Bedeutung der Kinder- und<br />

Jugendarbeit im Kontext der Selbstpositionierung junger Menschen –, dass sie als Teilnehmende ihren Status<br />

und ihre Position in der Einrichtung bzw. im Verband finden wollen. Hierbei ist zwischen Regelbesuchenden<br />

(den Stammbesuchern und Stammbesucherinnen) und den nur sporadisch die Einrichtung aufsuchenden Besucherinnen<br />

und Besuchern zu unterscheiden (vgl. insgesamt Züchner 2003; ähnlich auch Klöver u. a. 2008; Liebig<br />

2004). Mehr als ein Viertel der Befragten äußern in der NRW-Jugendstudie, dass sie sich im Jugendzentrum<br />

anerkannt fühlen – darunter deutlich mehr Jungen (32 %) als Mädchen (25 %) (vgl. Maschke u. a. 2013).<br />

Bei Jugendlichen, die in der verbandlichen Kinder- und Jugendarbeit mitwirken, spielen offenbar die Interessen<br />

eine stärkere Rolle. Ziele der Verbände – etwa religiöse Haltungen, politisches oder gewerkschaftliches Engagement,<br />

sportliche Aktivitäten – sind auch ausschlaggebend dafür, ob Jugendliche sich einem Verband zugehörig<br />

fühlen oder nicht (vgl. z. B. Ilg u. a. 2014; Gadow/Pluto 2014). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden,<br />

dass Jugendliche von vorneherein festgelegt sind und dabei auch bleiben (vgl. Bruner/Dannenbeck 2002).<br />

Einzelne Befunde, wie z. B. aus dem Bereich der evangelischen Jugend, weisen zudem darauf hin, dass Jugendliche<br />

ihre Beteiligung im Verband auch allgemein als eine Form der Begegnung, der Identitätssuche, des Engagements<br />

und der Freizeit ansehen (vgl. Fauser u. a. 2006; ähnlich Corsa 2008; Ilg u. a. 2014; Richter u. a. 2007,<br />

S 48).<br />

Die Zugehörigkeit zu einem Verband ergibt sich für Jugendliche immer noch häufig über Freundinnen und<br />

Freunde und Familie. Sie kann in eine Mitgliedschaft münden, dies ist aber nicht immer das ursprüngliche Ziel.<br />

Mitglied sein zu wollen, ist vielmehr ein Ausdruck positiver Einschätzung und hoher Identifikation (vgl. Richter<br />

2011). Allerdings sprechen viele Verbände nicht mehr von Mitgliedern sondern von Nutzerinnen und Nutzern<br />

und Teilnehmerinnen und Teilnehmern (vgl. Abs. 6.3). Die Verbände können sich hier im Vergleich zu früheren<br />

Zeiten durch unterschiedliche Entwicklungen (demografische Veränderungen, Erosion traditioneller Milieus<br />

u. a.) nicht mehr auf die Milieugebundenheit und den damit verbundenen „selbstverständlichen“ Zugang Jugendlicher<br />

aus bestimmten Milieus verlassen (vgl. Rauschenbach 2009a, 2010).<br />

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des veränderten Freizeitverhaltens und des Wandels der Lebenslagen Jugendlicher,<br />

der Konkurrenz mit kommerziellen und medialen Angeboten und den Entwicklungen im Schulbereich,<br />

ist für Jugendliche auch die Frage nach der aufzubringenden Zeit für die Kinder- und Jugendarbeit wich-

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