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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 475 – Drucksache 18/11050<br />

Reife von Jugendlichen für letztgültige Entscheidungen bestimmt. Doch selten wird dabei das Spannungsverhältnis<br />

zwischen den individuellen Rechten Jugendlicher und ihrem sozialen Umfeld sowie dem institutionellen<br />

Gefüge des Aufwachsens reflektiert. Zudem fehlt es hinsichtlich der Rechte junger Menschen an einer kohärenten<br />

Struktur und Darstellung. Besonders intransparent stellt sich die Situation für geflüchtete junge Menschen<br />

dar, die ihre rechtlichen Möglichkeiten und Handlungsoptionen sowie die gesetzlichen Rahmungen ihres Aufenthalts<br />

– beginnend vom Status bis zu den Durchsetzungsmöglichkeiten – kaum oder nur in Ansätzen kennen<br />

können.<br />

Seit Jahren ist die Diskussion um die Kinderrechte in Deutschland ein zentraler Gegenstand in den<br />

(fach)politischen Auseinandersetzungen. Eine explizite rechtliche Rahmung von „Jugend“ gibt es aber nicht,<br />

sieht man einmal von den sozialgesetzlichen Regulationen insbesondere im Kinder- und Jugendhilfegesetz, dem<br />

Jugendschutz sowie dem (Jugend-)Strafrecht ab. „Jugendrechte“ sind kaum definiert und schon gar nicht überschaubar.<br />

Die Sachverständigenkommission für den 14. Kinder- und Jugendbericht hat ein einheitliches Jugendgesetzbuch<br />

gefordert und in Bezug auf die Rechtstellung von Kindern und Jugendlichen festgestellt, dass es<br />

daher auch zu Rechtsunsicherheiten kommt und es an Kompatibilität der gesetzlichen Regelungen mangelt.<br />

Generell gilt, dass die Rechtstellung Jugendlicher und junger Erwachsener auch über die Sozialgesetzgebung<br />

hinaus systematisch analysiert und kohärent weiterentwickelt werden sollte.<br />

Vor allem die Erwartungen an Jugendliche und junge Erwachsene im Kontext der Qualifizierungs-, Selbstpositionierungs-<br />

und Verselbstständigungsprozesse erfordern, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ihre<br />

Rechte kennen (können). Dies ist aber – jedenfalls für einen großen Teil von ihnen – heute kaum möglich. Für<br />

sie haben „Jugendrechte“ weder ein Gesicht, noch haben sie einen wirklichen von den jungen Menschen sozial<br />

und politisch erkennbaren Alltagswert in Bezug auf ihre Realisierung. Schaut man beispielsweise auf die schulrechtlichen<br />

Regelungen, so sind sie dem öffentlichen Verwaltungsrecht zugeordnet, in ihren Wirkungen berühren<br />

sie insbesondere ganz wesentlich die Rechte und Pflichten von Jugendlichen in ihrer Rolle als Schülerin<br />

bzw. Schüler.<br />

Zwar kommt dem Grundrecht auf Selbstentfaltung nach Art. 2 Abs. 1 GG auch in der Schule eine besondere<br />

Bedeutung zu, doch in der konkreten Ausgestaltung fehlt es oftmals an einer Haltung, derzufolge Schülerinnen<br />

und Schüler Träger von Rechten und handelnde Akteure in eigener Sache sind. Insbesondere die vielfältigen –<br />

auch grundgesetzlich abzuleitenden – Rechte sind Jugendlichen bis heute kaum bekannt gemacht worden. So<br />

greifen im institutionellen Gefüge des Aufwachsens viele rechtliche Regulationen ineinander, ohne dass diese<br />

hinsichtlich ihrer Konsequenzen für den Alltag der jungen Menschen zu durchschauen sind. So ist beispielsweise<br />

das schulische und berufliche Übergangssystem von einer rechtlichen Komplexität gekennzeichnet, die häufig<br />

in ihrer Bedeutung für den Alltag junger Menschen nicht einmal von Fachkräften verstanden wird. Wie Jugendliche<br />

und junge Erwachsene hier ihre Rechte kennen können sollen, bleibt offen.<br />

Eine derartige Beobachtung könnte auch auf andere Rechtsgebiete übertragen werden, etwa auf das Arbeits-,<br />

Verwaltungs-, Bau-, Gesundheits-, Jugendschutz- oder das Strafrecht. Völlig unüberschaubar sind zudem die<br />

Rechtsfelder des Medienrechts, wie sie in den Datenschutz- und Verbraucherschutzregeln sowie dem Urheberrecht<br />

bestehen.<br />

In diesem Dschungel von Rechten für Jugendliche fehlt es an zweierlei:<br />

– an einer übersichtlichen und transparenten Darstellung der wichtigsten gesetzlichen Rahmungen von Jugend,<br />

einer Aufklärung über die Rechte von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den verschiedenen<br />

Rechtsfeldern sowie einer Klärung der Friktionen zwischen diesen Rechtsgebieten;<br />

– an klaren und eindeutigen Hinweisen über die Anwendung und Durchsetzung dieser Rechte, da dies erforderlich<br />

wäre, wenn es gilt, die höchstpersönlichen Rechte junger Menschen zu stärken.<br />

Diese zwei Bedingungen sind schon deshalb von besonderer Bedeutung, weil sich im Gesetz verankerte, für alle<br />

Jugendlichen und jungen Erwachsenen geltende, Rechte in der Lebenswirklichkeit von jungen Menschen eher<br />

als „losgelöst von den materiell gegebenen, je konkreten Möglichkeiten zu ihrer Realisierung“ erweisen. Nicht<br />

zuletzt aus diesem Grund hat sich auch die Forderung nach einem verbindlichen Ombudschaftswesen entwickelt,<br />

die bislang zwar vorrangig auf das Feld der Kinder- und Jugendhilfe ausgerichtet ist, allerdings auch die<br />

anderen Bereiche des institutionellen Gefüges des Aufwachsens einbeziehen sollte.

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