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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 465 – Drucksache 18/11050<br />

Erwachsenen. Auch hier verschieben sich Grenzen z. B. zwischen Erwerbstätigkeiten und Qualifizierungsprozessen<br />

im Jugend- und jungen Erwachsenenalter.<br />

Auffällig ist zudem, dass in gesetzlichen Regulationen, wie z. B. in der Sozialgesetzgebung, uneinheitliche institutionelle<br />

Erwartungen an die Jugend formuliert werden. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) sieht<br />

beispielsweise vor, dass junge Menschen aufgrund der endenden Hilfen spätestens mit 21 Jahren aus dem System<br />

herausfallen und nur ausnahmsweise im Einzelfall im Rahmen der Jugendsozialarbeit bis zum 27. Lebensjahr<br />

eine entsprechende Unterstützung erhalten können. Demgegenüber legt das SGB II mit Blick auf die<br />

Grundsicherung für Arbeitsuchende jedoch als Maßstab fest, dass junge Menschen bis zum Alter von 25 Jahren<br />

in der Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern leben müssen, sofern sie Leistungen beziehen (wollen). Ein erweiterter<br />

Altershorizont hat sich inzwischen ebenfalls in der Jugendforschung und der Jugendpolitik etabliert. So<br />

richten sich fast alle Programme der europäischen Kommission, soweit sie von Jugend sprechen, an junge Menschen<br />

bis mindestens zum 25. Lebensjahr, was ebenso für die meisten Studien in der Jugendforschung gilt.<br />

Eine grundlegende Markierung im Jugendalter ist der Übergang in die Volljährigkeit. Diesem wird in der Diskussion<br />

um das Jugendalter aber nicht eine begrenzende, sondern eine eröffnende Bedeutung zugewiesen. Die<br />

Volljährigkeit grenzt den Status des Minderjährigen vom Erwachsenstatus ab (vgl. Kap. 1). Sie markiert aber<br />

nicht das Ende der Qualifizierungs-, Selbstpositionierungs- und Verselbstständigungsprozesse, sondern verändert<br />

den Status der jungen Menschen in diesen Prozessen und fordert dazu heraus, sie als junge Erwachsene in<br />

ihrer individuellen, vollen Geschäftsfähigkeit und in ihrer Eigenständigkeit zu betrachten. Darum wird in der<br />

Jugendforschung und -politik auch von jungen Erwachsenen sowie im SGB VIII von jungen Volljährigen gesprochen.<br />

Entsprechend stellt die Volljährigkeit einen wichtigen Übergangsschritt dar, in dem die allgemeingültige Entscheidungsverantwortung<br />

in allen Angelegenheiten des Lebens, einschließlich der Fragen von Ausbildung und<br />

Beruf, den jungen Menschen zugesprochen wird. Dieser grundlegende Statuswechsel bedeutet vor allem, dass<br />

im institutionellen Gefüge des Aufwachsens den jungen Menschen rechtlich mit der Volljährigkeit ein neuer<br />

Grad der Verantwortungsübernahme sowie erweiterte Positionierungs- und Teilhabemöglichkeiten zuerkannt<br />

werden. Jugend unterscheidet sich von Kindheit dadurch, dass sie eine Rahmung darstellt, die vor allem die<br />

individuelle Verantwortungsübernahme und soziale Selbstverortung ermöglicht und stärkt.<br />

Somit ist es heute von besonderer Bedeutung, dass sich ein Jugendverständnis etabliert, in dem das junge Erwachsenenalter<br />

mit eingeschlossen und die individuelle Verantwortungsübernahme junger Menschen nicht<br />

durch ein romantisierendes Bild vom Schon- oder Schutzmoratorium Minderjähriger verdeckt wird. In der Gegenwart<br />

ist es sozial- und bildungspolitisch, aber auch pädagogisch notwendig, Qualifizierungs-, Selbstpositionierungs-<br />

und Verselbstständigungsprozesse auch nach Erreichen der Volljährigkeit weiterhin gezielt zu begleiten<br />

und zu fördern. Einerseits deshalb, weil die Prozesse bis dahin längst nicht abgeschlossen sind. Andererseits,<br />

weil nur so (neue) soziale Risiken vor allem für diejenigen gemindert werden können, die in ihren sozialen und<br />

familialen Beziehungen nicht bis weit in das dritte Lebensjahrzehnt hinein privat unterstützt und begleitet werden.<br />

Denn für sie bedeutet die Volljährigkeit, mitunter allein mit Institutionen und anstehenden Entscheidungen<br />

konfrontiert zu werden, die aber ihrerseits implizit vielfältige soziale Unterstützungsressourcen voraussetzen.<br />

8.1.2 Lebenslagen Jugendlicher und junger Erwachsener<br />

‣ Anhaltende soziale Ungleichheiten im Jugendalter<br />

Soziale Ungleichheiten kennzeichnen nach wie vor die Situation vieler Jugendlicher und junger<br />

Erwachsener. Wenngleich durchaus auch Verbesserungen zu verzeichnen sind, kann jedoch von<br />

einer chancengleichen Lebensphase nicht die Rede sein. Noch immer entscheidet die familiäre und<br />

regionale Herkunft, der soziale Status, die ethnische und nationale Zugehörigkeit, das Geschlecht,<br />

aber auch die körperliche Verfasstheit über die Verteilung der sozialen Teilhabechancen und die<br />

Ermöglichung von Jugend. Daher bedarf es nicht nur einer Jugendpolitik, die sich in die gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse einmischt und den Auftrag, für den Ausgleich sozialer Ungleichheiten<br />

Sorge zu tragen, ernst nimmt. Es bedarf ebenso einer gezielten Sozial- und Bildungspolitik des Jugendalters,<br />

die die Zugänge und die Förderung im institutionellen Gefüge des Aufwachsens offener<br />

und gerechter gestaltet.

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