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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 268 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

internationaler Studierender an deutschen Hochschulen im Studienjahr 2012/13 bei ca. sieben Prozent und damit<br />

etwas unter dem OECD-Durchschnitt von ca. neun Prozent (OECD 2015, S. 451). Gleichwohl gehören die bundesdeutschen<br />

Hochschulen zu den international am meisten nachgefragten Universitäten, indem sie fast<br />

fünf Prozent aller internationalen Studierenden aufnehmen (ebd., S. 456).<br />

Insgesamt ist in Bezug auf die bildungsbezogenen transnationalen Mobilitätspraktiken kritisch zu fragen, welchen<br />

Jugendlichen welche Mobilitätsformen ermöglicht werden. Für Schüleraustauschprogramme ist festzuhalten,<br />

dass die Möglichkeiten der Teilnahme ungleich verteilt sind und mit der sozialen Herkunft der Eltern in<br />

Zusammenhang stehen (vgl. Carlson u. a. 2014). Ein ähnliches Bild zeigt sich für den internationalen Freiwilligendienst.<br />

So werden auch hier insbesondere Jugendliche mit einer hohen Schulbildung angesprochen, die meist<br />

mit einem selbstverständlichen familiären Rückhalt und bereits vorhandenem sozialen Engagement beim Auswahlverfahren<br />

punkten können (Mangold 2013). Im Gegensatz hierzu adressieren Jugendhilfemaßnahmen im<br />

Ausland, wie z. B. intensivpädagogische Auslandsprojekte (Witte 2009) oder Praktikumsaufenthalte im EU-<br />

Ausland (z. B. IdA-Integration durch Austausch) stärker benachteiligte junge Menschen, wobei der z. T. verpflichtende<br />

Aufenthalt in einer „fremden“ Umgebung als konzeptionell „letzte Chance“ und „Neuanfang“ gefasst<br />

und damit genau gegenteilig zu Erfahrungen von Interkulturalität oder globaler Gesellschaft gedeutet wird.<br />

3.9.2 Transnationale Arenen im Jugendalter<br />

Das Aufwachsen in einer globalisierten Gesellschaft ist für junge Menschen an das alltägliche Erleben und<br />

Agieren in transnationalen Zusammenhängen gekoppelt. Erfahrungen transnationaler Praktiken, Lebensweisen<br />

und Orientierungen sind zentraler Bestandteil von Jugend – sei es in Form grenzüberschreitender Mobilitäten<br />

(siehe oben), in Form von transnationalen Beziehungen und Netzwerken, aber auch in Form von Zugehörigkeitsgefühlen<br />

und der Verflechtungen alltäglicher Lebenspraktiken, die über nationalstaatliche Grenzen entstehen.<br />

Dies gilt vor allem für junge Menschen, die über eigene oder vermittelte Erfahrungen der Migration verfügen<br />

oder die jenseits von Migrationserfahrungen in multi-ethno-nationalen Zusammenhängen der Peers oder<br />

eines Stadtteils aufwachsen. Es gilt aber auch für Jugendliche und junge Erwachsene, deren soziale Netzwerke<br />

nicht durch Migration geprägt sind. Auch diese jungen Menschen positionieren sich im Kontext globalisierter<br />

Jugendkulturen, sie sind in Zusammenhänge internationaler Jugendverbände integriert oder agieren im transnationalen<br />

digitalen Raum interessensbezogener Online-Gemeinschaften.<br />

Junge Menschen, deren Eltern nach Deutschland eingewandert sind, werden im sozialwissenschaftlichen und<br />

öffentlichen Diskurs als „Menschen mit Migrationshintergrund“ oder auch als junge Menschen der „zweiten<br />

Generation“ als Teil eines familialen Migrationsprojekts adressiert und müssen sich im privaten wie auch im<br />

institutionellen nationalen Raum zu dieser Zuschreibung positionieren (Klein-Zimmer 2015, S. 41f.; vgl. auch<br />

Abs. 2.1.2). Gleichzeitig verfügen sie über soziale Netzwerke und haben Einblick in soziale Strukturen und die<br />

Alltagspraxis des elterlichen Herkunftslandes und können daher als „Akteur/-innen einer transnationalen Lebenssituation“<br />

beschrieben werden (ebd.). Transnationalität prägt das Leben der jungen Menschen dabei in Abhängigkeit<br />

von der konkreten familialen Migrationsgeschichte, dem sozioökonomischen Status, von bestehenden<br />

Netzwerken und der eigenen Lebenssituation.<br />

Gleichwohl geht die Zuschreibung „Migrationshintergrund“ mit vielfältigen Diskriminierungserfahrungen in<br />

verschiedensten Lebensbereichen einher. Bekannt sind strukturelle Benachteiligungen von Bildungskarrieren,<br />

z. B. an Selektionsschwellen im Schulsystem (Gomolla/Radtke 2009) oder beim Übergang in Ausbildung und<br />

Beruf (Skrobanek 2007), aber auch rassistische Praktiken in konkreten Interaktionen (z. B. Melter 2007; Geisen/Riegel<br />

2009; Scharathow 2014). Transnationalisierte Lebenswirklichkeiten und damit einhergehende natioethno-kulturelle<br />

Mehrfachzugehörigkeiten (Mecheril 2003) sind im dominanten gesellschaftlichen Diskurs<br />

längst nicht angekommen. Vielmehr dominiert in der Mehrheitsgesellschaft weitgehend ein eindimensionaler,<br />

auf die Integration der Menschen mit Migrationshintergrund ausgerichteter Diskurs, der es verunmöglicht, die<br />

vielfältigen Zugehörigkeitskonstruktionen und damit einhergehende „Uneindeutigkeiten“ anzuerkennen.<br />

Neben grenzüberschreitenden Mobilitätspraktiken (vgl. Abs. 3.9.1) entfalten sich Erfahrungen von Transnationalität<br />

auch in verschiedenen lokalen Praktiken im Kontext von Familie, Gleichaltrigenkultur und Institutionen<br />

und prägen auch lokale Räume als solche. Die Transnationalisierung jugendlicher Alltagswelten muss daher<br />

auch jenseits physischer Grenzüberschreitungen betrachtet werden.<br />

So zeigen z. B. stadtsoziologische Untersuchungen, dass junge Menschen ein lokales Zugehörigkeitsgefühl zur<br />

Stadt, zu ihrem lokalen Nahraum als Ort des Transnationalen entwickeln (u. a. Römhild 2003; Sauter 2000) und

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