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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 468 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

stitutionen, der internationalen Kinder- und Jugendarbeit, des Schüleraustauschs und anderer Dienste – zu den<br />

erwünschten Qualifizierungsprozessen vieler Jugendlicher und junger Erwachsener.<br />

So erfolgreich diese Möglichkeiten für jeden einzelnen Jugendlichen sind, so entsteht jedoch mitunter der Eindruck,<br />

dass jede und jeder Jugendliche mit ihren und seinen persönlichen Ressourcen der globalisierten Welt<br />

„allein“ gegenüberstehen würde (vgl. Kap. 1). So wird oftmals ein Bild vermittelt, als müssten sich junge Menschen<br />

für einen transnationalen Wettbewerb multioptional qualifizieren und gleichzeitig politisch an der Bewältigung<br />

der Krisen in der globalen Welt mitarbeiten, als sollten sie in ihrem persönlichen Leben die Entwicklungen<br />

der globalisierten Welt geradezu überholen.<br />

Dieses Bild übersieht, dass das Alltagsleben junger Menschen sozialräumlich strukturiert und in vielfältige soziale<br />

Beziehungen eingebunden ist und dass die sozialen Chancen und Beziehungen nicht unmittelbar durch den<br />

globalen Markt vermittelt werden. Denn auch die Mobilität und transnationalen Wirklichkeiten sind immer<br />

wieder an lokale Orte sozialer Integration rückgebunden, selbst globale Medienformate werden lokal angeeignet.<br />

Gesellschaftliche Integration ist daher vor allem eine Frage der lokalen Platzierung Jugendlicher, die einen<br />

je spezifischen Möglichkeitsraum für Qualifizierungs-, Selbstpositionierungs- und Verselbstständigungsprozesse<br />

eröffnen oder auch begrenzen kann.<br />

Auch in der globalisierten Welt erfahren junge Menschen den Alltag in lokalen Bezügen, in persönlichen Beziehungen<br />

und vermittelt durch die Institutionen vor Ort. Die sozialen Beziehungen und das institutionelle Gefüge<br />

des Jugendalters stellen dabei die soziale Rahmung dar, die jungen Menschen Orientierung, soziale Zugehörigkeit<br />

und Formen der Auseinandersetzung ermöglicht. Zugleich aber ist diese Rahmung unterschiedlich<br />

strukturiert, sodass auch darüber soziale Ungleichheiten in den Chancen und Möglichkeiten von Mobilitätserwartungen<br />

transportiert werden.<br />

Lokale Umwelten, vor allem (aber nicht nur) in großstädtischen Wohnquartieren – mit sich kumulierenden sozialen<br />

Problemquartieren einerseits und wenig davon betroffenen Stadtteilen andererseits – bieten sehr ungleiche<br />

Bedingungen der sozialen Integration für Jugendliche und junge Erwachsene. Ebenso entstehen über Prozesse<br />

der Marginalisierung ländlicher Regionen auch dort lokale Lebensbedingungen für junge Menschen, die von<br />

infrastruktureller Abkopplung und sozialer Ausdünnung gekennzeichnet sind. Für Jugendliche und junge Erwachsene<br />

in segregierten oder abgehängten Lebensumwelten sind die sozialräumlichen Handlungsspielräume<br />

begrenzter und vielfach prekär. Dies kann zu komplexen Faktoren sozialer Benachteiligung kumulieren.<br />

Für junge Menschen bedeutet dies nicht nur vermehrte Anstrengungen und Investitionen im Hinblick auf die<br />

Erreichbarkeit von Bildungsinstitutionen, Freizeiträumen oder sozialen Beziehungen, sondern auch ein Angewiesen-Sein<br />

auf stark eingeschränkte jugend- und peerkulturelle sowie institutionenbezogene Erfahrungs- und<br />

Orientierungsräume. Jugendliche gehen mit diesen lokalen Bedingungen sehr unterschiedlich um und erschließen<br />

sich, je nach persönlichen, sozialen und ökonomischen Ressourcen, immer auch eigene Räume und Handlungsmöglichkeiten.<br />

Für die Chancen und Möglichkeiten junger Menschen ist es aber bedeutsam, dass der Zusammenhang von sozialer<br />

und regionaler Ungleichheit im Jugendalter nicht verfestigt wird und Jugendlichen in abgehängten oder<br />

segregierten Räumen nicht von vornherein Defizite und problematische Entwicklungen zugeschrieben werden.<br />

Ein differenzierter Blick auf die Perspektiven junger Menschen, auf ihre jeweiligen sozialen Räume und ihre<br />

Mobilitätsmöglichkeiten und eine entsprechende Politik kann zum einen das Bild ortsbezogener „Ansteckungseffekte“,<br />

denen Jugendliche passiv unterliegen, aufweichen und zum anderen die Heterogenität jugendlicher<br />

Bezugnahmen, Bearbeitungsstrategien und Bearbeitungsmöglichkeiten lokaler Bedingungen stärker ins Blickfeld<br />

rücken.<br />

Darüber hinaus fehlt bislang eine systematische Bezugnahme auf die überregional und transnational ausgerichteten<br />

Aktivitäten und Lebenswirklichkeiten junger Menschen, die ebenfalls in das Lokale ein- und rückwirken.<br />

Auslandaufenthalte und eine grenzüberschreitende Mobilität aus Deutschland heraus werden auf der einen Seite<br />

unter dem Gesichtspunkt der Bildungsmobilität positiv honoriert, wenngleich ihre Realisierung jedoch oft von<br />

sozioökonomischen Ressourcen, die den Jugendlichen zur Verfügung stehen, abhängig ist. Gleichzeitig gilt die<br />

Mobilität in die andere Richtung, also die Zuwanderung nach Deutschland, überwiegend als Risikofaktor und ist<br />

für Jugendliche oft auch mit Benachteiligungen und Diskriminierungserfahrungen verbunden. Potenziale, die<br />

auch in diese Erfahrungszusammenhänge eingebettet sind, werden vielfach kaum berücksichtigt. Mit anderen<br />

Worten: Während für einen Teil junger Menschen eine grenzüberschreitende Mobilität als Möglichkeitsraum<br />

erweiterter Bildungs-, Erfahrungs- und Qualifikationsprozesse Anerkennung findet, wird sie für andere, zuge-

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