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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 86 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

Gegner in der Welt und in sich“ bekämpfe: „Während die Alten etwas noch in sich oder in der Außenwelt bekämpften<br />

und alle ihre Gefühls- und Willensintentionen, aber auch die Begriffserklärungen auf diesen Gegner<br />

hin orientierten, ist dieser Gegner für die Jugend verschwunden“ (Mannheim 1928, S. 181).<br />

Über diese Generationendefinition, die gesellschaftsanalytisch die jeweilige Jugendgeneration ins Zentrum<br />

rückt, wird zweierlei fokussiert: Einerseits verdeutlicht sie die „lebensweltliche Gegenwartsorientierung“ von<br />

Jugendlichen – die (Selbst)Positionierung –, die auch empirisch in der jeweils jungen Generation beobachtbar<br />

ist: „In diesem Zeitverständnis – so Mannheim weiter – ist die Jugend zu allem Neuen bereit und es komme mit<br />

auf die Gesellschaft an, in welche Richtung sich diese Bereitschaft entwickelt“ (zitiert in Böhnisch/Schefold<br />

2017, S. 16). Damit sind andererseits gleichsam die gesellschaftlichen Bedingungen avisiert, die die Einstellungen<br />

und Verhaltensweisen Jugendlicher „vom sozialen Engagement bis hin zur antisozialen Gewalt, vom verantwortungsvollen<br />

Selbstbewusstsein bis hin zum Gefühl der Ohnmacht und des Ausgesetzt-Seins mit beeinflussen“<br />

(ebd.).<br />

Dieser Versuch, Generationen als solche zu beschreiben, hat innerhalb der Generationen-, der Familien- wie der<br />

Jugendforschung zu vielen Verwerfungen geführt: Zunächst wurde der Entwurf dazu benutzt, dazu überzugehen,<br />

die jeweils junge Generation und deren „lebensphasenspezifische Ereignisprägung“ im Kontext einer sogenannten<br />

„Generationenlagerung“ zu erfassen (etwa: die Jugendgeneration der Weimarer Republik, die Generation<br />

der Kriegskinder des Zweiten Weltkrieges, die 68er-Generation, die APO-Generation, die „Null-Bock“-<br />

Generation, die „Wende“-Generation etc.). Darüber hinaus wurde der Mannheimsche Entwurf des „Problems<br />

der Generationen“ selbst kritisiert, sodass inzwischen zahlreiche Generationenbegriffe nebeneinanderstehen.<br />

Generationendiskurse werden nun im Vorhinein geführt, die Rekonstruktion des Generationsverhältnisses tritt<br />

zunehmend in den Hintergrund.<br />

Doch Meinungen und Einstellungsmuster zu bestimmten Themen sind eben genau nicht geeignet, um eine Jugendgeneration<br />

zu identifizieren; mehr noch: streng genommen ist es gar nicht möglich, Jugendliche, die derzeit<br />

im Jugendalter sind, schon entschlossen als eine Generation zu beschreiben, denn was genau die lebensphasenspezifischen<br />

Ereignisprägungen sind, die eine Jugendgeneration ereilt, kann erst dann entschieden werden, wenn<br />

die Geburtskohorten dem jeweils gesellschaftlich definierten Jugendlichsein entwachsen sind. Erst dann zeigt<br />

sich, wie sich – und ob überhaupt – eine „Jugendgeneration“ formiert.<br />

Vor dem Hintergrund, dass in jedem Fall erst ein Generationenvergleich einen etwas dezidierteren Einblick in<br />

die Lebenslage Jugend geben kann, wird in diesem Jugendbericht auf das Konstrukt der generationalen Lage<br />

zurückgegriffen. Es wird also versucht, einerseits soziale und institutionell gerahmte Lebenslagen, gesellschaftliche<br />

Chancen, Risiken und Zumutungen, Diskurse über und um Jugendliche zu beschreiben, die den Integrationsmodus<br />

Jugend in unserer Gesellschaft charakterisieren sowie andererseits die Ausdrucksformen Jugendlicher<br />

selbst herauszuarbeiten (vgl. v. a. Kap. 3).<br />

1.2.2 Zur historischen Verwirklichung von Jugend: „Ermöglichen“ als Gegenwartsaufgabe<br />

Das 20. Jahrhundert wird als die Epoche der Jugend beschrieben: „Nie zuvor wurde Jugend so intensiv diskutiert,<br />

thematisiert und erforscht wie im 20. Jahrhundert; und nie zuvor konnte sich aus der Alterspanne Jugend<br />

(die außerhalb des klassischen Erwachsenenalters liegt!) eine so universale Idealfigur für fast alle Erwachsenen<br />

entwickeln“ (Sander/Vollbrecht 2000, S. 7). Dabei werden gegenwärtig vielerorts Entgrenzungen der Vergesellschaftungsform<br />

Jugend beschrieben (vgl. Abs. 1.2.4) – Abgrenzungen zur Kindheit und zum Erwachsenenalter<br />

verschwimmen. Zudem können viele soziale Konstellationen in der generationalen Lage von Jugendlichen<br />

kaum in einer sozialen Figur gefasst werden. Zugleich tritt die Jugend heute angesichts ihrer weitgehenden<br />

Durchsetzung gerade mit ihren sozialen Entgrenzungen hervor. Vor diesem Hintergrund wird es für Jugendliche<br />

umso wichtiger, sich auf die soziale und pädagogische Ausgestaltung des Jugendalters und ihre Institutionen<br />

verlassen zu können. Sie sind darauf angewiesen, dass das institutionelle Gefüge des Aufwachsens im Jugendalter<br />

hält, was es verspricht: dass Jugend für alle Jugendlichen gleichermaßen sozial gerecht ermöglicht wird.<br />

Jugend ist heute für viele junge Menschen eine soziale Realität, die mitunter im Lebenslauf zwischen dem<br />

zwölften und 27. Lebensjahr mehr als eine Lebensdekade umfasst. In diesem Zeitraum sollen die jungen Menschen<br />

im institutionellen Gefüge des Aufwachsens eine soziale, politische und berufliche Handlungsfähigkeit<br />

verwirklichen, zur individuellen Verantwortungsübernahme befähigt werden sowie eine Integritätsbalance von<br />

subjektiver Freiheit und sozialer Zugehörigkeit erfahren können. Wie die Formen der Qualifizierung, die Unterstützung<br />

in Verselbstständigungsprozessen und die Ermöglichungsorte der Selbstpositionierung im institutiona-

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