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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 81 – Drucksache 18/11050<br />

dieser Konstruktion unterliegt eine Adressierung junger Menschen als eigenverantwortliche Konsumierende, die<br />

sich im Spannungsfeld verfügbarer Mittel einerseits und den Versuchungen erweiterter Möglichkeiten sozialer<br />

Teilhabe und individueller Stilisierung andererseits sicher bewegen können.<br />

1.1.7 Die Jugend der Jugendforschung<br />

In der internationalen wissenschaftlichen Diskussion wird Jugend mitunter auf die Adoleszenz-Krise am Ende<br />

der Kindheit reduziert oder als „Erwachsenalter light“ angesehen, wie es sich z. B. in den Diskursen um das<br />

sogenannte „emerging adulthood“ (Arnett 2000) ausdrückt. Dabei ist im Zuge der Wiederbelebung der Kindheitsforschung<br />

sowie im Zusammenhang einer spezifischen Betrachtung des „jungen Erwachsenenalters“ Jugend<br />

als Generationszusammenhang zunehmend in den Hintergrund getreten.<br />

Gleichzeitig wird auch in der Jugendforschung ein Bedarf gesehen, Jugend konzeptionell und empirisch wieder<br />

zu fassen. Diese neuen Versuche z. B. in Anlehnung an Havighursts Modell der Entwicklungsaufgaben (Quenzel<br />

2015) sowie an den capability approach (vgl. Clark 2015) oder im internationalen Kontext an generationstheoretische<br />

Zugänge (vgl. Woodman/Wyn 2015) zeigen auch hier den Bedarf, die Jugend in der Jugendforschung<br />

kohärent zu bestimmen. Denn in den letzten Jahrzehnten hat sich – wie in der Jugendpolitik – die wissenschaftliche<br />

Thematisierung von Jugend zu einem interdisziplinären, thematisch vielfältigen und in ihren<br />

theoretischen Ansätzen und methodischen Zugriffen heterogenen Forschungsfeld entwickelt (z. B. Grunert/Krüger<br />

2002; Riegel/Geisen 2010a). Ihre gesellschaftlichen Bezüge liegen in sozialhistorisch verankerten<br />

Konstruktionen des Jugendalters, die zwischen der Wahrnehmung von Jugend als Risikofaktor für deviantes<br />

Verhalten und scheiternden Qualifikationen einerseits und als Kontext kreativer Selbstpositionierung in Szenen<br />

und erfolgreicher Teilhabe andererseits schwanken.<br />

Unter dem thematischen Fokus der Integration von Jugendlichen werden in den letzten beiden Jahrzehnten politische<br />

Einstellungen und Beteiligungsformen, Gewaltverhalten, jugendkulturelle Praktiken, Bildungsverläufe<br />

und gesundheitsförderndes Verhalten von Jugendlichen untersucht, die diese als Produzentinnen und Produzenten<br />

bzw. Gefährder und Gefährderinnen ihrer eigenen gesellschaftlichen Teilhabechancen thematisiert. Gleichzeitig<br />

dokumentiert sich eine stärkere Konstruktion von Jugend als eigenverantwortliche Subjekte persönlicher<br />

Lebensführung nicht zuletzt in prominenten gerechtigkeitstheoretischen Bezügen, wie jüngere Konzepte des<br />

„capability approach“ belegen. Diese Tendenz findet sich auch in „well-being“-Ansätzen. Sie alle thematisieren<br />

und erforschen Jugendliche weitgehend losgelöst von konkreten sozialhistorischen Zusammenhängen und sozialstrukturell<br />

verankerten Lebenslagen. Auch in der Jugendforschung wirkt damit das sich auch in anderen Diskursen<br />

dokumentierende Bild Jugendlicher als eigenverantwortliche Gestalter und Gestalterinnen ihrer Biografie<br />

und ihrer sozialen Teilhabe.<br />

Dieses Bild verdichtet sich, zieht man die seit vielen Jahren turnusmäßig erscheinenden jugendlichen Repräsentativbefragungen<br />

hinzu: Zwar wird hier nach wie vor am „Generationskonstrukt Jugend“ festgehalten, aber das<br />

Konstrukt selbst wird nur selten an gesellschaftliche Bedingungen von Jugend rückgebunden oder in seinem<br />

essenziellen Gehalt überprüft, sodass einerseits Stereotypen von differenten Jugenden mit Rückgriff auf Lebensstilanalysen<br />

und sozialen Herkunftsmilieus hervorgebracht werden. Andererseits treten Generationenlabels hervor,<br />

deren Reichweiten allerdings stark auf die Fragestellungen der Studien fokussiert sind und die somit kaum<br />

noch anschlussfähig an eine generationenvergleichende Jugendforschung sind. Dies produziert Bilder, in denen<br />

eine „gespaltene“ Jugendgeneration hervortritt, die – je nach Bildungsstand und Herkunftsmilieu – vollkommen<br />

unterschiedlich von sozialen Ungleichheiten betroffen ist. Jugend als generationaler sozialgeschichtlicher Zusammenhang,<br />

als generationale Lage im Horizont gesellschaftlicher Wandlungsprozesse oder als „eigene Generationsgestalt“<br />

tritt zunehmend in den Hintergrund.<br />

1.1.8 Die Jugend der Jugendberichte<br />

Die Kinder- und Jugendberichte der Bundesregierung sind sozialhistorisch verankerte Standortbestimmungen<br />

der gesellschaftlichen Lage von Kindheit, Jugend und Kinder- und Jugendhilfe. In der Gesamtheit der bislang<br />

erschienenen Berichte dokumentieren sie damit spezifische Jugendbilder im Spiegel der Sozialberichterstattung.<br />

Im Ersten Jugendbericht, der 1965 erschien und von der Bundesregierung erstellt worden ist, wird die Jugend<br />

als nachwachsende Generation entworfen, die als Aufgabe die gesellschaftliche Integration zu meistern habe.<br />

Dabei wird sie sowohl als „Teil der Gesellschaft“ als auch als ihr „Gegenüber“ beschrieben (vgl. Böh-

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