02.02.2017 Aufrufe

Kinderund

1811050

1811050

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 311 – Drucksache 18/11050<br />

mit Freundinnen etwas Verbotenes oder Peinliches zu tun; sie erleben Pornografie aber sonst als uninteressant<br />

oder eklig (vgl. ebd.).<br />

Die Studien legen nahe, dass Jugendliche im Rahmen ihrer Erfahrungen mit Pornografie im Internet zwar Altersbegrenzungen<br />

unterlaufen, aber ihre eigenen Grenzen in der Regel gut kennen. Überfordert sind sie offenbar<br />

vor allem, wenn sie ungewollt mit pornografischen Inhalten konfrontiert werden. Einfluss auf die Bewertung<br />

nehmen – neben den bereits angeführten sozialen Settings – auch die bisherigen sexuellen Erfahrungen, die<br />

Einstellungen zur Masturbation, das Frauen- und Männerbild, das Erleben des Geschlechterverhältnisses und<br />

die bisherigen Liebesbeziehungen (Döring 2011; Hajok 2013; Schmidt/Matthiesen 2012). Und schließlich variiert<br />

das Erleben auch mit den Inhalten und hängt davon ab, welche Pornos gesehen werden (Matthiesen 2012).<br />

Insgesamt zeigen die vorliegenden empirischen Befunde, dass Jugendliche zu pornografischen Inszenierungen<br />

offenbar ein bemerkenswert reflektiertes Verhältnis haben, ihnen sogar eine gewisse aufklärende Relevanz zusprechen<br />

– ähnliche Tendenzen lassen sich auch für den Bereich Sexualität in Film und Fernsehen sagen (Hoffmann<br />

2010).<br />

Es ist demnach vor allem die mangelnde Erfahrung, die Jugendliche verunsichert. Dies erklärt auch, warum<br />

sowohl TV-Erotik als auch pornografische Inhalte mit neuen und zusätzlichen Irritationen, Fragen und Sorgen<br />

einhergehen können. Diese beziehen sich insbesondere auf die Auseinandersetzung mit Geschlechterverhältnissen<br />

und Sexualität (z. B. Geschlechtsrollenklischees), dem Verhältnis von sexuellen Beziehungen und Liebesbeziehungen,<br />

auf Körperbilder und schließlich auf die Frage danach, was guten Sex ausmacht (Sørensen/Kjørholt<br />

2007; Grimm u. a. 2010; vgl. Klein 2017). Inwiefern und unter welchen Bedingungen TV-Erotik<br />

und Pornografie dazu beiträgt, diese Sorgen zu verstärken oder auch zu reduzieren, lässt sich empirisch aktuell<br />

nicht beantworten. Abgesehen davon, weisen die Fragen und Unsicherheiten der Jugendlichen aber bereits zentrale<br />

Aufgabenfelder für die (sexual-) und (medien-)pädagogische Arbeit aus.<br />

Ähnliche Befürchtungen wie beim Thema Pornografie zeigen sich auch in Bezug auf die Gewaltthematik.<br />

Wenngleich dieses Feld deutlich besser untersucht ist, kann aufgrund der Vielzahl und der Heterogenität der<br />

Befunde und unterschiedlichen Operationalisierungen von Aggression auch hier keine eindeutige Wirkungsaussage<br />

getroffen werden. Violenten Medieninhalten kann allenfalls ein moderater Effekt zugeschrieben werden,<br />

der einen Faktor in einem komplexen Geflecht von Ursachen für die Entstehung von Gewalt darstellt (Kunczik/Zipfel<br />

2006, 2010). Auch hier sind es insbesondere problematische soziale Umwelten (v. a. eigene Gewalterfahrung<br />

in der Familie), die das Wirkungsrisiko gewalthaltiger Medien erhöhen (ebd. 2006, S. 13f.).<br />

Deutlich wird – sowohl in Bezug auf das Thema Pornografie als auch Gewalt – in beiden Fällen bezogen auf die<br />

Inhaltsebene, dass Medien zwar Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung nehmen, „allerdings nicht im Sinne<br />

einer direkten, kausalen Wirkungslogik, sondern im Rahmen der wechselseitigen Beziehung zwischen Subjekt<br />

und Medium, innerhalb eines komplexen technisch-sozialen Bedingungsgefüges und kombiniert mit anderen<br />

Faktoren“ (Hugger 2010, S. 10).<br />

4.3.6.2 Extremistische Propaganda<br />

Weitere Risiken für Jugendliche stellt aus Sicht des Jugendmedienschutzes die Verbreitung extremistischer und<br />

gruppenbezogener menschenverachtender Ideologien über das Internet dar. Die wenigen Studien, die hierzu<br />

vorliegen, fokussieren neben der rechtsextremen Agitation in jüngster Zeit islamistische Propaganda über das<br />

Internet. Nach Aussage der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien sind zehn Prozent aller bislang<br />

indizierten Medien (16.740 Medien) dem Bereich des politischen Extremismus und dem religiösen Fundamentalismus<br />

zuzuordnen. Die Prüffälle haben dabei in den letzten Jahren deutlich zugenommen: Drei Fünftel aller<br />

indizierten Medien aus diesem Bereich sind in den letzten zehn Jahren auf den Index gesetzt worden, das Gros<br />

machten bisher Tonträger aus (64 %). Seit 1996 sind 250 Internetsites indiziert worden (Hajok 2016, S. 23). Das<br />

Internet spielt für die Verbreitung eine tragende Rolle, dies wird im Folgenden anhand islamistischer und<br />

rechtsextremer Propaganda gezeigt.<br />

Die Analysen von jugendschutz.net (2015b) machen deutlich, dass die große Mehrheit deutschsprachiger islamistischer<br />

Internetangebote dem salafistischen Spektrum zuzuordnen ist – hier wurden auch die meisten Indizierungen<br />

vorgenommen (Hajok 2016, S. 23). Es handelt sich dabei um eine ultrakonservative Auslegung des Islam,<br />

die sich nach Steinberg (2012) in drei Strömungen unterteilen lässt: Puristisch, politisch, dschihadistisch.<br />

Unter Jugendschutzaspekten sind die beiden letztgenannten relevant: Politische Salafisten und Salafistinnen<br />

lehnen demokratische Werte und die Gleichheit aller Menschen ab, Dschihadisten und Dschihadistinnen befür-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!