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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 60 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

Die Erwartungen insbesondere an Schule formulieren auch Politik und Wirtschaft. Neben Rechnen, Schreiben<br />

und Lesen sollen Schulen heute auch die basalen, digitalen Kulturtechniken vermitteln. Für die Schulen stellt<br />

aber nach wie vor das Buch das zentrale Medium der Wissensvermittlung dar – unabhängig davon, dass es<br />

längst nicht mehr das Leitmedium der Schüler und Schülerinnen ist. Mit der Einführung und Berücksichtigung<br />

vernetzter und (audio-)visueller Medien in den Schulalltag tut sich die Schule bis heute schwer. Auch die Medienausstattung<br />

lässt weiterhin zu wünschen übrig, so ist weder ein uneingeschränkter Internetzugang selbstverständlich,<br />

noch ist die technische Ausstattung an Schulen zeitgemäß. Bis heute zeigt die Schule wenig Ansätze,<br />

wie zukünftig jugendliche (medienbezogene) Alltagspraktiken und alternative Bildungsmedien (z. B. Open<br />

Educational Ressource) stärker berücksichtigt und auch ein umfassender Zugang (z. B. Bring-Your-Own-<br />

Device-Ansatz) in einem erweiterten Bildungs- und Lebensraum Schule gewährleistet werden kann. Durch eine<br />

stärkere Kooperation mit außerschulischen Partnern zeichnen sich vielversprechende Möglichkeiten ab; diese<br />

werden aber längst nicht ausgeschöpft.<br />

Die Kinder- und Jugendhilfe tut sich ebenfalls noch schwer damit, Medienbildungsprozesse zu unterstützen.<br />

Nicht zuletzt reflektiert sie die Relevanz digitaler Medien und Technologien selbst kaum in ihrer alltäglichen<br />

Arbeit. In ihren Einrichtungen kann die Kinder- und Jugendhilfe die notwendige Ausstattung an digitalen Medien<br />

aktuell ebenfalls nicht gewährleisten. Auch fehlt es ihnen an klaren Richtlinien im Umgang mit digitalen<br />

Medien.<br />

Das institutionelle Gefüge des Aufwachsens übernimmt damit insgesamt wenig Verantwortung, um Jugend<br />

auch digital zu ermöglichen. Weder stellt es ausreichend Zugänge und Angebote bereit, noch schafft es Lernund<br />

Bildungsräume dafür, dass sich junge Menschen aktiv am Diskurs der Informations- bzw. Netzwerkgesellschaft<br />

beteiligen können.<br />

Das mediale Handeln stellt sich different und sozial ungleich dar<br />

Die Medienkommunikation junger Menschen zeigt auch, dass nicht alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />

gleichermaßen an den Möglichkeitsräumen des Internet teilhaben können. Die Zugänge für Gruppen Jugendlicher<br />

sind weiterhin begrenzt und auch auf der Handlungsebene reproduzieren sich soziale Ungleichheiten, d. h.<br />

der Digital Divide bzw. soziale Ungleichheit im Zugang und in der Nutzung des Internet sind längst noch nicht<br />

überwunden. Ob und in welcher Weise Jugendliche mit digitalen Medien Lern- und Bildungserfahrungen sammeln<br />

können, ist also keine Frage individueller Präferenzen oder persönlichen Engagements, die Gestaltung des<br />

digitalen Raums hängt vielmehr weiterhin von strukturellen Bedingungen ab.<br />

Darüber hinaus zeigt sich, dass Jugendliche in ländlichen Regionen und im Osten der Bundesrepublik Deutschland<br />

weiterhin schlechter ans Internet angeschlossen sind. Reproduziert werden soziale Ungleichheiten zudem<br />

über die familiäre Herkunft, den sozialen Status, die ethnische und nationale Zugehörigkeit sowie das Geschlecht,<br />

aber auch über umwelt- und technikbedingte Barrieren. Vom Risiko digitaler Exklusion sind aktuell<br />

vor allem junge Menschen mit Behinderungen, geflüchtete Jugendliche und junge Menschen in prekären Lebenskonstellationen<br />

betroffen.<br />

Gymnasiasten und Gymnasiastinnen haben zudem prinzipiell einen besseren Zugang zu Medien und zwar insbesondere<br />

zu Medien, die eine größere Optionsvielfalt in der Nutzung bieten und einen größeren Partizipationsund<br />

Kreativitätsspielraum eröffnen; Hauptschüler und -schülerinnen zeigen in der Mehrheit ein geringeres Interesse<br />

an Medienpraktiken, die Bildungsinstitutionen als wertvoll erachten, wodurch sich für diese Jugendlichen<br />

die Aufnahme in das institutionelle Gefüge und ihre Bewährung darin als schwierig erweist. Verstärkt wird die<br />

einseitige Nutzung durch das Geschlecht, über das sowohl einseitige und geschlechtergebundene Risiken im<br />

Medienhandeln als auch Ausgrenzung und Diskriminierung befördert werden können. Deutlich wird auch, dass<br />

digitale Medien für Jugendliche mit Migrationshintergründen und insbesondere für geflüchtete Jugendliche eine<br />

noch stärkere Brückenfunktion haben als für andere Jugendliche in ihrem Alter. Sie sichern darüber die Kommunikation<br />

zur Herkunftsfamilie bzw. zum Herkunftsland.<br />

Das Internet stellt sich damit längst nicht für alle Jugendlichen als ein gemeinsamer Ermöglichungsraum dar,<br />

über den Lern-, Bildungs- und Identitätsentwicklungsprozesse gefördert werden können. Vielmehr zeigt sich,<br />

dass bereits bestehende soziale Ungleichheiten in der Gesellschaft auch online reproduziert werden.

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