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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 91 – Drucksache 18/11050<br />

im Generationenverhältnis konzeptionell entfaltet. In Abgrenzung zum Lebensalter Kindheit gewinnt das Jugendmoratorium<br />

als Zeitraum der eigenständigen und selbstverantwortlichen Gestaltung von Ausbildungskarrieren<br />

und soziokultureller Teilhabe sowie der vorbereitenden Ausgestaltung des Lebenslaufs an Kontur. Politisch<br />

umgesetzt wird das Moratorium in erster Linie über die Ausweitung der Institutionalisierung von Jugend in<br />

Form formaler Bildung (Scholarisierung) sowie die Definition von Altersgrenzen z. B. für Heirat, Mündigkeit<br />

oder Strafbarkeit.<br />

Neben bestehenden konzeptionellen Kritiken am inhaltlichen Entwurf der individuellen und gesellschaftlichen<br />

Relevanz des Moratoriums werden Auflösungstendenzen der Freisetzung Jugendlicher von gesellschaftlichen<br />

Aufgaben konstatiert (z. B. Lange 2001; Bertram 2006; Böhnisch 2012). So bezieht sich die im letzten Jahrzehnt<br />

im wissenschaftlichen wie öffentlichen Diskurs vorangetriebene Differenzierung zwischen Jugend und<br />

jungem Erwachsenenalter in erster Linie auf eine Destrukturierung der Übergänge zwischen diesen beiden Lebensphasen,<br />

die ehemals durch das zeitliche Aufeinandertreffen relevanter Lebensereignisse, wie Verselbstständigung<br />

gegenüber der Herkunftsfamilie, Familiengründung oder Eintritt ins Berufsleben definiert waren (vgl.<br />

Bertram 2006). Aktuelle Analysen verweisen auf eine zeitliche Entkopplung von Qualifikations- und Verselbstständigungsprozessen<br />

und deuten die Verlängerung von Qualifikationsphasen sowie die Prekarisierung des<br />

Übergangs in den Beruf einerseits als Barrieren für Verselbstständigung und Familiengründung und andererseits<br />

als Indiz einer sich verschärfenden Situation im Hinblick auf Generationengerechtigkeit (ebd., S. 17;<br />

Bock/Schröer 2008).<br />

Bezogen auf die Entwicklung des jugendlichen Moratoriums wird in sozialwissenschaftlichen Studien weiterhin<br />

bereits seit den 1980er und 1990er Jahren eine steigende Selbstregulation von Jugend durch Positionierungen<br />

Jugendlicher beobachtet (vgl. Brake 2003): Sie betrifft vor allem die Egalisierung der Generationenverhältnisse,<br />

ästhetische Formen kultureller Ausdrucksstile, die eigenständige Teilhabe von jungen Menschen an medialer<br />

Gestaltung und an der Konsumwelt sowie auch die zunehmende Gewährung und Festschreibung der Rechte von<br />

Kindern und Jugendlichen. Empirische Studien verweisen in diesem Zusammenhang auf einen steigenden<br />

Selbstbezug von Jugendlichen in Form einer „selbstverantwortlichen Planungsinstanz des eigenen Lebens“, die<br />

metaphorisch mit dem Konzept des „psychosozialen Laboratoriums“ gefasst wird (Lange 2002, S. 430). Damit<br />

bestätigt sich zugleich auch für das Konzept des Moratoriums die Abkehr von einer Konstruktion als lebensaltertypischer<br />

Zusammenhang für eine Jugendgeneration insgesamt und eine Hinwendung zu einem Verständnis<br />

als individueller Raum der Bearbeitung und Bewältigung lebensalterspezifischer Anforderungen.<br />

1.2.4 Das entgrenzte Jugendmoratorium<br />

Welche strukturellen Veränderungen der Lebenslage Jugend untermauern nun diesen konzeptionellen Wandel<br />

des Moratoriums von der generationalen Ausdrucksgestalt zum individuellen Möglichkeitsraum?<br />

Im Hinblick auf die Freisetzung von reproduktiven Aufgaben als Kern des Konzepts des Jugendmoratoriums<br />

zeigen sich zunächst widersprüchliche Entwicklungstrends. So steigen das Heiratsalter sowie das Alter junger<br />

Frauen bei Geburt ihres ersten Kindes zwischen 1960 und 2010 um ca. 6–8 Jahre an und verlagern sich damit in<br />

das dritte Lebensjahrzehnt (vgl. Tab. 1‒1).<br />

Tabelle 1-1<br />

Heiratsalter, Alter von Müttern bei Geburt des ersten Kindes, Erwerbstätigenquote und Wohnen im<br />

elterlichen Haushalt im Zeitvergleich<br />

1950 1960 1970 1980 1990/1991 2000 2010<br />

Heiratsalter 1 w: 25,4/24,0<br />

m: 28,1/26,1<br />

w: 23,7/22,5<br />

m: 25,9/23,9<br />

w: 23,0/21,9<br />

m: 25,6/24,0<br />

w: 23,4/21,8<br />

m: 26,1/23,9<br />

w: 28,4/24,5<br />

m: 31,1/26,6<br />

w: 28,5/28,0<br />

m: 31,3/30,7<br />

w: 30,3<br />

m: 33,2<br />

Durchschnittl. Alter von Müttern<br />

2 - - 24,3/22,4 25,2/22,1 26,8/22,9 29,7/29,1 30,2/29,9<br />

bei Geburt des ersten Kindes

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