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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 457 – Drucksache 18/11050<br />

Brüder sind: ob sie am Leben sind, ob sie in (Nennung Herkunftsland) sind, ob sie etwas zu essen haben.“<br />

Viele unbegleitete Jugendliche haben darüber hinaus Freunde und/oder Verwandte in anderen Städten in<br />

Deutschland oder Europa und wünschen sich, an einem gemeinsamen Ort zu leben. Ein Mädchen ist um ihre<br />

Schwester besorgt: „Ich wollte eigentlich nach Schweden. Dort lebt eine Schwester von mir. Sie ist<br />

krank. Ich wäre gerne dorthin gefahren, um sie zu unterstützen.“<br />

– Viele der befragten unbegleiteten Jugendlichen berichten von langen Wartezeiten bis zum ersten Kontakt<br />

zum Vormund. Häufig ist auch danach der Kontakt eher sporadisch, und ein großer Teil der Jugendlichen<br />

fühlt sich von diesen wenig unterstützt. Ein Jugendlicher sagt sogar: „Ich kenne ihn nicht, ich habe ihn nie<br />

gesehen, im Gegensatz zu den Jugendlichen hier, die einen ehrenamtlichen Vormund haben. (…) Die unternehmen<br />

oft etwas zusammen.“<br />

– Bei der Gruppe der begleiteten Geflüchteten zeigt sich, dass große Differenzen in der Form der Begleitung<br />

bestehen. Neben der „klassischen“ Familienkonstellation (Mutter-Vater-Kinder) gibt es vielfältige Formen<br />

der Begleitung – etwa durch den knapp volljährig gewordenen Bruder oder einen Onkel. Begleitete Jugendliche<br />

erleben mit Ausnahme der Fälle eines Verdachts auf Kindeswohlgefährdung kaum oder gar keine<br />

Unterstützung durch die Kinder- und Jugendhilfe.<br />

– Insbesondere Mädchen nehmen kaum am sozialen Leben teil („ich stehe auf, sitze herum und bleibe sitzen,<br />

bis ich schlafe“). Nicht nur hinsichtlich der Freizeitgestaltung erleben vor allem begleitete Mädchen eher<br />

Einschränkungen als Jungen – z. B. in Form nicht angebotenen Schwimmunterrichts für muslimische<br />

Mädchen, in Form von Beschränkungen, wenn es darum geht, die Unterkunft zu verlassen, oder wenn ihnen<br />

nur geschlechtsgemischte Freizeitaktivitäten angeboten werden.<br />

– Zugleich werden fehlende Begegnungsräume mit deutschen Jugendlichen sowohl von unbegleiteten als<br />

auch von begleiteten jungen Geflüchteten sehr häufig angesprochen. Die meisten wünschen sich verbindlichere<br />

Beziehungen zu deutschen Jugendlichen: „während zugleich bestehende Kontakte meist eher als<br />

schwierig wahrgenommen werden: „Die deutschen Mitschüler lachen uns aus und beschimpfen uns. (…)<br />

Weil wir Asylbewerber sind oder weil ich kein Deutsch kann. Ich weiß es nicht.“<br />

– Kontakte, die beispielsweise in Sportvereinen, zu deutschen Jugendlichen bestehen, sind eher sporadisch<br />

und werden von den geflüchteten Jugendlichen meist nicht als Freundschaften bezeichnet.<br />

– Die meisten befragten Jugendlichen haben eine klare Vorstellung von ihren beruflichen Zielen und weisen<br />

eine hohe Motivation auf, diese zu erreichen. So erzählen die Jugendlichen auch, wie wichtig es für sie ist,<br />

möglichst schnell und gut Deutsch zu lernen und in die Schule zu gehen: „Mit deutschen Freunden zu reden,<br />

würde mir helfen, leichter Deutsch zu lernen. Aber ich habe keine.“ Häufig fehlen den Jugendlichen<br />

aber auch konkrete Hilfestellungen und mehrsprachige Informationen über das Schulsystem und ihre unterschiedlichen<br />

Bildungsmöglichkeiten in der Bundesrepublik Deutschland. Nur ein kleiner Teil der Jugendlichen<br />

besuchte zum Befragungszeitpunkt eine Regelschule. Die Jugendlichen empfinden die Wartezeiten<br />

teilweise als sehr lange und belastend.<br />

– Ein großes Problem für die Jugendlichen mit kurzer Aufenthaltsdauer in der Bundesrepublik Deutschland<br />

und nur geringen Deutsch- oder Englischkenntnissen ist, dass sie sich in zentralen Lebensbereichen nicht<br />

verständigen können. In Einzelfällen berichten die Jugendlichen über inadäquate Übersetzungen, Missverständnisse<br />

und Verständigungsschwierigkeiten aufgrund von unterschiedlichen Dialekten bei Dolmetschereinsätzen.<br />

Im Alltag der Jugendlichen stehen darüber hinaus kaum Dolmetscherkapazitäten zur Verfügung.<br />

– Ein Großteil der Jugendlichen erlebt Diskriminierung und Rassismus im Alltag. Darüber hinaus berichten<br />

sie außerdem über negative Erfahrungen mit Sicherheitsdiensten und auch mit der Polizei (verdachtsunabhängige<br />

Kontrolle, Persönlichkeitsrechte verletzende Untersuchungen). Ein Jugendlicher berichtet z. B.<br />

„Nach den Silvestervorfällen mit den Frauen (…), ist es hier ein großes Thema. Wenn ich mit meinen<br />

Freunden in der Stadt herumlaufe. Wenn ich nur herumlaufe und mit keiner Person ein Problem habe,<br />

aber wenn die Polizei kommt, hält sie mich an wegen der Hautfarbe und kontrolliert ohne einen Grund unser<br />

Papier – vor allen Leuten. Die Leute schauen mich an, als hätte ich etwas verbrochen. Das ist so<br />

schlimm für mich. Das ist schon vier, fünf Mal passiert – ohne Grund.“ Hauptsächlich entstehen problematische<br />

Situationen aus sprachlichen Missverständnissen, die durch negative Erfahrungen mit der Polizei im<br />

Heimatland noch verstärkt werden können.<br />

Ergänzend sei schließlich noch angemerkt, dass es offenbar markante Erfahrungsunterschiede in den jeweiligen<br />

Einrichtungen gibt.

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