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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 297 – Drucksache 18/11050<br />

genannten Dilemmata werden von Jugendlichen mit formal geringerem Bildungshintergrund und sozioökonomischen<br />

Status offenbar noch etwas weniger reflektiert.<br />

Herausfordernd erscheint das Verhältnis Jugendlicher auch zum Urheberrecht. Indem die Jugendlichen selbst<br />

Content produzieren und dabei auf bestehende mediale Inhalte zurückgreifen, geraten sie immer wieder auch in<br />

Situationen, in denen sie mit ihrem Medienhandeln gegen geltendes Recht verstoßen. Die Unternehmen halten<br />

sich zurück, solange der Mehrwert stimmt und Jugendlichen ihnen sowohl ein größeres Publikum und Daten<br />

bescheren als auch erfolgreich für ihre Produkte werben. Dementsprechend entwickeln junge Menschen in der<br />

Regel auch erst dann ein Bewusstsein für ihr strafwidriges Verhalten, wenn sie in ihrem Bekanntenkreis negative<br />

Erfahrungen mit Abmahnungen gemacht haben (Wagner u. a. 2010; Rakebrand 2014). Unterstützung und<br />

Orientierung suchen Jugendliche aktuell eher bei Freunden und Freundinnen, selten bei Eltern. Einige Jugendliche<br />

signalisieren auch, dass sie sich von der Teilhabe an einem gesellschaftlichen Diskurs, in dem urheberrechtliche<br />

Bestimmungen ausgehandelt werden, ausgeschlossen fühlen (Rakebrand 2014).<br />

Deutlich wird auch: Das Netz präsentiert sich nicht als ein demokratischer und herrschaftsfreier Raum, wie<br />

anfänglich erhofft, sondern ist vielfältig vorstrukturiert. Die Einstiegsbarrieren sind teilweise sehr hoch, für<br />

Jugendliche mit Behinderungen ist die Teilnahme z. B. zum Teil gar nicht möglich; aber auch Jugendliche, die<br />

im Internet auf weniger technische und sprachliche Kommunikationsbarrieren treffen, benötigen eine umfangreiche<br />

Medienkunde und auch soziale und technische Unterstützung, um sich souverän in den konvergenten<br />

Kommunikationswelten zu bewegen, sich positionieren und neue Bildungsoptionen erschließen zu können.<br />

Herausfordernd sind auch Praktiken wie Hate Speech, Cybermobbing, Shitstorms, Toxic behavior, die bewusst<br />

darauf zielen, Personengruppen zu schädigen und exklusive Räume und Identitäten zu wahren und zu schützen.<br />

Eine Herausforderung stellt weiterhin die digitale Kommunikation dar, da Gestik, Mimik und weitere Merkmale<br />

der direkten Face-to-Face Kommunikation fehlen. Grundsätzlich wird Kommunikation als „glaubwürdig“ bzw.<br />

„wahrhaftig“ eingestuft, wenn die beanspruchte Urheberschaft bzw. Behauptung einer bestimmten Identität als<br />

Urheber oder Urheberin stimmig erscheint (Greis 2001). Durch die digitale Kommunikation wird es zunehmend<br />

schwerer, Fälschungen und Manipulationen zu durchschauen und Authentizitätsgaranten zu bestimmen. Eine<br />

Vertrauensbasis zwischen allen beteiligten Akteuren und Akteurinnen herzustellen, wird somit zu einer zukünftig<br />

zunehmend bedeutenderen Angelegenheit und Aufgabe.<br />

Der digitale Ermöglichungsraum eröffnet Jugendlichen somit einerseits neue Autonomieräume und Teilhabemöglichkeiten<br />

und damit auch Optionen, die Kernherausforderungen der Selbstpositionierung, der Verselbstständigung<br />

und in Ansätzen auch der Qualifizierung zu bearbeiten, er konfrontiert sie gleichermaßen aber auch<br />

mit gesellschaftlichen Grenzverschiebungen und Zumutungen wie die neuen Formen der Überwachung, der<br />

Datensammlung und personenbezogenen Analyse des (Online-)Verhaltens zeigen. Weitere Anforderungen ergeben<br />

sich in Situationen, in denen junge Menschen mit ihrem Medienhandeln (bewusst und unbewusst) gegen<br />

geltendes Recht verstoßen (z. B. Urheberrecht, Strafrecht) als auch über neue Formen von Grenzverletzungen<br />

bzw. Ausgrenzungs- und Schließungspraktiken. Deutlich wird ebenfalls, dass nicht alle Jugendlichen gleichermaßen<br />

partizipieren (können). Auf die Zumutungen, die den digitalen Ermöglichungsraum Jugend eingrenzen<br />

und die Herausforderungen, die sich daraus für Jugendliche ergeben, wird im folgenden Abschnitt eingegangen.<br />

4.3 Zumutungen und Herausforderungen des digital-vernetzten Lebens<br />

Das Leben in digital-vernetzten Welten fordert Jugendlichen einen anspruchsvollen Balanceakt ab. Sie erwerben<br />

die erforderlichen Kompetenzen, so formulierte es bereits der Begründer des Konzepts Baacke, nur im Umgang<br />

mit den Medien selbst. Baacke verweist allerdings auch darauf, dass das Konzept Medienkompetenz nicht nur<br />

das Subjekt im Blick hat, sondern auch ein Gestaltungsziel auf überindividueller gesellschaftlicher Ebene anvisiert,<br />

„nämlich den Diskurs der Informationsgesellschaft“ (Baacke 1996, S. 120). Ein solcher Diskurs bezieht<br />

zum einen alle wirtschaftlichen, technischen, sozialen, kulturellen und ästhetischen Probleme mit ein (ebd.), er<br />

schützt das Konzept aber auch vor einer subjektiven Verkürzung bzw. davor, dass es zu einer Verlegenheitsformel<br />

mutiert, „die immer dann gebraucht wird, wenn es um die Verlagerung der Verantwortung auf den Einzelnen<br />

geht“ (vgl. Kübler 1998, S. 22). Im Folgenden wird der Blick daher auch auf die strukturellen Bedingungen<br />

gelenkt und aufgezeigt, welche sozial ungleichen Zugänge und kommunikationskulturellen Herausforderungen<br />

sowie infrastrukturellen Zumutungen den digitalen Ermöglichungsraum Jugend einschränken und Jugendliche<br />

damit auch davon abhalten, sich am Diskurs über die Ausgestaltung der digitalen Moderne zu beteiligen.

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