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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 400 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

schaftliche Debatte um Bildung und die Inklusionsanforderung, die öffentliche Hinwendung zu Kindern<br />

und Kinderbetreuung, die Betonung des Kinderschutzes, finanzielle Restriktionen vieler Kommunen, die<br />

das Feld und seine Akteure vor neue Herausforderungen stellen und Anpassungsprozesse erzwingen.<br />

Lokal haben sich mit der Zeit aus diesen Gemengelagen sehr unterschiedliche Angebote, Einrichtungsformen,<br />

Trägerstrukturen und konzeptionelle Schwerpunkte entwickelt. Die damit für die Kinder- und Jugendarbeit<br />

einhergehenden Spannungsfelder sind in vielen Fällen keineswegs neu, aber sie erhalten durch die derzeitigen<br />

Entwicklungen neue Dynamiken. Vor dem Hintergrund der Perspektive des Berichtes sind diese Spannungsfelder<br />

daraufhin zu betrachten, ob Kinder- und Jugendarbeit noch ein Angebot für Jugendliche ist und sich ihre<br />

Prinzipien dort noch wiederfinden. Im Folgenden werden einige dieser Spannungsfelder näher skizziert.<br />

6.5.1.1 Offenheit für alle und Zielgruppenbezug<br />

Eines dieser fast schon klassischen Spannungsfelder im gleichsam neuen Gewand bezieht sich auf die Frage, ob<br />

die Kinder- und Jugendarbeit alle Jugendlichen erreicht und erreichen kann und welche und wie viele Jugendliche<br />

sie tatsächlich erreicht. Die zuvor dargestellten Forschungsergebnisse belegen, dass erstens die verschiedenen<br />

Angebote der Kinder- und Jugendarbeit offenbar in sehr unterschiedlicher Weise junge Menschen ansprechen.<br />

Und zweitens provozieren die Zahlen und Prozentwerte immer wieder die Nachfrage nach dem Stellenwert<br />

der Kinder- und Jugendarbeit in Bezug auf die gesamte Altersgruppe. Mehr oder weniger latent werden ihr<br />

Stellenwert und damit auch ihre öffentliche Förderung mit dem Argument in Frage gestellt, dass immer weniger<br />

junge Menschen die Angebote in Anspruch nehmen würden.<br />

Für die Kinder- und Jugendarbeit ergibt sich daraus ein Dilemma: Geht es ihr um möglichst alle oder lieber um<br />

ausgewählte Zielgruppen Jugendlicher? Soll sie sich möglichst profiliert an ihren jeweiligen Inhalten orientieren<br />

oder sich breit gefächert möglichst Vielen öffnen? Das Dilemma lässt sich exemplarisch am Beispiel der offenen<br />

Kinder- und Jugendarbeit verdeutlichen. Die meisten Einrichtungen haben den Anspruch, für alle jungen<br />

Menschen offen zu sein. In der Realität erreichen sie, je nach Angebot und Einrichtung, häufig nur ganz bestimmte<br />

Jugendliche und junge Erwachsene. Die Empirie, sowohl aus der Perspektive der Jugendlichen als auch<br />

aus der Sicht der Jugendzentren zeigt, dass offene Einrichtungen im Durchschnitt häufiger männliche Jugendliche<br />

mit einem niedrigeren Bildungsabschluss und oft auch Migrationshintergrund erreichen (vgl. auch Abs.<br />

6.3). Dabei gilt allerdings immer auch, dass es Einrichtungen und Regionen gibt, die eine davon abweichende<br />

Zusammensetzung der die Einrichtung aufsuchenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben.<br />

Innerhalb dieses schon immer bestehenden Spannungsfeldes zeichnen sich Entwicklungen ab, für die die Frage,<br />

ob die Kinder- und Jugendarbeit heute noch ein Angebot für Jugendliche ist, neu bilanziert werden muss. Eine<br />

dieser Entwicklungen bezieht sich auf die Altersgruppe. Die Empirie zeigt, dass die Gruppe der Jugendlichen<br />

noch immer die Hauptzielgruppe der Kinder- und Jugendarbeit ist, zugleich wird an ihr aber auch offensichtlich,<br />

dass ein nicht unwesentlicher Teil der Adressatinnen und Adressaten der Kinder- und Jugendarbeit heute die<br />

Altersgruppe der Kinder ist. Verantwortlich dafür ist u. a. eine gesellschaftliche Erwartungshaltung an das Praxisfeld,<br />

sich stärker an der Sicherstellung der Nachmittagsbetreuung von Schulkindern zu beteiligen.<br />

Für die Verbände und Einrichtungen kann damit die Hoffnung verbunden sein, neue Zielgruppen zu erreichen,<br />

ihre gesellschaftliche Legitimation zu verbessern, für ihre Prinzipien und pädagogischen Ansätze zu werben<br />

oder zusätzliche Ressourcen zu erschließen. Zugleich sind aber auch herausfordernde Wechselwirkungen mit<br />

den bisherigen Angeboten und den erreichten Zielgruppen zu erkennen. Jene Einrichtungen der offenen <strong>Kinderund</strong><br />

Jugendarbeit zum Beispiel, die Angebote der Nachmittagsbetreuung unterbreiten, werden häufiger von<br />

Kindern besucht als Einrichtungen, die kein solches Angebot unterbreiten. Und 30 Prozent der Jugendzentren<br />

nehmen nach eigenen Angaben eine Verjüngung ihrer Besucherschaft wahr (Seckinger u. a. 2016a).<br />

Kinder- und Jugendverbände orientieren sich ebenfalls an immer jüngeren Altersgruppen, auch um in der Konkurrenz<br />

mit anderen Verbänden und Vereinen bei der Suche nach Nachwuchs nicht abgehängt zu werden (vgl.<br />

Voigts 2011, 2015). Diese Befunde sind Ausdruck eines sich für die Kinder- und Jugendarbeit verschärfenden<br />

Spannungsfeldes: Wie kann die Nachfrage nach den Angeboten der Betreuung von Schulkindern gedeckt werden,<br />

ohne dass Angebote für Jugendliche und junge Erwachsenen darunter leiden? Denn spielen Kinder in den<br />

Angeboten oder der Einrichtung eine größere Rolle, so erlangen Fragen – beispielsweise zur Aufsichtspflicht<br />

oder inwiefern Selbstverwaltung noch möglich ist – eine größere Bedeutung.<br />

Auch in Bezug auf die Ausstattung der Räume können Interessenkonflikte zwischen unterschiedlichen Altersgruppen<br />

entstehen. Die Fachkräfte stehen ebenfalls vor jeweils anderen Anforderungen, wenn die pädagogische

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