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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193 – Drucksache 18/11050<br />

ländlichen Regionen jedoch – und hier vor allem in den östlichen Bundesländern – nur eine verschwindend<br />

kleine Minderheit der jungen Menschen aus (vgl. Abs. 2.1.2).<br />

Mit regionalen Differenzen sind für junge Menschen unterschiedliche Erfahrungsräume verbunden, wie zum<br />

Beispiel die Möglichkeiten des Kontakts zu Gleichaltrigen, des Zugangs zu jugendbezogenen Angeboten und<br />

Räumen (vgl. auch Abs. 3.8) als auch des Erlebens migrationsgesellschaftlicher Realitäten und transnationaler<br />

Zusammenhänge (vgl. auch Abs. 3.9). Gleichzeitig führen ungleiche Infrastrukturen sowie Landespolitiken zu<br />

deutlichen regionalen Disparitäten im Bereich der Bildungsangebote, z. B. in regional ungleich verteilten Anteilen<br />

der erlangten Hochschulreife, im regional ungleichen Umgang mit der Förderdiagnostik, in ungleichen Anteilen<br />

des Übergangssystems in den Bundesländern oder in einer ungleichen Angebots-Nachfrage-Relation bei<br />

den Lehrstellen etc. Besonders ausgeprägt sind regionale Disparitäten im Übergang in die Ausbildung. Hier sind<br />

Teilhabechancen junger Menschen an regionale Konjunkturen in den Bundesländern und Regionen gebunden<br />

(vgl. ebd.): „Die Institution der Marktinklusion und die Abhängigkeit des Ausbildungsplatzangebots von den<br />

Betrieben bringen es demnach mit sich, dass die Möglichkeiten der Jugendlichen, einen Ausbildungsvertrag zu<br />

unterschreiben, damit korrespondieren, wo sie leben und wann sie sich bewerben. Entlang unterschiedlicher<br />

Wohnorte und Kohorten bestehen erhebliche Chancendisparitäten; regionale Herkunft und Kohortenzugehörigkeit<br />

bilden wesentliche Determinanten sozialer Ungleichheit“ (Granato/Ulrich 2014, S. 219f.).<br />

Dass auch non-formale Bildungsaktivitäten junger Menschen durch regionale Disparitäten gekennzeichnet sind,<br />

lässt sich beispielsweise an den AID:A-Jugendbefragungen zu Freizeitaktivitäten und ehrenamtlichen Tätigkeiten<br />

zeigen, wobei dies, je nach regionaler Lage, insbesondere durch unterschiedliche Angebote zur Teilhabe an<br />

non-formalen Aktivitäten, z. B. in Vereinen oder Jugendverbänden, zustande kommt (z. B. Franzen/Botzen<br />

2014; Gadow/Pluto 2014, S. 111).<br />

Schließlich unterliegen auch die Erwerbsbeteiligung sowie die Transferabhängigkeit junger Menschen starken<br />

regionalen Disparitäten, wovon Jugendliche und junge Erwachsene in den Stadtstaaten und im Osten der Bundesrepublik<br />

besonders betroffen sind (z. B. Brenke 2013; DGB Abteilung Arbeitsmarktpolitik 2016).).<br />

2.4.3 Intergenerationale Reproduktion von Bildungsungleichheit und Teilhaberisiken<br />

Während generationale und regionale Ungleichheiten in den Lebenslagen junger Menschen erst in den letzten<br />

Jahren (wieder) zum Gegenstand von Analysen werden und erst in Ansätzen untersucht sind, bildet die enge<br />

Kopplung von Herkunftsfamilie und Bildungserfolg in der Bundesrepublik Deutschland einen seit längerem gut<br />

dokumentierten Befund (vgl. zusammenfassend z. B. Almendinger 2003; Büchner 2003; Hadjar/Becker 2006).<br />

So haben sich mit dem allgemeinen Anstieg des Bildungsniveaus durch den Erwerb höherer allgemein- und<br />

berufsbildender Qualifikationen Ungleichheiten zwischen Angehörigen verschiedener sozialer Schichten nicht<br />

stark verringert (z. B. Becker 2006; Ditton/Maaz 2015). Bildungsbezogene Mobilität als Egalisierung von Bildungschancen<br />

war vor allem zwischen 1950 und 1970 zu beobachten (Müller/Pollak 2015). Während in einigen<br />

Regionen höher qualifizierende Schulen schon durch die zunehmende Zweigliedrigkeit (Dreigliedrigkeit, wenn<br />

man die Förderschulen mitdenkt) vermehrt auch Lernende aus nicht-akademischen Elternhäusern aufnehmen,<br />

ergibt sich historisch gesehen insbesondere für die Schulform der Hauptschule eine Homogenisierung der Schülerschaft<br />

mit Blick auf den Sozialstatus (Solga/Wagner 2007). So bestehen insgesamt bis heute für Kinder von<br />

Eltern mit niedrigen eigenen Qualifikationen deutlich geringere Chancen des Erwerbs höherer Schul- und Berufsabschlüsse<br />

(z. B. Fend 2014; Dumont u. a. 2014).<br />

Auffällig ist dabei neben den anhaltenden Ungleichheiten im Erwerb von Bildungsabschlüssen auch die anhaltende<br />

Schlechterstellung der Kinder aus Einwandererfamilien und selbst zugewanderten jungen Menschen (vgl.<br />

zusammenfassend Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, S. 10f.). Auch wenn die Bildungsbeteiligung<br />

und der Kompetenzerwerb von jungen Menschen mit Migrationshintergrund im vergangenen Jahrzehnt deutlich<br />

angestiegen sind (ebd.), bestehen immer noch massive Disparitäten, die vor allem eng an den sozioökonomischen<br />

Status der Herkunftsfamilie geknüpft sind. In entsprechenden Befunden spiegelt sich die ethnische Unterschichtung<br />

der deutschen Gesellschaft, die durch die anhaltend hohe intergenerationale Reproduktion von Bildungsungleichheit<br />

auf Dauer gestellt wird (z. B. Geißler 2012, S. 17).<br />

Aber nicht nur das deutsche Bildungssystem ist durch eine starke Reproduktion von herkunftsabhängiger Bildungsungleichheit<br />

geprägt, auch im Bereich des Zugangs zu Erwerbstätigkeit und in der ökonomischen Verselbstständigung<br />

zeigt sich ein intergenerationaler Transfer von Teilhabechancen und Exklusionsrisiken. So<br />

belegen verschiedene Analysen, dass junge Menschen, deren Eltern zeitweise arbeitslos waren, selbst häufiger

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