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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 397 – Drucksache 18/11050<br />

Lern- oder Bildungsort, wie die Kinder- und Jugendarbeit (oder auch die Schule) rückgebunden werden können.<br />

Insbesondere die individuelle Eigenlogik von Bildungsprozessen, die in pädagogischen Arrangements allenfalls<br />

angeregt bzw. ermöglicht, aber durchaus auch beschränkt werden können und immer auch in andere intersubjektive<br />

Zusammenhänge eingebettet sind, erschwert die Frage nach der methodischen Zugänglichkeit. Während<br />

ein rein quantitativer Zugang die Notwendigkeit nach sich zieht, von der Dynamik individueller Lern- und Bildungsprozesse<br />

und deren Entfaltungsbedingungen zu abstrahieren und „Bildung“ oder „Kompetenz“ auf von<br />

außen angelegte und operationalisierbare Begriffskonstruktionen und daran sich orientierende Niveaustufen<br />

reduziert, können qualitative methodische Zugänge keine Messungen liefern oder Verteilungsaussagen machen.<br />

Zudem muss insbesondere im Hinblick auf informelle Lernprozesse die Frage der methodischen Einholbarkeit<br />

gestellt werden: „Weil informelles Lernen prinzipiell immer, überall und zu allen Themen denkbar ist, aber<br />

nicht unbedingt auch erfolgt, entzieht es sich weitgehend einer unaufwendigen wissenschaftlichen Beobachtung<br />

(....)“ (Rauschenbach 2016, S. 807f.).<br />

Aktuell finden sich für das Feld der Kinder- und Jugendarbeit einige wenige Untersuchungen, die sich diesem<br />

Handlungsfeld unter einer solchen lern- und bildungsbezogenen Perspektive nähern. Diese setzen zum großen<br />

Teil auf Selbstauskünfte der Jugendlichen, die sowohl über standardisiert-quantitative Verfahren (etwa Düx u. a.<br />

2008; Gensicke/Geiss 2010) als auch und vor allem über qualitative Zugänge (etwa Golenia/Neuber 2010; auch<br />

Düx u. a. 2008) erhoben werden. Nur vereinzelt finden sich Untersuchungen, die über Beobachtungsdesigns<br />

versuchen, Lern- und Bildungsprozesse in der Kinder- und Jugendarbeit vor dem Hintergrund ihrer sozialen,<br />

strukturellen und materiellen Konstitutionsbedingungen in all ihren Besonderheiten sichtbar zu machen (Delmas<br />

u. a., 2004; auch Schulz 2010).<br />

Für das ehrenamtliche Engagement in Vereinen und Verbänden liegen mittlerweile Untersuchungen vor, die<br />

positive Einflüsse vor allem am subjektiv erlebten Kompetenzzuwachs (vgl. Düx u. a. 2009; Hübner 2010), an<br />

der Steigerung von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (vgl. Heath 1999) sowie an Zusammenhängen zwischen<br />

Engagement, sozialem Bewusstsein und politischer Beteiligungsbereitschaft (vgl. Reinders 2009) festmachen.<br />

Das ehrenamtliche Engagement in Vereinen und Verbänden erscheint zudem durch die bestehenden Möglichkeiten,<br />

auf freiwilliger Basis Verantwortung zu übernehmen, die Arbeit an den eigenen Interessen zu orientieren<br />

sowie in Gruppenprozesse eingebunden zu sein, besondere Gelegenheitsstrukturen für Lern- und Bildungsprozesse<br />

zu bieten. In ähnlicher Weise kommen Untersuchungen, die sich auf den Kompetenzerwerb im Vereinssport<br />

beziehen, zu dem Schluss, dass neben dem Erwerb motorischer Fähigkeiten vor allem auch soziale und<br />

personale Kompetenzen eine zentrale Rolle spielen, die eher beiläufig und ungeplant in verschiedenen Handlungssituationen<br />

im gemeinsamen Handeln mit Kindern und Jugendlichen unterschiedlichen Alters, Trainern<br />

und Übungsleitern erworben werden. Vor allem auf der Basis gegenseitiger Verantwortungsübernahme können<br />

sich neue Sichtweisen auch im Horizont von „Heterogenität“ entfalten (vgl. Golenia/Neuber 2010). Jugendliche<br />

schreiben demnach ihrer Sportvereinsaktivität einen Kompetenzerwerb zu, der sich auf viele unterschiedliche<br />

Dimensionen erstreckt, vor allem aber soziale Kompetenzen betrifft (ebd., S. 204). Auf den ersten Blick überrascht,<br />

dass beim Sport nicht nur die sportliche Tätigkeit motiviert, sondern Sportvereine als Knotenpunkte im<br />

Netzwerk sozialer Beziehungen geschätzt werden.<br />

Insbesondere das ehrenamtliche Engagement von Jugendlichen ist nicht nur für solche Lern- und Bildungsprozesse<br />

relevant, die die Bearbeitung der Kernherausforderungen der Selbstpositionierung und Verselbstständigung<br />

ermöglichen, sondern ist ebenso mit spezifischen Qualifizierungen verbunden. So gehen damit häufig<br />

Aufgaben einher, die eines spezifischen Fachwissens bedürfen, wofür auch im formalisierten Rahmen (Weiter-<br />

)Qualifikationsangebote zur Verfügung stehen. Dabei haben nach den Daten des Freiwilligensurveys (vgl. Simonson/Romeu<br />

Gordo 2016; für den Freiwilligensurvey 2009 Gensicke/Geiss 2010) 23 Prozent der befragten<br />

14- bis 29-Jährigen bereits mehrfach und 15 Prozent mindestens einmal an Kursen oder Seminaren zur Weiterbildung<br />

für das ehrenamtliche Engagement teilgenommen, die einen wichtigen Bereich (jugend-)verbandlicher<br />

Bildungsarbeit darstellen (Simonson/Romeu Gordo 2016, S. 360). Fast alle Jugendlichen geben an, dass sie<br />

durch die freiwillige Tätigkeit Fähigkeiten erworben haben, die für sie persönlich wichtig sind. Der Freiwilligensurvey<br />

weist gleichzeitig darauf hin, dass sowohl im Hinblick auf die qualifikationsbezogenen Angebote und<br />

die artikulierten Lerneffekte zwischen unterschiedlichen Inhalten und Formen des Engagements unterschieden<br />

werden muss.<br />

In den letzten Jahren geraten zunehmend auch die Angebote der Offenen Kinder- und Jugendarbeit als Orte von<br />

Lern- und Bildungsprozessen in den Fokus empirischer Forschung (vgl. Cloos u. a. 2009; Delmas u. a. 2004;<br />

Müller u. a. 2005a; Schulz 2010). Deutlich wird hier, dass offene Kinder- und Jugendarbeit aufgrund ihrer spezifischen<br />

Struktur und Qualität einen besonderen Möglichkeitsraum für individuelle Lern-und Bildungsprozesse

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