02.02.2017 Aufrufe

Kinderund

1811050

1811050

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 361 – Drucksache 18/11050<br />

schulische Partner, zumal sie den professionellen Ergänzungspart einer lebensweltlich ausgerichteten Sozialpädagogik<br />

zu einer unterrichts- und fächerorientierten Schulpädagogik bietet (vgl. Coelen 2014, S. 37).<br />

– Ganztagsschulen, die gezielt mit Partnern kooperieren, so die zweite Annahme, können das Zusammenwirken<br />

verschiedener (formaler, non-formaler und informeller) Bildungssettings ermöglichen, die Orientierung<br />

an den Bedürfnissen Jugendlicher und ihrer Alltagswelten stärker betonen und die Fixierung auf institutionelle<br />

Zielvorstellungen aufweichen sowie eine dezidiert sozialräumliche Vernetzung eingehen und<br />

sich somit als Teil des kommunalen Gemeinwesens verstehen. In der Zusammenarbeit mit diesen Partnern<br />

eröffnen sich auch für die Schule neue Möglichkeiten, Jugendliche an neue Themen und Inhalte heranzuführen,<br />

ihnen andersartige Bildungserfahrungen zu eröffnen und sie zugleich in lebensweltnahe Ernstsituationen<br />

einzubinden (Rauschenbach 2009b, S. 179).<br />

Trotz aller Dynamik in der Entwicklung der Ganztagsschulen und ihrer Kooperationen mit Partnern muss man<br />

jedoch konstatieren: Eine übergreifende, die Sekundarstufe prägende Leitidee ganztägiger Lern- und Bildungsarrangements<br />

in Schulen mit Sekundarstufe, die zugleich auch eine Verschränkung unterrichtsbezogener und<br />

außerunterrichtlicher Settings impliziert, fehlt bis heute. Einer möglichen Entwicklung hin zu einer kommunal<br />

vernetzten, ganztägigen Schule sowie zu einer Annäherung der pädagogischen Professionen und weiteren Akteure<br />

– als Basis einer kooperativen Förderung jugendlicher Bildungsprozesse – mangelt es zudem an einer<br />

begründeten Perspektive. Diese müsste schul- wie bildungspolitisch klar bestimmt, strukturell und organisatorisch<br />

fundiert werden und im Endeffekt auch zu gesetzestechnischen Anpassungen sowie zu veränderten Zuständigkeiten<br />

im Schul- und Jugendhilfesystem führen. Mit anderen Worten: Ein organisatorischer Wandel der<br />

gezielten Einbindung von außerschulischen Akteuren in die Konzepte der Ganztagsschulen ist bislang ebenso<br />

wenig zu erkennen wie eine Umstrukturierung von Zuständigkeiten und Prioritäten.<br />

Um die Chancen und Möglichkeiten einer fachlichen Verbesserung der Kooperation der Schule, insbesondere<br />

mit Partnern aus der Kinder- und Jugendhilfe, des Sports und der Kultur, stärker zu betonen und sie auch als<br />

eine feste Größe in den Schulalltag einzubauen, bedarf es aber einer Vergewisserung aller Beteiligten, ob und<br />

inwieweit die Schule als Institution auch von den Professionen her erweitert werden soll. Wenn die genannten<br />

Kernherausforderungen des Jugendalters mit Qualifizierung, Selbstpositionierung und Verselbstständigung als<br />

„Messlatte“ an die Ganztagsschule angelegt werden sollen, dann bedarf es einer dezidiert über die Vermittlung<br />

von Wissen hinausgehenden Perspektive für die Ganztagsschule.<br />

In der Kooperation mit außerschulischen Akteuren kann die Chance liegen, Schule auch als Möglichkeitsraum<br />

für Bildungsprozesse anderer Art zu begreifen, in dem Jugendliche selbst organisierte Formen des sozialen Lernens<br />

entwickeln können. Dazu bedarf es aber Räume außerhalb des regulären Schulunterrichts, die von Jugendlichen<br />

mitgestaltet werden können. Schule wird erst dann zu diesem Möglichkeitsraum, wenn die Verschränkung<br />

unterschiedlicher Ziele im Rahmen von Bildung und Erziehung möglich ist.<br />

Es geht demnach um eine Neujustierung der gesellschaftlichen Funktion der (Ganztags-)Schule, gleichermaßen<br />

um eine Grenzüberschreitung des bisherigen konzeptionellen schulischen Radius als Kontaktherstellung zu<br />

jugendlichen Lebenswelten sowie um eine Begrenzung entlang institutioneller Beschränkungen und jugendorientierter<br />

Überzeugungen von gelingenden Bildungsgelegenheiten, die den Spezifika der jugendlichen Lebensphase<br />

mit ihren subjektiven Positionierungen und Erfahrungen auch am ehesten gerecht werden. Oder anders<br />

ausgedrückt: Zu diskutieren wäre auf der einen Seite der gesellschaftliche Mehrweit einer Ganztagsschule im<br />

Jugendalter für alle Beteiligten sowie auf der anderen Seite, wie die Gesellschaft Erwartungen an die Ganztagsschule<br />

öffentlich artikulieren muss.<br />

So gesehen suchen Ganztagsschulen in der Sekundarstufe I – und in diesem Kontext auch die Kinder- und Jugendhilfe<br />

– noch nach ihrem Ort, nach ihrer Funktion und nach ihren pädagogischen Möglichkeiten der Förderung<br />

vielschichtiger Bildungsprozesse im Jugendalter. Es ist keinesfalls ausgemacht, wohin die Reise geht. Der<br />

Kinder- und Jugendhilfe sieht sich in diesem Klärungsprozess in einer doppelten Rolle: Einerseits bedarf sie<br />

einer eigenen klaren Positionierung, wie sie sich in den Prozess der Kooperation einbringen kann und will und<br />

wo dabei ihre Chancen, aber auch ihre Grenzen bei der Unterstützung der Alltagsbildung liegen. Andererseits<br />

versteht sie sich aber immer auch als ein kritischer Begleiter von Schule mit ihren spezifischen Risiken und<br />

Herausforderungen für ein gelingendes Aufwachsen junger Menschen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!