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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 265 – Drucksache 18/11050<br />

3.9 Jugend in globalen und transnationalen Räumen<br />

Mit der Konzeption von Transnationalität wird schon seit Längerem auf die Etablierung grenzüberschreitender<br />

Identitätsentwürfe, Deutungen, Praktiken und Netzwerke sowie Organisationen und Strukturen hingewiesen<br />

(Glick/Schiller u. a. 1992; Pries 2010; Faist u. a. 2011), wie sie im Kontext von Migration sowie im Zuge zunehmender<br />

internationaler Mobilität entfaltet werden. Der Schulaufenthalt oder das Semester im Ausland; die<br />

Teilnahme an internationalen Freiwilligendiensten, Work-and-Travel-Programmen oder intensivpädagogischen<br />

Auslandsprojekten; das Aufwachsen mit Gleichaltrigen unterschiedlichster nationaler Herkunft in einem Stadtteil;<br />

die Kommunikation mit nicht in Deutschland lebenden Verwandten, Freunden und Freundinnen via Skype<br />

oder Facebook; die Identifikation mit jugendkulturellen Szenen oder das Aufwachsen in einer Familie mit<br />

Migrationsgeschichte deuten auf die Vielzahl an Möglichkeiten hin, über die Jugendliche und junge Erwachsene<br />

an nationale Grenzen überschreitenden Erfahrungsräumen teilnehmen und diese mitgestalten.<br />

Die Jugendforschung selbst nimmt diese Formen von transnationalen Verflechtungen, im Sinne von Mobilitäten<br />

46 , Praktiken, Netzwerken und Orientierungen von jungen Menschen, die Teil ihres Alltagslebens sind, bislang<br />

kaum systematisch in den Blick und bleibt in der Breite der Forschungen zumeist einem „methodologischen<br />

Nationalismus“ verhaftet (Beck/Grande 2010). Dagegen werden mit der Perspektive der Transnationalisierung<br />

jugendlicher Lebenswelten in den Kontexten von Migration, Mobilität und individuellen Orientierungen<br />

grenzüberschreitende Erfahrungszusammenhänge einerseits als Kennzeichen von Jugend bestimmt. Andererseits<br />

wird damit ein alternativer ressourcenorientierter Zugang zum Verhältnis von Jugend und Migration aufgegriffen.<br />

Im Folgenden geht es also um junge Menschen, die selbst über Erfahrungen der Migration oder internationalen<br />

Mobilität verfügen wie auch um diejenigen, deren Lebenspraxis grundlegend durch die Migrationserfahrungen<br />

relevanter Bezugspersonen und durch transnationale Lebensräume gekennzeichnet sind (Hunner-Kreisel/Bühler-Niederberger<br />

2015). Im Folgenden wird gefragt, wie sich junge Menschen über Formen der internationalen<br />

Mobilität (vgl. Abs. 3.9.1) und in transnationalen Arenen (vgl. Abs. 3.9.2) positionieren.<br />

3.9.1 Mobilitätspraktiken junger Menschen<br />

Mobilitätspraktiken junger Menschen sind vielfältig, sie schließen neben Migrationsprozessen auch kurz- und<br />

mittelfristige Auslandsaufenthalte, wie bspw. differente Formen von Bildungsmobilität ein. Sowohl im Kontext<br />

von Arbeitsmigration als auch mit Blick auf den Zuzug Schutzsuchender kommen vor allem junge Menschen in<br />

die Bundesrepublik Deutschland. Nach Analysen von Eurostat im Rahmen des Europäischen Jugendberichts hat<br />

sich die Zahl junger Europäer in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 2010 und 2012 um etwa<br />

drei Prozent auf knapp 20 Prozent erhöht (European Commission 2016, S. 165). Der Anteil der jungen Zuwanderer<br />

und Zuwanderinnen, die aus außereuropäischen Ländern in die Bundesrepublik kamen, lag im Jahr 2012<br />

bei 20 Prozent der Zuwanderungen. Dieses Verhältnis dürfte sich spätestens im Jahr 2015 deutlich verschoben<br />

haben. Der Anteil junger Menschen aus der Bundesrepublik, die in anderen europäischen Ländern leben, lag mit<br />

etwa zehn Prozent im europäischen Durchschnitt (ebd., S. 166). Für die Mobilität junger Menschen innerhalb<br />

Europas zeigt sich in der jüngeren Entwicklung seit 2008 ein moderater Anstieg von kurz- und längerfristigen<br />

Aufenthalten von jungen Menschen in einem anderen EU-Land, der jedoch, bezogen auf die Start- und Zielländer,<br />

Schwankungen unterliegt und auch an wirtschaftliche Entwicklungen gekoppelt ist (Hemming u. a. 2016,<br />

S. 18f.). Dass seit Mitte der 2000er Jahre insbesondere Aufenthalte für einen Zeitraum von über drei Jahren<br />

angestiegen sind, verweist auf einen engen, aber bislang kaum untersuchten Zusammenhang zwischen Mobilität<br />

und Migration im Jugendalter (ebd., S. 19).<br />

Wie junge Menschen diese Migrationsprozesse erfahren und welche biografische Bedeutung diese Erfahrungen<br />

entfalten, ist leider bislang ebenfalls kaum zum Gegenstand empirischer Studien geworden. So ist wenig darüber<br />

bekannt, welche Erfahrungen Jugendliche und junge Erwachsenen mit Migration verbinden, welche Formen<br />

und Verläufe ihre Migrationsprozesse annehmen und welche Bedeutung dies für ihre biografische Entwicklung<br />

und soziale Teilhabe hat. Während im Bereich der Mobilitätspraktiken junger Menschen im Kontext von<br />

Migration und im Zusammenhang mit Qualifizierungsprozessen bereits erste Studien vorliegen, sind insbesondere<br />

die Erfahrungen junger Schutzsuchender bislang kaum in entsprechenden Untersuchungen dokumentiert.<br />

46<br />

Mobilität wird hier und im Folgenden als räumliche Mobilität benutzt und verstanden, nicht als soziale Mobilität.

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