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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 471 – Drucksache 18/11050<br />

an seine Grenzen, stellt es üblicherweise doch nicht die institutionellen Rahmenbedingungen selbst in Frage,<br />

sondern findet innerhalb derer statt.<br />

Weil zudem die Komplexität gesellschaftlicher Verhältnisse ständig steigt, die Vielfalt der zumindest theoretisch<br />

denkbaren Optionen in Bezug auf die Gestaltung der eigenen Lebensführung weiter zunimmt und die starren<br />

Fahrpläne durch das Leben Jugendlicher entfallen, sind stabile – lange Zeit gültige – Orientierungspunkte<br />

immer weniger vorhanden. Dort, wo es diese noch gibt, sind sie kaum noch verbindlich. Daher kommt es darauf<br />

an, auch im Kontext der Suche nach Freiräumen, das Jugend- und junge Erwachsenenalter nicht nur im Hinblick<br />

auf Qualifizierungs-, sondern insbesondere auch auf Selbstpositionierungs- und Verselbstständigungsprozesse<br />

zu entdecken und anzuerkennen. Dafür bedarf es sowohl entsprechender Handlungs- und Erfahrungsräume als<br />

auch das Zulassen von Umwegen, Experimenten, Nicht-Linearitäten, Sprüngen und Neuanfängen. Im Prozess<br />

des Aufwachsens bedarf es aber der „Reibung“ und der Erfahrung des „richtigen Lebens“, sodass Freiräume<br />

keinesfalls als abgeschottete „Isolationsräume“ gedacht werden dürfen, da das Ringen um solche Räume entscheidend<br />

zur Bearbeitung dieser Kernherausforderungen dazu gehört.<br />

Für das institutionelle Gefüge des Aufwachsens im Jugendalter bedeutet das „Ringen um Freiräume“ daher<br />

zuerst eine Aufforderung zur institutionellen Selbstbefragung und Selbstbeschränkung. Das heißt, nicht jede<br />

freie (vor allem zeitliche) Kapazität zu füllen, nicht immer weiter Optimierung zu verfolgen und zu fordern,<br />

nicht jede Veranstaltung, jedes Angebot und jede Struktur nach ihrem Zweck und ihrem Beitrag zu Zielen und<br />

Aspekten eines „gelingenden“ Aufwachsens zu bewerten und auszurichten. Vielmehr geht es darum, bewusst<br />

Begrenzung zu üben und danach zu fragen, welche „Freiräume“ innerhalb der Institutionen eröffnet werden<br />

können und welche Räume „unverzweckt“ außerhalb von Institutionen zur Verfügung gestellt werden können,<br />

damit Jugendliche ihre eigenen Wege finden, um so Prozesse der Qualifizierung, Selbstpositionierung und Verselbstständigung<br />

voranzutreiben. Ebenso wichtig ist aber auch die Stärkung von Strukturen, in denen und durch<br />

die das „Ringen um Freiräume“ möglich wird, nicht nur, damit dieses Ringen überhaupt Erfolg haben kann,<br />

sondern auch, weil dieses Ringen für junge Menschen selbst Teil ihrer Selbstpositionierungs- und Verselbstständigungsprozesse<br />

und der darin eingelassenen politischen Bildung ist.<br />

‣ Neugestaltungsbedarf der politischen Bildung im Jugendalter<br />

„Jugend ermöglichen“ bedeutet, Jugendlichen und jungen Erwachsenen Gelegenheiten zu eröffnen,<br />

in denen sie als Ko-Produzenten der Zukunft betrachtet und verbindlich einbezogen werden.<br />

Hierzu bedarf es einer ebenso ernsthaften wie nachhaltigen, auf jeden Fall aber deutlich verstärkten<br />

politischen Bildung. Diese muss in die Alltagspraxis der Jugendlichen, ihren Medienalltag, ihre<br />

Lebenslagen und in die entsprechenden Institutionen vor Ort sowie in das Gemeinwesen eingebunden<br />

sein. Das institutionelle Gefüge des Aufwachsens hat in dieser Hinsicht eine besondere<br />

Verantwortung. Notwendig ist ein in den Institutionen des Aufwachsens verankertes verbindliches<br />

Konzept einer politischen Bildung im Jugendalter, das – neben der Aneignung von Wissen – zu<br />

einer eigenen Positionsfindung und zu demokratischer Handlungskompetenz beiträgt. Politische<br />

Bildung ist zu bedeutsam, als dass sie eher zufällig, sporadisch oder nur als „Surplus“ von ausgewählten<br />

Institutionen des Aufwachsens aufgegriffen wird.<br />

Während auf der einen Seite Jugend in den Befunden der Jugendforschung mehrheitlich als durchaus politisch<br />

angesehen wird und sich in vielfacher Hinsicht auch immer wieder eine besondere Sensibilität Jugendlicher in<br />

gesellschaftlichen und politischen Fragen zeigt (vgl. Kap. 3), ist auf der anderen Seite nicht zu verkennen, dass<br />

dies keineswegs auf alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen zutrifft. Es gibt junge Menschen, die sich kaum<br />

für Politik interessieren, und es gibt Jugendliche, die in politischer Hinsicht zunehmend problematische Verhaltensweisen<br />

und Einstellungen zeigen, die sich auch in rechtsextremem, fremdenfeindlichem und demokratieablehnendem<br />

Gedankengut und Verhalten ausdrücken. Dies sind Hinweise darauf, dass in der politischen Bildung<br />

und vor allem in der Demokratiebildung von Jugendlichen Handlungsbedarf besteht, der von der Politik und<br />

von der pädagogischen Fachpraxis sehr viel stärker aufgegriffen werden muss, als dies in der jüngeren Vergangenheit<br />

der Fall war.<br />

Demokratie ist nichts Selbstverständliches. Das ist die Botschaft der aktuellen politischen Lage, national wie<br />

international. Sie muss immer wieder neu hergestellt werden. Dazu müssen auch Jugendliche und junge Erwachsene<br />

bereit sein und befähigt werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Jugendliche und junge<br />

Erwachsene lernen, sich zu derartigen Themen selbst zu positionieren, mit der Möglichkeit, dadurch eine eigene

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