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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 308 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

4.3.4 Jugendgerechter Datenschutz<br />

Das Datenschutzrecht trägt der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Situation minderjähriger Internetnutzerinnen<br />

und -nutzer bislang nicht ausreichend Rechnung. Unterschiede zur Situation der Erwachsenen ergeben<br />

sich im Bereich der Zulässigkeit der Datenverarbeitung (Einwilligung durch Jugendliche, Vertragsdatenverarbeitung)<br />

und der Transparenz der Datenverarbeitung (vgl. Roßnagel/Richter 2017).<br />

Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einwilligung gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 BDSG ist, dass sie auf der aufgeklärten<br />

Entscheidung der Betroffenen beruht. Die/der Betroffene muss also zuvor über die Folgen der Einwilligung<br />

informiert worden und sich der Tragweite ihres/seines Handelns bewusst sein (Einsichtsfähigkeit). Die<br />

Unternehmen werden darum u. a. in §§ 4 Abs. 3 und 4a Abs. 1 BDSG, § 33 Abs. 1 BDSG, § 34 BDSG und § 13<br />

TMG verpflichtet, Transparenz über die Verwendung personenbezogener Daten durch Unterrichtung und Benachrichtigung<br />

der Betroffenen herzustellen. Um den Jugendlichen eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen,<br />

sollten die Anbieter verpflichtet werden, sie in altersgerechter, verständlicher Sprache aufzuklären.<br />

Die Einsichtsfähigkeit eines Menschen ist im Unterschied zur Geschäftsfähigkeit rechtlich nicht an ein bestimmtes<br />

Lebensalter geknüpft. Sie muss immer im Einzelfall unter Berücksichtigung der individuellen Kenntnisse<br />

und Fähigkeiten der Person und des Entscheidungskontextes ermittelt werden. Die meisten Menschen<br />

entwickeln diese Einwilligungsfähigkeit im Laufe ihres Lebens, können diese im Alter aber auch zunehmend<br />

wieder verlieren, sodass in Deutschland neben Minderjährigen und Erwachsenen mit geistiger und seelischer<br />

Behinderung eine schnell wachsende Zahl alter Menschen von der nachfolgenden Problematik betroffen sind.<br />

Jugendliche sind zwar vielfach aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten schon der Lage, den Verwendungszusammenhang<br />

von Daten im Einzelfall zu verstehen, erfassen aber häufig noch nicht die Tragweite der Datenverarbeitung<br />

in einem automatisierten Anmeldungsverfahren. Aus diesem Grunde bestehen vielfach Zweifel an<br />

der rechtlichen Wirksamkeit der Einwilligungen, die Minderjährige den Diensteanbietern erteilt haben. Um den<br />

im deutschen Vertragsrecht geltenden Schutz Minderjähriger vor Übervorteilung im Geschäftsverkehr Geltung<br />

zu verschaffen, müssen die Diensteanbieter daher verpflichtet werden, ein zuverlässiges Verfahren nicht nur zur<br />

Altersverifikation, sondern auch zur Prüfung der Einwilligungsfähigkeit einzurichten. Liegt diese Einwilligungsfähigkeit<br />

nicht vor, bedarf es der Einwilligung der gesetzlichen Vertretung.<br />

Die wirksame Einwilligung in die Datenverarbeitung spielt neben den gesetzlichen Erlaubnistatbeständen eine<br />

zentrale Rolle für die Diensteanbieter. Unter diesen Erlaubnisvorschriften sind wiederum solche wichtig, die<br />

sich auf ein bestehendes Schuldverhältnis und die Erbringung von Diensten stützen, wie § 28 Abs. 1 Nr. 1<br />

BDSG oder §§ 14 und 15 TMG. Damit diese Erlaubnistatbestände überhaupt greifen, bedarf es eines wirksamen<br />

Vertrages mit dem Kind oder Jugendlichen über die Dienstangebote. Da die AGB der Anbieter in der Regel für<br />

die Minderjährigen nachteilige Regelungen enthalten, z. B. Regelungen, die ihr Recht auf informationelle<br />

Selbstbestimmung einschränken, können die beschränkt geschäftsfähigen Jugendlichen solche Verträge nur mit<br />

Zustimmung ihrer Eltern schließen. Die Anbieter müssten also prüfen, ob es sich bei den Nutzerinnen und Nutzern<br />

um eine Minderjährige oder einen Minderjährigen handelt und ob in diesem Fall die Einwilligungen der<br />

Personensorgeberechtigten in den Vertragsabschluss vorliegen. Gleiches gilt für die Erlaubnistatbestände der §§<br />

95 Abs. 1, 96, 97 und 98 TKG, die ebenfalls einen wirksamen Nutzungsvertrag über Telekommunikationsdienste<br />

voraussetzen (vgl. Roßnagel/Richter 2017, S. 42). Da auch von Jugendlichen kein so besonnener Umgang mit<br />

personenbezogenen Daten erwartet werden kann, wäre ein technisch implementierter Datenschutz, wie etwa die<br />

Verpflichtung der Internetdiensteanbieter, Datenschutzeinstellungen standardmäßig auf der höchsten Schutzstufe<br />

einzustellen, eine weitere wichtige Komponente. Die Datenschutzgrundverordnung verlangt jedoch in Art. 25<br />

Abs. 2 nicht die datenschutzfreundlichste Voreinstellung, sondern nur diejenige Voreinstellung zur Erfassung<br />

personenbezogene Daten, „deren Verarbeitung für den jeweiligen (vom Anbieter) bestimmten Verarbeitungszweck<br />

erforderlich ist“ (ebd.). Die Anbieter sollten dagegen verpflichtet werden, dafür Sorge zu tragen, dass<br />

Kinder und Jugendliche möglichst wenig personenbezogene Daten im Internet hinterlassen.<br />

Die europäische Datenschutzgrundverordnung wird sowohl den Datenschutzregeln des Bundesdatenschutzgesetzes<br />

als auch denen des Telemediengesetzes gegenüber vorrangig anzuwenden sein. Auch der Telekommunikationsdatenschutz<br />

wird teilweise durch die Grundverordnung verdrängt (vgl. Roßnagel/Richter 2017, S. 42).<br />

Die Grundverordnung enthält zwar Regelungen, die auf die Nutzung von Internetangeboten durch Kinder und<br />

Jugendliche zugeschnitten sind, diese greifen allerdings die differenzierten Erlaubnistatbestände für verschiedene<br />

Datentypen in § 11 ff. TMG und § 91 ff. TKG nicht auf. Alle Datenverarbeitungen sollen künftig anhand des<br />

kurzen Katalogs in Art. 6 Abs. 1 DSGVO beurteilt werden, der äußerst abstrakte Erlaubnistatbestände enthält,

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