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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 92 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

Erwerbstätigenquote in % 3 1957 - 1977 - 1997 - 2010<br />

15- bis 20- Jährige: 75 - 45 - 26 - 27<br />

20- bis 25- Jährige 83 - 71 - 63 - 64<br />

1955* 1964* 1978** - - 2006* 2008**<br />

Wohnen im elterlichen<br />

Haushalt 4 in %<br />

85 79 53 - - 66 55<br />

Quellen:<br />

1 Bäcker/Hüttenhoff 2017, S. 18: Statistisches Bundesamt; bis 2000 Daten im West-Ost-Vergleich (West/Ost)<br />

2 Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2012b): Geburten in Deutschland, S. 11; bis 2000 BRD, Westdeutschland innerhalb von Ehen/DDR, Ostdeutschland,<br />

bis 2000 insgesamt<br />

3 Bäcker/Hüttenhoff 2017, S. 48: Statistisches Bundesamt, Ergebnisse des Mikrozensus; Statistisches Bundesamt 2015h, S. 353<br />

4 Maschke/Stecher 2017, S. 31: Shell-Jugendstudien; * 15- bis 24-Jährige, ** 18- bis 26-Jährige<br />

Auch die Erwerbstätigenquote ist seit Mitte der 1950er Jahre deutlich gesunken, was vor allem mit dem Erreichen<br />

höherer Qualifikationen und der damit verbundenen späteren Einmündung in den Beruf zusammenhängt.<br />

Zugleich zeigen einschlägige Studien, dass ein großer Teil der Jugendlichen schon neben der Schulkarriere<br />

jobbt (vgl. Schneider/Wagner 2003), bereits am Beginn der Jugendphase am Konsummarkt teilhat (vgl. Tully<br />

2012) und mehr unter 25-Jährige als noch in den 1960er Jahren im Jahr 2006 in einem eigenen Haushalt leben<br />

(vgl. Maschke/Stecher 2017, S. 31).<br />

Mit der skizzierten Verschiebung der Aufnahme von Erwerbstätigkeiten geht die weitere Institutionalisierung<br />

von Jugend als Qualifikationszeit einher. Diese unter dem Stichwort der Scholarisierung von Jugend bekannt<br />

gewordene Entwicklung setzte historisch mit der Einführung der Schulpflicht im Laufe des 19. Jahrhunderts ein<br />

und erfuhr in Folge der Bildungsexpansion der 1960er und 1970er Jahre eine weitere Steigerung (vgl. zusammenfassend<br />

Fraij u. a. 2015). Die jüngere Entwicklung wurde in der Bundesrepublik Deutschland, verspätet<br />

gegenüber der DDR, reguliert durch die bildungspolitischen Maßnahmen der Ausdehnung der Schulpflicht und<br />

des Ausbaus gymnasialer Bildungsgänge in verschiedenen Bundesländern (vgl. ausführlich Hadjar/Becker<br />

2006). Sie ging einher mit einer deutlichen Erhöhung der Bildungsbeteiligung der Bevölkerung, in der sich<br />

mittlere und höhere Schulabschlüsse für die Mehrheit der Jugendlichen ebenso durchsetzten wie eine qualifizierte<br />

Berufsausbildung. Auch die Zahl der Studierenden steigt seither kontinuierlich an (vgl. ebd., S. 11f.;<br />

Geißler 2008, S. 274ff.; zum Bildungsmoratorium in der DDR z. B. Helsper/Böhme 2002).<br />

Während geschlechtsspezifische Benachteiligungen für weibliche Jugendliche im Bildungssystem in der Folge<br />

der Bildungsexpansion abgebaut wurden, blieb die hohe soziale Selektivität des mehrgliedrigen bundesdeutschen<br />

Schulsystems erhalten. Dies wird besonders deutlich sichtbar an der zunehmenden sozialen Homogenität<br />

der drastisch geschrumpften Hauptschule (vgl. Solga 2005). Zum anderen zeigt sich im vergangenen Jahrzehnt<br />

ein deutlicher Bedeutungsgewinn von Bildung auf der Ebene der für Bildung aufgewendeten Zeit, der Bildungsaspirationen<br />

von Jugendlichen sowie der Bildungsaffinität von Familien und Peergroups (vgl. Fraij u. a. 2015).<br />

Schuljugend wird damit zunehmend und dominant zum Qualifikationsraum und als solcher von Jugendlichen<br />

anerkannt – allerdings ohne dass sich die damit verbundene und traditionell im Jugendalter eher niedrige Schulfreude<br />

dadurch erhöhen würde (ebd., S. 175f.). Auf der Basis dieser Befunde liegt die Schlussfolgerung nahe,<br />

dass „Scholarisierung [...] zu einem Teil einer Haltung des Subjekts [wird], die – beispielsweise im Sinne des<br />

unternehmerischen Selbst (Bröckling 2007) – auf Maximierung der Leistung, Selbststeuerung und -optimierung<br />

zielt“ und damit „auf ein ‚unabschließbares Wachstum’“ (Fraij u. a. 2015, S. 180).<br />

Zur Tendenz der „Verinselung“ von Jugend in Form spezifischer Institutionen und sozialer Kontexte trägt neben<br />

der Schule sowie den Institutionen der beruflichen Ausbildung seit den 1980er Jahren auch eine ausdifferenzierte<br />

Landschaft jugendkultureller Stile und Szenen bei. Jugendkulturen stellen spezifische ästhetische, kulturelle<br />

und soziale Räume Jugendlicher dar (vgl. etwa Baacke 1997; Hitzler/Niederbacher 2010). Mit ihnen geht ein<br />

klar konturiertes und distinktiv orientiertes Erwachsenenbild einher, dem jugendspezifische kulturelle Praxisformen<br />

und Wertorientierungen gegenübergestellt werden. Bezogen auf die Identifikation mit Jugendkulturen<br />

zeigen kohortenvergleichende Analysen, dass freizeitkulturelle Gruppen konstant hohe Zustimmungswerte erhalten<br />

und rechte Szenen gleichbleibend auf Ablehnung stoßen, während die polarisierende Kraft von Proteststi-

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