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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 49 – Drucksache 18/11050<br />

Biografien normiert werden. Darin zeigt sich das Fehlen eines weithin geteilten Verständnisses von Jugend und<br />

einer kohärenten politischen Gestaltung des Jugendalters.<br />

Integrationsmodus Jugend: Qualifizierung, Verselbstständigung und Selbstpositionierung<br />

Ein Zugang, den Engführungen des Jugendbegriffs zu entkommen, eröffnet sich, wenn man Jugend unter der<br />

Perspektive gesellschaftlicher Integration betrachtet und davon ausgeht, dass gesellschaftliche Integration gestaltet<br />

werden muss. Jugend als Integrationsmodus zu verstehen bedeutet dann, der Frage nachzugehen, welche<br />

funktionalen gesellschaftlichen Erfordernisse gegenwärtig mit dem Jugendalter verknüpft werden und wie diese<br />

organisiert, also rechtlich reguliert, institutionell arrangiert und generational eingebettet werden. Unter dieser<br />

Perspektive wird sichtbar, dass jenseits der Vielfalt der Formen der Lebensführung und der Ausdrucksformen<br />

sowie der Diversität der Lebenslagen in modernen Gesellschaften identifizierbare Funktionszuschreibungen an<br />

Jugend und entsprechend Raum- und Zeitarrangements bestehen. Demnach kann das Jugendalter gegenwärtig<br />

durch die drei Kernherausforderungen – Qualifizierung, Verselbstständigung, Selbstpositionierung – charakterisiert<br />

werden.<br />

– Mit Qualifizierung wird die Erwartung verknüpft, dass junge Menschen allgemeinbildende, soziale und<br />

berufliche Handlungsfähigkeiten erlangen.<br />

– Mit Verselbstständigung wird verbunden, dass junge Menschen soziokulturell, ökonomisch und politisch<br />

Verantwortung übernehmen.<br />

– Mit Selbstpositionierung wird die Anforderung formuliert, dass junge Menschen eine Balance zwischen<br />

subjektiver Freiheit und sozialer Zugehörigkeit ausbilden.<br />

Die Kernherausforderung „Qualifizierung“ verweist darauf, dass Jugend als ein Lebensalter gesehen wird, in<br />

dem die nachfolgende Generation umfassende Handlungsfähigkeiten erwirbt, um sich selbst und die Gesellschaft<br />

reproduzieren zu können. Nicht umsonst wird gegenwärtig von einer Scholarisierung des Jugendalters<br />

gesprochen. Qualifizierung im Jugendalter wird zudem – im Unterschied zur Kindheit – systematisch mit Prozessen<br />

sozialer, politischer und ökonomischer „Verselbstständigung“ verbunden, insbesondere im Verhältnis<br />

zur Herkunftsfamilie, aber auch zu pädagogischen Institutionen und sozialen Diensten. So ist das Jugendalter<br />

bzw. die Jugend gesellschaftlich mit der Anforderung verknüpft, aus der Kindheit herauszutreten und sich in der<br />

sozialen, ökonomischen und politischen Teilhabe sukzessive eigenverantwortlich zu verselbstständigen. Es geht<br />

vor allem darum, auch letztgültige Entscheidungen treffen und die Konsequenzen individueller Verantwortungsübernahme<br />

alltäglich tragen zu können.<br />

Die Prozesse der Qualifizierung und der Verselbstständigung im Jugendalter verweisen auf die dritte Kernherausforderung<br />

– die „Selbstpositionierung“. Junge Menschen werden im Jugendalter in ihrer Persönlichkeit, in<br />

ihren Werthaltungen und ihrer sozialen und körperlichen Entwicklung herausgefordert. Sie sind in ihrem persönlichen<br />

und politischen Leben gefordert, sich selbst neu in ein Verhältnis zu Anderen und zu Gruppen zu<br />

setzen. Mit dem Jugendalter sind bestimmte biografische Anfangskonstellationen z. B. in Bezug auf die sexuelle<br />

Orientierung, persönliche Beziehungen, politische Teilhabe etc. verbunden, die ein Ausbalancieren eigener Positionierungen<br />

mit sozialen Zuordnungen erfordern. Jugendkulturelle Ausdrucksformen werden dabei ebenso als<br />

eigenständige Positionierungen in Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Erwartungen gesehen wie ehrenamtliches<br />

Engagement oder politische Teilhabe. Die Ermöglichung von Selbstpositionierung ist damit ein zentraler<br />

Bestandteil, um Jugendlichen und jungen Erwachsenen eigene Zugänge zur demokratischen Mitgestaltung<br />

von Gesellschaft zu schaffen und um soziale Veränderungen zu ermöglichen.<br />

Jugendliche sind politische Akteure<br />

Die Jugend galt über eine lange Zeit hinweg als aktiver gesellschaftlicher Akteur, der auch politische Entwicklungen<br />

und damit Entscheidungen über die Zukunft mitprägt. Dabei waren ihre politischen Reaktionen auch<br />

Folgen der Missachtung ihrer Belange durch Politik. Mit ihrem Protest gaben junge Menschen Anstöße für zahlreiche<br />

jugendpolitische Diskurse und Regulationen. Die gesellschaftlichen Bedingungen für die politische Teilhabe<br />

Jugendlicher und junger Erwachsener haben sich seither entscheidend geändert: Junge Menschen machen<br />

in demografischer Hinsicht nur noch eine Minderheit aus, die Arenen politischen Engagements in sozialen Bewegungen,<br />

politischen Organisationsformen und Protestgruppen sind hoch differenziert und Formen des politischen<br />

Engagements unterliegen einem grundlegenden Wandel.

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