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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 239 – Drucksache 18/11050<br />

gar nicht engagieren (European Commission 2013a, S. 8). Auch Resultate des Freiwilligensurveys weisen darauf<br />

hin, dass die Bereiche Sport, Kultur und Musik, Bildungsinstitutionen und Jugendarbeit und Religion die<br />

relevantesten Felder ehrenamtlichen Engagements sind. Junge Menschen in der Altersgruppe der 15- bis 29-<br />

Jährigen sind dabei insbesondere im Sport (55 %), im Bereich Kultur und Musik (21 %) sowie in den Feldern<br />

der Religion (14 %), der Jugendarbeit (13 %) sowie bei den Hilfs- und Rettungsdiensten (8 %) aktiver als andere<br />

Altersgruppen. Insbesondere Hilfsdienste, wie die Feuerwehr und Rettungsdienste, aber auch Gewerkschaften<br />

erreichen dabei junge Menschen aus allen sozialen Schichten, wohingegen gerade interessenbezogene Aktivitäten<br />

in Sport oder Kultur vor allem von jungen Menschen aus sozialstrukturell und bildungsbezogen privilegierten<br />

Gruppen ausgeübt werden (vgl. Gille 2015, S. 48). Dies gilt in besonderem Maße für Parteien, aber auch<br />

Vereine und Verbände sind keine milieuunabhängigen Aktivitätsräume, in denen sich Jugendliche engagieren<br />

(können und wollen).<br />

3.6.4 Politische Ausdrucksformen Jugendlicher zwischen Teilhabe und Jugendprotest<br />

Die bisherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass junge Menschen in der Bundesrepublik Deutschland<br />

dem demokratischen System grundlegend positiv gegenüberstehen. Das Interesse Jugendlicher und junger Erwachsener<br />

für politische Zusammenhänge schwankt mit den Politikfeldern und Ebenen des politischen Betriebs<br />

sowie individuellen Merkmalen, wie Geschlecht, Alter oder Bildungsstand. Etwa 40 Prozent der Zwölf- bis 25-<br />

Jährigen sind politisch interessiert (vgl. Schneekloth 2015, S. 158), etwa genauso viele sind als Mitglieder in<br />

Vereinen oder Verbänden in kollektive Zusammenhänge eingebunden, ca. ein Drittel ist hierin ehrenamtlich<br />

aktiv. Mehr als die Hälfte der jungen Erwachsenen beteiligt sich an Wahlen. Gleichzeitig zeigen sich junge<br />

Menschen anhaltend skeptisch gegenüber Regierungsinstitutionen und Parteien. Ihre Einstellungen im Zusammenhang<br />

mit Zuwanderung und gesellschaftlicher Pluralisierung zeugen hingegen von Offenheit – Menschenfeindlichkeit,<br />

Rassismus und Antipluralismus sind, wenngleich öffentlich noch immer ab und an so diskutiert,<br />

schon seit langem keine Jugendphänomene (z. B. Krüger u. a. 2004; Zick/Klein 2014). Gegenüber der Altersgruppe<br />

der Erwachsenen ergibt sich jedoch ein Spannungsfeld. So sind junge Menschen trotz ihres – im Vergleich<br />

zu Erwachsenen – höherem gesellschaftlichen Engagement weniger stark als diese in politisch institutionalisierte<br />

Zusammenhänge eingebunden. Gerade in formalisierten politischen Entscheidungsprozessen sind sie<br />

damit weniger repräsentiert und einflussreich.<br />

Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich die Mehrheit der jungen Menschen nicht aktiv politisch positioniert. Gerade<br />

mit Blick auf Jugendliche und junge Erwachsene muss politisches Handeln zudem in einem weiter gefassten<br />

Sinne als Akt verstanden werden, die eigene Lebensweise mit der allgemeinen Gesellschaft in Verbindung zu<br />

bringen. Politisches Handeln beginnt demnach dort, wo Jugendliche „das Private überschreiten und sich mit<br />

ihren Anliegen an die Öffentlichkeit eines Gemeinwesens wenden, ihre Themen/Kritiken/Interessen oder Ähnliches<br />

vorbringen und diese zum Thema einer allgemeinen Auseinandersetzung und gemeinsamen Regelung machen<br />

(oder zu machen versuchen)“ (Sturzenhecker 2012, S. 153). Unter dieser Prämisse kommen auch politische<br />

Aktionsformen jenseits institutioneller Zugehörigkeit und ohne direkte Bezugnahme auf etablierte politische<br />

Entscheidungsgremien in den Blick, die als Teil der kritischen öffentlichen Wahrnehmung politischer Prozesse<br />

unter dem Stichwort „monitoring democracy“ verhandelt werden. Gerade für junge Menschen, die als<br />

Altersgruppe kaum über Vertreterinnen und Vertreter in politischen Gremien verfügen, erscheint die Repräsentativität<br />

politischer Entscheidungsgremien eingeschränkt. Einflussmöglichkeiten bestehen für sie damit insbesondere<br />

auf der Ebene der Kritik politischer Auseinandersetzungen und Entscheidungen im Kontext von politischer<br />

Bildung, unkonventionellen sowie medialen Protestformen, der Mitarbeit in sozialen Bewegungen und im<br />

Aktivismus juveniler Protestkulturen.<br />

Unkonventionelle politische Aktivitäten<br />

In dieser Perspektive geraten nicht-organisationsbezogene politische Aktivitätsformen, wie die Teilnahme an<br />

Demonstrationen, die Beteiligung an Unterschriftensammlungen oder Warenboykotten, aber auch mediale Protestformen,<br />

wie Internetpostings (z. B. Blogs, Videos, Forenbeiträge) oder die Beteiligung an Petitionen oder<br />

Flashmobs als politische Ausdrucksmöglichkeiten und Artikulationsformen von Kritik in den Fokus. Jugendliche<br />

engagieren sich hier für Themen und Interessen, die sich stärker auf soziale, ethische und ökologische Fragen<br />

beziehen und damit deutlicher an ihre konkreten lebensweltlichen Erfahrungen gekoppelt sind, ohne sich<br />

über eine längerfristige Mitgliedschaft binden zu müssen.

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