02.02.2017 Aufrufe

Kinderund

1811050

1811050

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Drucksache 18/11050 – 104 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

1.3.2 Politische Regulationen von Jugend<br />

Ähnlich paradox wie die rechtliche Kodifizierung von Jugend lässt sich auch das Verhältnis von Jugend und<br />

Politik skizzieren, das grundlegend durch zwei unterscheidbare Dimensionen bestimmt ist, die allerdings bislang<br />

kaum im Zusammenhang diskutiert werden: (1) Einerseits unterliegt Jugend als Integrationsmodus moderner<br />

Gesellschaften der politischen Regulierung, indem Jugendlichen und z. T. auch jungen Erwachsenen spezifische<br />

rechtliche, institutionelle und soziale Bedingungen eingeräumt werden. (2) Andererseits treten Jugendliche<br />

selbst als politische Akteure auf und wirken dabei weit über die Regulation von Bedingungen des Aufwachsens<br />

und Erwachsenwerdens hinaus in verschiedenen gesellschaftspolitischen Zusammenhängen mit (vgl. Abs.<br />

1.3.3). Die politische Regulation von Jugend erfolgt dabei vor allem in institutionalisierten politischen Zusammenhängen<br />

und über verbindliche rechtliche Normen und unterliegt den Prinzipien einer repräsentativen Demokratie.<br />

Dagegen finden politische Beteiligung und politisches Engagement von Jugendlichen neben wenigen<br />

institutionell verfassten Beteiligungsformen – wie z. B. in Kommunalpolitik, Sozialen Diensten, Schulen (vgl.<br />

Abs. 1.3.4) – in erster Linie in lebensweltlichen Zusammenhängen, sozialen Bewegungen und jugendkulturellen<br />

Kontexten statt.<br />

Vor diesem Hintergrund bezieht sich die folgende Darstellung auf einen weit gefassten Politikbegriff, der neben<br />

den Institutionen, Akteuren und Prozessen des politischen Systems von der supranationalen bis zur lokalen Politik<br />

auch Aktionen und Auseinandersetzungen in Kontexten einbezieht, in denen nicht oder nur in eingeschränktem<br />

Maße kollektiv verbindliche Entscheidungen ausgehandelt und umgesetzt werden können, wie dies bspw. in<br />

der Schülerinnen- und Schülervertretung, der Protestgruppe oder einem politischen Meinungsaustausch in Familie<br />

oder Freundeskreis der Fall ist.<br />

Jugend ist in ihrer uns bekannten Form vor allem ein Produkt protektiv-orientierter politischer Regulierung<br />

sowie der Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik (vgl. Abs. 1.2.2). Dabei ist die politische Gestaltung des Jugendalters<br />

als Integrationsmodus auf die Bewältigung der schulischen Anforderungen, die Eingliederung in die Teilhabeformen<br />

am Arbeitsmarkt sowie den Jugendschutz und die Jugendhilfe ausgerichtet. Auch in diesen Bereichen<br />

hat sich der Aufmerksamkeitsfokus in den letzten beiden Jahrzehnten zur Regulierung von Kindheit verschoben<br />

(vgl. Hornstein 2009). In dieser Zeit hat Jugendpolitik deutlich an Offensive und Akzenten verloren,<br />

und dort, wo sie stattgefunden hat oder stattfindet, ist ihr Profil wenig erkennbar und auch kaum sichtbar geworden.<br />

Gleichwohl in den Bereichen der Sozial-, Jugendschutz- und -hilfe und Bildungspolitik in den vergangenen<br />

Jahrzehnten deutliche Transformationen angestoßen wurden, ist eine jugendpolitische Gesamtstrategie<br />

dabei nicht zu erkennen und selbst ihre jugendpolitische Relevanz bislang nicht ausreichend reflektiert.<br />

So wurden bspw. im Bereich der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik in den letzten Jahren eine Reihe bundespolitischer<br />

Regulationen getroffen, welche auf die Integration Jugendlicher in den Arbeitsmarkt zielen und dazu Instrumente<br />

der strukturellen Schlechterstellung junger Menschen (z. B. über Ausnahmeregelungen beim Mindestlohn)<br />

oder der Sanktionierung von „Integrationsverweigerung“ insbesondere bei Jugendlichen und jungen<br />

Erwachsenen (z. B. verschärfte Sanktionen im SGB II) einführen. Im Bereich der Bildungspolitik wurde bereits<br />

auf die Flexibilisierungs- und Liberalisierungstendenzen im Bildungssystem aufmerksam gemacht. Insgesamt<br />

differenziert sich die Schullandschaft zudem im Kontext der Einführung integrativer Schulformen und der Ausweitung<br />

des Privatschulsektors deutlich aus und stellt Jugendliche vor zusätzliche Wahloptionen. Einige Bundesländer<br />

entwickeln mit Maßnahmen zur Vorverlagerung und Verkürzung der Schulzeit bildungspolitische<br />

Perspektiven einer früheren Arbeitsmarktintegration im Jugendalter.<br />

Inhaltlich und konzeptionell sowie auch in der rechtlichen Gestaltung des Jugendalters bleiben diese ressortpolitischen<br />

Maßnahmen auf verschiedenen politischen Ebenen ohne Vermittlung und entwerfen widersprüchliche<br />

Perspektiven auf die Regulation von Jugend in der Gesellschaft. Als jugendpolitische Akteure treten in diesen<br />

Zusammenhängen in erster Linie die Parlamente, die Ministerien im Bund sowie in den Ländern und die Behörden<br />

auf kommunaler Ebene auf, aber auch die Jugendverbände, die im SGB VIII als Interessenvertreter von<br />

Jugend normiert werden. Der Etablierung übergreifender jugendpolitischer Ziele stehen dabei nicht nur die<br />

Komplexität und Kompetenzdiffusion zwischen diesen Akteuren entgegen, sondern auch die in gesellschaftlichen<br />

Machtverhältnissen und damit verbundenen Positionen verankerten Argumentationsstrukturen und politischen<br />

Rituale.<br />

Innerhalb dieser politischen Gestaltungsbereiche ist nur in Ansätzen eine aufeinander bezogene Diskussion über<br />

die Kontur und Gestaltung des Jugendalters und des jungen Erwachsenenalters im jugendpolitischen Sinne zu<br />

erkennen. Politische Maßnahmen zielen gleichzeitig auf eine Verkürzung und Ausdehnung der Jugendphase,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!