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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 266 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

Bekannt ist, dass Migrationserfahrungen im Jugendalter immer auch vor dem Hintergrund lebensphasenbezogener<br />

Entwicklungen und Herausforderungen betrachtet werden müssen. So verweist Günther (2009) in der Analyse<br />

von Biografien jugendlicher Migrantinnen und Migranten, die zum Zweck der Qualifikation in die Bundesrepublik<br />

Deutschland gekommen sind, darauf, dass sich im Kontext der Migration für Jugendliche individuelle<br />

Entwicklungsspielräume unter bestimmten Bedingungen deutlich erweitern (vgl. auch Kempf 2013). Individuelle<br />

Positionierungsprozesse werden gleichzeitig durch Diskriminierungserfahrungen im Einwanderungsland<br />

erschwert (Günther 2009). Die Bewältigung von Migration im Jugendalter wird dabei als „doppelte Transformation“<br />

verstanden, bei der sich in der gleichzeitigen Bearbeitung von Adoleszenz und Migrationsprozess besondere<br />

Möglichkeitsräume, aber auch besondere Risiken verbinden (King 2004; King/Koller 2009; Günther u. a.<br />

2010).<br />

Mobilitätspraktiken im Kontext von Migration<br />

Über eine langfristig ausgerichtete Migration in die Bundesrepublik können sich transnationale Mobilitätspraktiken<br />

gerade für Jugendliche mit eigenem oder familialem Migrationshintergrund u. a. über Mobilität in das<br />

elterliche Herkunftsland in Form von bildungsbezogener oder beruflicher Mobilität, regelmäßigen Besuchen<br />

und Urlaubsreisen oder auch im Zusammenhang mit konkreten Lebensereignissen, wie bspw. Geburt, Heirat<br />

oder Tod, entfalten (vgl. Siouti 2013; Klein-Zimmer 2016). Neben den temporären Grenzüberschreitungen,<br />

können zudem längerfristige und auf Dauer geplante Ortswechsel in das Herkunftsland der Eltern beobachtet<br />

werden. Wessendorf (2013) wählt hierfür den Begriff der „roots migration“, um das Phänomen der Re-<br />

Lokalisierung von Teilen der jungen Menschen mit Migrationshintergrund in das Herkunftsland der Eltern begrifflich<br />

zu fassen (vgl. hierzu auch King/Christou 2011).<br />

Inwiefern transnationale Orientierungen und Zukunftsentwürfe für junge Menschen mit Migrationshintergrund<br />

mit Perspektiven des sozialen Aufstiegs verbunden sind, hängt dabei wesentlich von deren politisch-rechtlichem<br />

Status ab: „positive Regelungen wie die europäische Freizügigkeit für EU-Bürger ermöglichen eine produktive<br />

Nutzung kultureller und sozialer Ressourcen für transnationale Laufbahnen; restriktive Regelungen des deutschen<br />

Ausländer- und Asylrechts reduzieren eine transnationale Orientierung quasi auf die Funktion der Überlebensstrategie“<br />

(Fürstenau/Niedrig 2007b, S. 257). Das gilt insbesondere für junge Asylbewerberinnen und –bewerber<br />

sowie „geduldete“ junge Erwachsene, deren Orientierungen durch unsichere Zukunftsperspektiven geprägt<br />

sind (zur Lebenssituation geflüchteter junger Menschen vgl. Abs. 7.4).<br />

Zu beobachten ist weiterhin, dass insbesondere bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund auch Bildungsbiografien<br />

und Prozesse der Berufseinmündung transnational ausgerichtet sind. Der nationale Grenzen überschreitenden<br />

Ausrichtung von Bildungsverläufen wird ein positiver und für die Qualifizierung gewinnbringender<br />

Charakter zugeschrieben (u. a. Fürstenau 2004; Apitzsch/Siouti 2008; Siouti 2013; Klein-Zimmer 2016).<br />

Mehrsprachigkeit und transnationale soziale Netzwerke werden für die Bildungslaufbahn und beim Übergang<br />

von der Schule in die Arbeitswelt genutzt und stehen für einen erweiterten Möglichkeitsraum und ein Mehr an<br />

Optionen für die Bildungsbiografien der jungen Erwachsenen. So weisen Studien, insbesondere bei Jugendlichen,<br />

deren Eltern aus Osteuropa oder Südeuropa eingewandert sind, auf eine hohe Bedeutung zusätzlichen<br />

herkunftssprachlichen Unterrichts hin (zusammenfassend Gogolin 2009, 2010). Auch Bildungsmobilität ins<br />

Herkunftsland der Eltern mit dem Ziel, einen Bildungsaufstieg der Kinder zu gewährleisten, bildet eine transnationale<br />

Mobilitätspraxis junger Menschen (z. B. Apitzsch/Siouti 2008; Siouti 2013). Bezogen auf das nationalstaatliche<br />

Bildungssystem Deutschlands kommen die genannten Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass dieses<br />

keineswegs den transnationalen Orientierungen der jungen Erwachsenen gerecht wird und zentrale kulturelle<br />

Ressourcen somit unentdeckt bleiben (Gogolin 2010).<br />

Bildungsbezogene Mobilität<br />

Über den Kontext der Bildungskarrieren von jungen Menschen mit Migrationshintergrund hinaus, gewinnt insgesamt<br />

die bildungsbezogene Mobilität junger Menschen über Ländergrenzen hinweg an Relevanz. Sie stehen<br />

aktuell im Kontext von Prozessen der internationalen Standardisierung und der supranationalen Steuerung in<br />

Bildungssystemen (z. B. Hornberg 2010, S. 23ff.). Für junge Menschen eröffnen sich damit einerseits Chancen,<br />

aber auch Erwartungen, bereits im Rahmen ihrer Qualifizierung grenzüberschreitend mobil zu sein und sich<br />

damit auf das Leben in globalisierten Zusammenhängen vorzubereiten: „Die Rede ist von einem ‚mobility imperative’,<br />

der ein erfolgreiches Individuum mit einer mobilen und flexiblen Person gleichsetzt“ (Karl u. a.,<br />

2016, S. 41). Andererseits entstehen damit transnationale Bildungsräume (Adick 2005; Bauschke-Urban 2010)

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