02.02.2017 Aufrufe

Kinderund

1811050

1811050

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 55 – Drucksache 18/11050<br />

selbstbestimmten Art und Weise agieren und sich einbringen können. Dazu gehören sowohl dyadische Freundschaftsbeziehungen,<br />

festere Gruppen von Jugendlichen oder auch losere Netzwerke, die im Jugendalter meist<br />

parallel nebeneinander existieren. Junge Menschen verbringen einen erheblichen Teil ihrer Zeit in solchen<br />

Gruppen, die für sie wichtige Kristallisationspunkte beim Organisieren ihrer Zeit, ihrer Bedürfnisse und Interessen<br />

und ihrer Freundschaften sind.<br />

Peergroups sind eine zentrale Sozialisationsinstanz neben der Familie; sie erfordern aufgrund ihrer Freiwilligkeit<br />

und Gleichberechtigung ein hohes Maß an Kooperations-, Verhandlungs- und Kritikfähigkeit der Beteiligten<br />

und haben eine wesentliche Bedeutung für die Selbstpositionierungs- und Verselbstständigungsprozesse im<br />

Jugendalter. In Peergroups finden bewusste und selbst organisierte Lernprozesse im Hinblick auf gruppenbezogene<br />

Interessen, etwa bezogen auf Medien, Sport, Musik oder andere Fach- und Sachgebiete statt, die die kognitiven<br />

oder auch physischen Kompetenzen Jugendlicher aufgrund der Symmetrie in den Beziehungen und der<br />

Notwendigkeit des gemeinsamen Aushandelns von Lösungen immens fördern können. Ebenso können sie schulische<br />

Orientierungen sowohl positiv als auch negativ beeinflussen und fungieren häufig als emotionale Unterstützer<br />

bei der Verarbeitung schulischer oder auch familialer Probleme.<br />

Gleichzeitig stellen Peergroups auch einen Rahmen für grenzüberschreitendes und delinquentes Verhalten, wie<br />

Alkohol- und Drogenkonsum oder auch gewaltförmiges Handeln dar. Insbesondere Gewalt und Delinquenz in<br />

Peergroups verweisen darauf, dass Gruppennormen und -dynamiken sowohl gesellschaftlich als auch familial<br />

anerkanntes Verhalten unterstützen oder auch mit diesem konfligieren können, sodass informelle Gruppen immer<br />

auch in ihrer Funktion als Kontrollraum für angemessenes und als Schutzraum für grenzüberschreitendes<br />

Verhalten betrachtet werden müssen, die je nach Gruppenzusammensetzung unterschiedliches Gewicht erlangen<br />

können.<br />

So wichtig die Einbindung in informelle Gruppen Gleichaltriger ist, so muss dennoch beachtet werden, dass<br />

einem kleinen Teil der Jugendlichen der Zugang zu solchen Peergroups nicht zu gelingen scheint. Für diese<br />

jungen Menschen reduzieren sich die Peerkontakte zumeist auf Gruppen in Bildungsinstitutionen oder Betrieben,<br />

mit dem Resultat, dass ihnen informelle Möglichkeitsräume der sozialen Teilhabe vielfach verschlossen<br />

bleiben.<br />

Peergroups als eigenständige Handlungs- und Kommunikationsräume besitzen insgesamt eine immense Bedeutung<br />

für die Bewältigung biografischer Herausforderungen, gesellschaftlicher Erwartungen und Übergänge im<br />

Jugendalter, indem sie in sehr unterschiedlicher Weise gruppenspezifisch Orientierungen vermitteln, Deutungsangebote<br />

zur Selbstpositionierung bereithalten und (phasenweise) Grenzüberschreitungen, aber immer auch<br />

Anpassungsprozesse ermöglichen.<br />

Liebesbeziehungen und Partnerschaften werden mit dem Alter wichtiger<br />

In den Peergemeinschaften entstehen auch erste Liebesbeziehungen und Partnerschaften. Diese sind für Jugendliche<br />

äußerst wichtig und ermöglichen ihnen, Vertrautheit und Unterstützung auch außerhalb der Familie und in<br />

Eigenregie zu erleben. Dabei verlieben sich Jugendliche heute früher als noch in den 1980er-Jahren. Im Älterwerden<br />

gehen Jugendliche dann immer häufiger – auch über längere Zeiten andauernde – Paarbeziehungen ein.<br />

Charakteristisch für jugendliche Beziehungsbiografien ist deren Serialität: Die wenigsten jungen Erwachsenen<br />

blicken auf eine einzige festere Beziehung zurück, vielmehr wechseln sich Phasen der Partnerschaft mit vorübergehendem<br />

Single-Dasein ab. Doch auch wenn Partnerschaften im Jugendalter zum Teil nur von kurzer Dauer<br />

sind, streben Jugendliche häufig nach einer romantischen, engen und monogamen Beziehung, die von der Suche<br />

nach gemeinsamem Konsens und Geschlechteregalität geprägt ist.<br />

Dabei prägen heteronormative Vorstellungen und Erwartungen die Entwürfe eines Großteils der Jugendlichen<br />

wie auch der Erwachsenenkultur, sodass davon abweichende Partnerschaften und Sexualbeziehungen häufig als<br />

normabweichend abgelehnt oder stigmatisiert werden. Für Jugendliche, die sich zu gleichgeschlechtlichen Partnern<br />

und Partnerinnen hingezogen fühlen, können damit starke Ablehnungserfahrungen sowohl auf Seiten der<br />

Peers als auch auf Seiten der Eltern einhergehen, die teilweise auch von psychischen und physischen Gewalterfahrungen<br />

begleitet sein können.<br />

Als entscheidend für ein positives Erleben von Partnerschaft und Sexualität sowie die Bearbeitung negativer<br />

Erfahrungen erweisen sich die Bindungsqualität im Elternhaus und das Vorhandensein von Gesprächspartnern<br />

zu diesen Themen in Peergroup und Schule.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!