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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 303 – Drucksache 18/11050<br />

ihrer jugendlichen Lebenslage und Identitäts-, Erinnerungs-, und Kommunikationswerkzeug, sondern auch für<br />

fluchtspezifische Herausforderungen genutzt werden. Deutlich werden hier die Folgen des Global Access Divide<br />

(Global Internet Report 2015): 58 Die digitale Spaltung im Zugang zu digitalen Medien zwischen technisch<br />

mehr und weniger entwickelten Ländern ist in Deutschland angekommen. Dies macht besondere Maßnahmen<br />

erforderlich – im Hinblick auf zu schaffende Zugänge und bei der Förderung von Medienkompetenz. Bei Jugendlichen<br />

mit Behinderungen zeigen sich ebenfalls die Folgen des First-Level-Digital Divide. Für sie ist eine<br />

Teilnahme an den digital-vernetzten Medienwelten nach wie vor nicht selbstverständlich, vielmehr sind sie auf<br />

je unterschiedliche technische und medienpädagogische Unterstützung angewiesen, die ihnen bislang aber weitgehend<br />

verwehrt wird. Sowohl für Jugendliche mit Behinderungen als auch für geflüchtete Jugendliche ist außerdem<br />

das Risiko größer, in einer ressourcenarmen Umgebung und in prekären Lebenskonstellationen aufzuwachsen,<br />

in denen eine extensive und insbesondere unterhaltungsorientierte Medien- bzw. Fernsehnutzung geduldet<br />

und die informativen und kommunikativen Potenziale – wie mögliche Autonomiegewinne über digitale<br />

Medien – nicht erkannt werden. Dies dürfte insbesondere für Jugendliche mit Behinderungen hoch bedeutsam<br />

sein, die aufgrund ihrer Beeinträchtigung und der immer noch bestehenden Barrieren auf Hilfen angewiesen und<br />

in ihrem Handeln einer stärkeren sozialen Kontrolle ausgesetzt sind. Aber auch in stationären Hilfen sind die<br />

digitalen und somit vor allem auch sozialen Verwirklichungschancen für junge Menschen in prekären Lebenskonstellationen<br />

längst noch nicht ausgeschöpft (vgl. Abs. 4.4.3.2; Kap. 7).<br />

Deutlich wird insgesamt, dass es eine differenzierte mehrdimensionale bzw. diversitätssensible Betrachtung der<br />

Medienwelten Jugendlicher braucht, um ungleiche Zugänge und Aneignungsweisen erkennen zu können. So<br />

zeichnen sich aktuell bereits einige Risikogruppen ab, erst in der Kombination und unter Berücksichtigung der<br />

spezifischen Lebenslagen wird jedoch deutlich, wo die besonderen Herausforderungen für die jeweiligen Gruppen<br />

liegen. Bei digitalen Vielspielenden ist z. B. die Wahrscheinlichkeit größer, dass ein formal niedriger Bildungshintergrund<br />

das Risiko eines eher konsumorientierten und einseitigen Umgangs mit Medien befördert, in<br />

Kombination mit dem Geschlecht kann sich das Risiko durchaus steigern; hier sind vor allem Jungen betroffen,<br />

für die das Spiel zudem eine passende Möglichkeit darstellt, sich männlich zu positionieren (doing gender). Bei<br />

Mädchen zeichnen sich soziale Ungleichheiten dann eher über soziale und kulturelle Schließungsmechanismen<br />

und Anpassungsprozesse ab, die sie in ihrem Handlungsradius einschränken. Soziokulturelle Milieus, Geschlechtszugehörigkeiten<br />

und die kulturelle Herkunft entfalten ihre Wirkung auch dahin gehend, dass Jugendliche<br />

nicht nur in ihren Lebenswelten, sondern auch im Internet digitale Räume suchen, wo sie „unter sich“ sind.<br />

Ihr Handeln kann dann gleichermaßen eine sozial unterstützende und identitätsstabilisierende (Tillmann 2006;<br />

Hugger 2009; Theunert 2009) als auch eine segregierende Funktion haben (Klein 2008). Zuordnungen und Abgrenzungen,<br />

die die Jugendlichen in Online-Räumen vornehmen, sind also auch das Ergebnis „komplexer ressourcenabhängiger<br />

relativer Positionierungen im sozialen Raum“ (Kutscher/Otto 2010, S. 82). Zukünftig<br />

braucht es somit einerseits eine inklusive Medienbildung, d. h. mehr zielgruppenspezifische und an die Lebenssituationen<br />

und -lagen von Jugendlichen angepasste Angebote zur Förderung von Medienkompetenz. Es mangelt<br />

andererseits aber auch an der Infrastruktur und an den organisatorischen Rahmenbedingungen in den Einrichtungen<br />

und Institutionen sowie – nach wie vor – an tiefer reichenden Untersuchungen, die das Medienhandeln<br />

in sozialen On-/Offline-Kontexten differenziert und im Sinne der Grundlagenforschung und medienpädagogischer<br />

Begleit- und Praxisforschung prozessbezogen analysieren (Keine Bildung ohne Medien! Medienpädagogisches<br />

Manifest 2009) 59 .<br />

4.3.2 Kommunikative Rahmenbedingungen<br />

Mit Einführung des Internet wurde die Hoffnung verbunden, dass sich ein offener und (herrschafts-)freier virtueller<br />

Raum etablieren würde, in dem Menschen sich unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft,<br />

ihrer Hautfarbe, ihrem Geschlecht usw. auf Augenhöhe begegnen, sich im Zuge dessen neue soziale und kulturelle<br />

Formationen und auch Identitäten herausbilden, die zur einer Demokratisierung des Geschlechterverhältnisses<br />

und der globalen Gesellschaft beitragen würden. Diese Anfangseuphorie ist einer großen Ernüchterung<br />

gewichen, so dominieren aktuell z. B. Diskurse über Hate Speech und die Verbreitung extremistischer Ideolo-<br />

58<br />

59<br />

Vgl. Global Internet Report 2015: Mobile Evolution and Development of the Internet. Verfügbar über:<br />

http://www.internetsociety.org/globalinternetreport/ [18.09.2016].<br />

Vgl. http://www.keine-bildung-ohne-medien.de/medienpaedagogisches-manifest.pdf [19.10.2016].

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