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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 291 – Drucksache 18/11050<br />

das Publikum direkt an, indem sie Anweisungen und Empfehlungen geben, Selbstzweifel äußern, Unsicherheiten<br />

ansprechen und Fragen stellen, in der Hoffnung, Zuspruch zu erhalten und eine Fan-Community aufbauen<br />

zu können (Reichert 2013). Höchst bedeutsam ist hier ebenfalls die „Echtheit“ der Aufnahme, die die jungen<br />

Frauen über verschiedene Authentizitätsmarker vermitteln: „Lowtech-Dokumentationsstil, eine private Aufnahmesituation,<br />

der Verzicht auf ein Fotostudio und die Verwendung handelsüblicher Consumer Hardware“<br />

(ebd., S. 87). Gedreht wird in einer Einstellung, ohne Kamerabewegung, es wird auf Schnitt und Montage verzichtet<br />

und damit eine „amateurhafte Unmittelbarkeit“ erzeugt (ebd.). Im Rahmen dieser Art der Selbstpräsentation<br />

verschieben sich erneut die Grenzen sowohl zwischen Öffentlichkeit und Privatheit als auch zwischen Produktion<br />

und Rezeption. Zeitgleich wird der Partizipation des Publikums ein großer Stellenwert zugesprochen<br />

(ebd., S. 91).<br />

Zahlreiche der veröffentlichten und häufig abonnierten Tutorials orientieren sich an den Medienbildern weiblicher<br />

Stars und weiblicher Stereotype. Es werden allerdings auch Spielräume abweichender Bedeutungsproduktion<br />

deutlich. Döring (2015) weist z. B. darauf hin, dass in einigen Schminktutorials auch Aspekte des Mädchenseins<br />

sichtbar werden, die in den Massenmedien unterrepräsentiert sind: Beauty-Broadcasterinnen führen<br />

ihre Beauty-Styles im Rollstuhl vor oder präsentieren sie mit Kopftuch (Döring 2015).<br />

Neben den Tutorials bekannt geworden sind weiterhin die sogenannten „Internet-Memes“. Hierbei handelt es<br />

sich nach Shifman (2014) um eine Kombination oder Gruppierung digitaler Elemente, die gemeinsame Charakteristika<br />

in Form, Inhalt und/oder der Haltung aufweisen. Eine humoristische, satirische oder „schockierende“<br />

Vorlage in Form einer Bild-, Ton- oder Videodatei wird über das Internet verbreitet und vielfach imitiert, rekombiniert<br />

und neu arrangiert (Remix). Sobald das Internet-Meme eine kritische Masse überschritten und eine<br />

entsprechende Popularität im Netz gefunden hat, etabliert sich ein nachhaltiger Trend – ein digitales Meme.<br />

Memes werden sowohl zur Unterhaltung als auch zur Öffentlichkeits- und Identitätsarbeit genutzt. Sie schaffen<br />

kurzweilige Trends, die dazu beitragen, dass das Ansehen wächst und die Bindungen im eigenen Netzwerk<br />

gestärkt und ausgeweitet werden (Breitenbach 2015).<br />

4.2.4.3 Let`s Play<br />

In einem weiteren Format, den sogenannten „Let`s Play-Videos“, wird ein digitales Spielerleben von einer oder<br />

mehreren Personen aufgezeichnet, kommentiert und der Netz-Öffentlichkeit über Video- oder Streaming-<br />

Plattformen präsentiert. Der Spieler oder die Spielerin setzt sich unterhaltsam in Szene und vermittelt den Zuschauenden<br />

den Eindruck eines gemeinsamen Spielerlebens. Das Publikum kann in Kommentaren und in Bewertungen<br />

auf die Inhalte reagieren, beim Live-Streaming kann es auch live Einfluss nehmen. Auf diese Weise<br />

eröffnen Let`s Play-Videos sowohl Möglichkeiten, die Herausforderung der Selbstpositionierung zu bearbeiten<br />

als auch neue Optionen, sich in der Verantwortungsübernahme zu üben; in Einzelfällen ergeben sich darüber<br />

berufliche Optionen und für das Publikum nicht zuletzt auch Möglichkeiten zur Partizipation.<br />

Die Ursprünge der Let`s Plays werden zeitgleich mit der Gründung des heute populärsten Videokanals (YouTube)<br />

im Jahr 2005 gesehen. Öffentliche Aufmerksamkeit hat das Phänomen aber erst in den letzten Jahren erlangt.<br />

Wohl auch aus diesem Grund liegen bislang nur wenige empirische Studien oder theoretische Einordnungen<br />

vor (Ackermann 2016). Eine Bitkom-Studie (2013) kommt zu dem Schluss, dass jeder neunte Spieler oder<br />

jede neunte Spielerin in Deutschland ab 14 Jahren – bzw. 13 Prozent der jungen Männer und neun Prozent der<br />

jungen Frauen – Let’s Play-Videos rezipieren. Laut der JIM-Studie 2015 schauen 38 Prozent der Jugendlichen,<br />

v. a. Jungen (54 %, Mädchen: 21 %) mindestens einmal in 14 Tagen Let`s Play-Videos (Medienpädagogischer<br />

Forschungsverbund Südwest 2015, S. 36). In einer kleinen explorativen Studie (n=365) finden sich zudem Hinweise<br />

darauf, dass der größere Anteil der Zuschauenden zwischen 14 und 22 Jahre alt und mehrheitlich männlich<br />

ist. Der Bildungshintergrund der Rezipierenden liegt hier deutlich über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung,<br />

Haupt- bzw. Realschüler und -schülerinnen sind in der Minderheit (Biermann/Becker 2016).<br />

Im Kontext von Let`s Play haben sich verschiedene Variationen des Kommentierens etabliert. Besonderer Beliebtheit<br />

erfreuen sich sogenannte „blinde Let‘s Plays“, in denen die Spielenden ein Spiel zum ersten Mal spielen<br />

und somit auch die Überraschungsmomente im Spiel mit den Zuschauenden teilen. „Emotive Reaktionen<br />

haben in diesen Fällen Vorzug vor Können und Dokumentation“ (Reiss 2014, S. 140). Eine andere Form der<br />

Kommentierung eröffnen Role-Playing-Games (RPG). Die Spielhandlung tritt hier in den Hintergrund, stattdessen<br />

werden auffallende Spielcharaktere kreiert und deren Gedanken und Aussagen in der Erzählperspektive<br />

einer dritten Person beschrieben. Teils schlüpfen die Spielenden in Let`s Plays auch selbst in die Rolle der Figu-

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