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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 214 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

Wenngleich etwa die KiGGS-Studie auf den peerkulturellen Kontext des Tabakkonsums verweist, indem aufgezeigt<br />

wird, dass rauchende Jugendliche deutlich häufiger Freunde haben, die rauchen, als nichtrauchende<br />

Gleichaltrige (Robert Koch Institut 2008, S. 78), gründen die spezifischen Praktiken des Alkohol- und Nikotinkonsums,<br />

die sich in Gleichaltrigengruppen entfalten und oft als Abgrenzungsverhalten gegenüber elterlichen<br />

Normen, bewusste Grenzüberschreitungen oder Anerkennungs- und Zugangsmöglichkeit zu bestimmten<br />

Peergroups interpretiert werden, immer auch auf den im familialen Kontext gemachten Erfahrungen. Diese<br />

bilden die Basis dafür, welche Einstellungen Jugendliche hierzu auch langfristig entwickeln und wie sie sich in<br />

Peerkontexten dazu verhalten.<br />

In der NRW-Jugendstudie wird zudem darauf verwiesen, dass gerade starker Alkoholkonsum in informellen<br />

Cliquen auf überwiegende Ablehnung stößt, während dies für das Rauchen in geringerem Maße der Fall ist.<br />

Etwa die Hälfte der 13- bis 18-Jährigen meint hier, dass es ihre Cliquenmitglieder nicht gut finden würden,<br />

wenn man raucht, während dies beim Thema Alkohol für etwa 70 Prozent zutrifft. Peergroups bilden damit<br />

Erfahrungskontexte, die von differenten Sozialnormen geprägt sind und vor diesem Hintergrund für risikobehaftete<br />

Verhaltensweisen sowohl moderierend als auch verstärkend wirken können und keineswegs per se als Orte<br />

der Honorierung riskanter Praktiken betrachtet werden dürfen.<br />

Qualitative Befunde zu dieser Thematik (vgl. Grunert 2012a; Stumpp u. a. 2009; Litau u. a. 2015) zeigen darüber<br />

hinaus, dass Jugendliche der gleichen Altersgruppe sich sowohl im Umgang mit dem Alkohol selbst als<br />

auch in den Bedeutungszuschreibungen, die innerhalb der Peerkontexte vorgenommen werden, deutlich voneinander<br />

unterscheiden. Neben exzessiven Trinkpraktiken von Jugendlichen existieren moderate Formen des Alkoholtrinkens<br />

bis hin zu ausgeprägten Abstinenzorientierungen, die sich auch in Mischformen in informellen Cliquen<br />

wiederfinden und mit denen nicht unbedingt homogene Gruppenorientierungen einhergehen müssen.<br />

Deutlich wird jedoch, dass das Trinken von Alkohol ein Handlungsmuster ist, das von Jugendlichen selten allein,<br />

sondern fast ausschließlich zusammen mit Freunden oder anderen Gleichaltrigen praktiziert wird und damit<br />

als hochgradig peerkulturell verankert eingestuft werden darf. Gleichzeitig sind auch in unterschiedlichen Jugendszenen<br />

differente Bezugnahmen auf Alkoholkonsum auszumachen, indem in einigen Szenen Alkoholkonsum<br />

eine große Rolle spielt, gleichzeitig wiederum von spezifischen Strömungen kritisiert wird, während sich<br />

ebenso explizite Abstinenzkulturen finden lassen.<br />

Ein früher Einstieg in den Alkoholkonsum sowie problematisches elterliches Trinkverhalten werden als Risikopotenziale<br />

verhandelt, die dazu führen können, mit steigendem Alter auch problematische Trinkmuster zu entwickeln.<br />

Gleichzeitig muss aber auch darauf verwiesen werden, dass der Alkoholkonsum im Jugendalter als<br />

prozessuales Geschehen zu fassen ist, das neben einem eher geringen Anteil an risikobehafteten Verlaufsmustern<br />

mehrheitlich zu einem „Maturing Out“ aus exzessiven Trinkpraktiken führt. Dies geht nicht selten mit einem<br />

Wechsel von oder einem Rückzug aus bestimmten Cliquen einher und führt hin zu gesellschaftlich angepassten<br />

Konsummustern (vgl. auch Settertobulte 2010; Wißmann/Stauber 2015). Das Thema Alkohol erweist<br />

sich damit als ein zentraler Aspekt peerkultureller Auseinandersetzungsprozesse, mit denen Jugendliche den<br />

Anforderungen und Erwartungen der Erwachsenengesellschaft begegnen. Ihre Bewältigungsstrategien sind<br />

dabei vielfältig und entfalten sich nicht allein gruppenintern, sondern immer auch vor dem Horizont familialer<br />

und lebensweltlicher Erfahrungskontexte.<br />

Exkurs: illegale Drogen<br />

Während vor allem jugendlicher Alkoholkonsum als peerkulturelle Praktik einigermaßen gut untersucht ist,<br />

finden sich ähnliche Studien zur Einbindung des Konsums von und des Zugangs zu illegalen Drogen in Peerkontexten<br />

bislang kaum. Was aktuell vorliegt, sind vor allem Befragungen von Jugendlichen zu ihren Erfahrungen<br />

mit solchen Substanzen (vgl. Drogenaffinitätsstudie der BZgA 2012; Orth 2016) sowie Informationen aus<br />

Suchtberatungsstellen.<br />

Grundsätzlich wird auch der Konsum illegaler Drogen und anderer Stimulanzien bei Jugendlichen häufig unter<br />

dem Schlagwort Risikoverhalten verhandelt. Im Rahmen der Drogenaffinitätsstudie der BZgA (Orth 2016) gaben<br />

etwas mehr als zehn Prozent der zwölf- bis 17-jährigen Jugendlichen an, in ihrem Leben bereits illegale<br />

Drogen (insb. Cannabis) konsumiert zu haben. In der Gruppe der 18- bis 25-Jährigen lag dieser Wert mit fast<br />

35 % mehr als drei Mal so hoch (Orth 2016, S. 56). Dabei ist Cannabis die am häufigsten genutzte illegale Droge<br />

und wurde von zehn Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen und 35 Prozent der 18- bis 25-Jährigen bereits konsumiert.<br />

Etwa sieben Prozent der jüngeren und 15 Prozent der älteren Befragtengruppe hatten Cannabis in den<br />

letzten zwölf Monaten vor der Befragung konsumiert. Insgesamt geht die Lebenszeitprävalenz für Cannabiskon-

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