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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 80 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

Wird Jugend in und mit den traditionellen Medien noch als insgesamt eher gefährdete Generation präsentiert,<br />

stellt sich das Bild über die Online-Jugend als vielfältiger und widersprüchlicher dar – wohl auch, da Jugend<br />

erstmals partizipiert und sich selbst konstruiert. Von der Berichterstattung werden die medialen Ausdrucksformen<br />

Jugendlicher gleichermaßen als Selbst-Gefährdungen wie auch als Selbst-Profilierungen thematisiert, womit<br />

weiterhin ein Bild einer gefährdeten, verrohten und damit erziehungsbedürftigen Jugend konstruiert wird.<br />

Dem gegenüber steht das Bild einer qualifizierten a priori kompetenten und progressiven Netzgeneration, welche<br />

die früheren Generationen abhängt.<br />

1.1.6 Die Jugend der Ökonomie<br />

Die Adressierung junger Menschen im ökonomischen Zusammenhang ist eng an konjunkturelle und demografische<br />

Entwicklungen gekoppelt. Das derzeit in der ökonomischen Lage typische Nebeneinander von beruflich<br />

„gut integrierten“ und „abgehängten“ Jugendlichen im Vergleich Nord- und Südeuropas besteht auch in<br />

Deutschland. Grundlegende strukturelle Veränderungen des Arbeitsmarkts in den letzten Jahrzehnten haben,<br />

wie in den meisten europäischen Ländern, zu weitreichenden Maßnahmen der Arbeitsmarktliberalisierung geführt,<br />

welche die Verantwortung für die Qualifikation und berufliche Integration von Jugendlichen einseitig an<br />

die Subjekte übertragen hat. Gerade in den Bereichen Kompetenzbildung und Mobilitätserwartungen werden die<br />

Anforderungen zunehmend gezielt an die Jugendlichen und jungen Erwachsenen selbst gerichtet. Es geht im<br />

Kern darum, sie durch einen „positionalen Wettbewerb um Bildungszertifikate“ (Brown 2004, S. 233) für den<br />

Arbeitsmarkt fit zu machen. Ökonomische Teilhabe wird als subjektive Leistung verhandelt.<br />

Ausbildungskarrieren werden in dieser Logik als Elemente der selbst organisierten Steuerung biografischer<br />

Entwicklungen und sozialer Teilhabe konzipiert. Gleichzeitig werden niedrige schulische Bildungsabschlüsse<br />

als Zugangsbedingungen für Ausbildung und Arbeitsmarkt zunehmend entwertet. Trotz tendenzieller Entspannung<br />

am bundesdeutschen Ausbildungsmarkt im letzten Jahrzehnt kommt dies weiterhin in deutlich geringeren<br />

Einmündungsquoten von Hauptschulabsolventinnen und -absolventen in die Ausbildung zum Ausdruck (BMBF<br />

2015c, S. 38ff.). Auch darin wird deutlich, dass Ausbildungsbetriebe bei der Besetzung ihrer Ausbildungsplätze<br />

den Wettbewerb um Qualifikationen weiter intensivieren (vgl. DIHK 2015).<br />

Über den Ausbildungssektor hinaus wirkt das Bild Jugendlicher als wirtschaftlich flexible Arbeitskraft im ökonomischen<br />

Diskurs noch stärker im Zusammenhang der Regulierung von Arbeitsverhältnissen. So werden befristete<br />

Verträge vor allem mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen geschlossen, die zeitliche Spanne des<br />

Einstiegs ins Erwerbsleben hat sich verlängert und die Beschäftigungsstabilität für Einsteiger und Einsteigerinnen<br />

am Arbeitsmarkt hat seit den 1980er Jahren deutlich abgenommen (vgl. Buchholz/Blossfeld 2011; vgl. Abs.<br />

2.3). Jugendliche und junge Erwachsene werden in einem flexibilisierten ökonomischen Umfeld an ihren individuellen<br />

Kompetenzen und Leistungspotenzialen gemessen und so in Konkurrenz zu anderen Altersgruppen<br />

gestellt. Analog zur Konstruktion von Bildungskarrieren als „individuelle biografische Projekte“ werden junge<br />

Menschen in den ökonomischen Zusammenhängen des Arbeitsmarkts als „Arbeitskraftunternehmer“<br />

(Voß/Pongratz 2003) oder als „unternehmerisches Selbst“ (Bröckling 2007) angesprochen, die ihre Arbeitskraft<br />

und -zeit im Kontext entgrenzter Arbeitsverhältnisse in umfassendem Maße selbst verwalten (müssen). Die<br />

nachgewiesene Prekarisierung jugendlicher Übergänge zwischen Schule und Beruf nicht nur für gering qualifizierte<br />

junge Menschen verstärkt dabei die vom Arbeitsmarkt ausgehenden Subjektivierungen (vgl. Heitmeyer<br />

u. a. 2011).<br />

Dies wird auch deutlich in den Kritiken, die von Unternehmen und Unternehmerverbänden im letzten Jahrzehnt<br />

wiederholt an die Leistungen der Schulabgängerinnen und Schulabgänger in zentralen Kompetenzbereichen und<br />

damit auch an die Leistungsfähigkeit des Schulsystems gerichtet wurden. Über die Verantwortung der beruflichen<br />

Ausbildung für die Bildung Jugendlicher jenseits berufsbildbezogener Inhalte, z. B. den Bereich der politischen<br />

Bildung, wird dagegen gegenwärtig nur selten gesprochen.<br />

Neben dieser Perspektive werden Jugendliche von Unternehmen in erster Linie als Konsumgruppe adressiert.<br />

Mit ihren spezifischen Konsumbedürfnissen, vor allem in den Bereichen Medien, Lifestyle und Ästhetik, generieren<br />

junge Menschen einen beträchtlichen Markt, der von Marktforschungsinstituten in seinem jährlichen<br />

Finanzvolumen auf einen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt wird (vgl. Rose 2013). Jugendliche werden<br />

dabei in entsprechenden Marketingstrategien nicht nur als kompetente Kunden und Käufer von heute und potenzielle<br />

Kundinnen und Kunden von morgen entworfen, sondern auch als sogenannte „indirekte Kunden und<br />

Kundinnen“, die Kaufentscheidungen ihrer Eltern und Großeltern steuern (vgl. Reinecke/Manger 2013). Auch

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