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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 478 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

– die unterrichtsbezogenen Bestandteile der Konkurrenz zwischen den Jugendlichen auch durch außerunterrichtliche<br />

Möglichkeiten der Gemeinschaftserfahrung zu kontrastieren.<br />

Die wiederholt festgestellte schulische Reproduktion sozialer Ungleichheit wird jedenfalls nicht automatisch<br />

dadurch gemindert, dass Schule ganztägig organisiert wird. Dazu bedarf es zusätzlicher diversitätssensibler<br />

pädagogischer Konzepte, die nicht allein auf Unterricht und formale Bildungsprozesse ausgerichtet sind, sondern<br />

dezidiert auch die Potenziale außerunterrichtlicher Angebote einbeziehen. So könnte einer Tendenz, den<br />

Schul- und Bildungserfolg allein der persönlichen Verantwortung des einzelnen Jugendlichen zuzuschreiben,<br />

zumindest ansatzweise entgegengewirkt werden, auch wenn Schule gewiss nicht die gegebenen ungleichen<br />

Lebenslagen der Jugendlichen aufheben kann.<br />

Eine besondere Herausforderung für Ganztagsschulen ist in diesem Zusammenhang die Inklusion. So sehr zu<br />

begrüßen ist, dass sich die Regelschule für neue Integrationsmodelle öffnet, so problematisch ist die Engführung<br />

der Inklusion auf die Förderung im Unterricht. Der Grund liegt auch in den unterschiedlichen Zuständigkeiten<br />

für die Finanzierung. Hier fehlt es an einer ressortübergreifenden Rahmung, die die Ganztagsschule zwischen<br />

Unterricht und Angeboten als eine Einheit versteht und dementsprechend auch Fragen der Finanzierung regelt.<br />

In diesem Zusammenhang erfordern die Inklusionsbestrebungen sowohl von der Kinder- und Jugendhilfe als<br />

auch vonseiten der Schule neue Handlungskonzepte und von der rahmensetzenden Politik eine bessere Passung<br />

der gesetzlichen Vorgaben.<br />

Dazu gehören nicht nur die infrastrukturellen Voraussetzungen und die Kompatibilität der Finanzierungssysteme,<br />

sondern auch die gemeinsame Fortbildung der nicht-unterrichtenden Fachkräfte und des Lehrpersonals<br />

sowie die Beachtung der unterschiedlichen Rahmenbedingungen von Schule und den außerschulischen Kooperationspartnern.<br />

Die immer wieder diskutierte „Große Lösung“, also die Integration der Leistungen von jungen<br />

Menschen mit Behinderungen in die Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe müsste dabei in Bezug auf die<br />

Finanzierungszuständigkeiten auch die von vielen Seiten geforderte Poollösung für Schulassistenzen berücksichtigen.<br />

Insgesamt bedarf es aber u. a. einer genaueren Analyse möglicher inklusionshemmender Bedingungen<br />

sowie der Entwicklung einer verbesserten Abstimmung zwischen den außerunterrichtlichen Fachkräften und<br />

dem Lehrpersonal. Insoweit gilt es, einer „Kultur der Inklusion“ näherzukommen, die Wege gemeinsamen Lernens<br />

und Lebens in der Ganztagsschule eröffnet. Gesetzliche Regelungen, wie sie die Politik vor allem anstrebt,<br />

die sich nur auf eine inklusive Unterrichtsschule beziehen und den Ganztag außen vor lassen, genügen nicht. In<br />

diesem Sinne bedürfte es daher auch einer gezielten Weiterentwicklung der Schulgesetze der Länder.<br />

‣ Ganztagsschulen als Orte politischer Bildung im Sinne von gelebter Mitbestimmung verstehen<br />

und konzipieren<br />

Politische Bildung ist bislang in der Ganztagsschule kein Schwerpunkt, nicht zuletzt auch aufgrund<br />

einer zu wenig ausgeprägten Beteiligungskultur. So hieße politische Bildung in der Ganztagsschule,<br />

im Lebens- und Lernort Ganztagsschule Beteiligung von Jugendlichen sehr viel konsequenter<br />

umzusetzen. Neben dem Erlernen politischer und gesellschaftlicher Strukturen und ihrer<br />

Wirkungszusammenhänge wäre die Erfahrung der Relevanz des eigenen Handelns ein elementarer<br />

Zugang zu einer sehr viel umfassenderen politischen Bildung.<br />

Schulen sind keine Orte (partei-)politischer Auseinandersetzungen. Sie sollten aber dennoch Gelegenheiten<br />

eröffnen, dass Jugendliche sich mit politischen Entwicklungen kritisch auseinandersetzen können. Daher sollten<br />

Ganztagsschulen auch zu Orten werden, an denen Jugendliche sich beteiligen und in politischer Mitgestaltung<br />

erfahren können. Eine Ganztagsschule kann diesen Ansprüchen besser gerecht werden als eine auf den Unterricht<br />

ausgerichtete Halbtagsschule. Politische Bildung sollte dabei nicht nur an die Alltagspraxis der Jugendlichen<br />

und ihren Lebenslagen anknüpfen, sondern auch ihre schulischen Erfahrungen, ihr Erleben virtueller Welten<br />

sowie die sozialräumlichen Umwelten der Ganztagsschulen einbeziehen.<br />

Beteiligung kann demnach als ein Leitgedanke einer Ganztagsschule des Jugendalters definiert werden, die<br />

Wertebildung und Demokratiebildung sowie bürgerschaftliches Engagement fördert und die die Initiierung<br />

politischer Handlungsfähigkeit Jugendlicher als ein explizites Ziel aufgreift. Auf diese Weise würde politische<br />

Bildung in der Schule verstärkt zu einem integralen Bestandteil außerunterrichtlichen Lernens, würde zu einem<br />

gleichwertigen Lernfeld wie klassische Unterrichtsfächer, ohne selbst auf ein Unterrichtsfach reduziert zu werden.<br />

Politische Bildung darf sich somit nicht auf die Vermittlung begrifflicher oder historischer Kenntnisse von Politik<br />

beschränken. Mit anderen Worten: Schule darf nicht „politikabstinent“ sein und Scheu vor politischen Posi-

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