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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 425 – Drucksache 18/11050<br />

– Ein erkennbar anderes Verständnis von politischer Bildung liegt den vielfältigen Angeboten intentionaler<br />

politischer Bildung zugrunde. Auch wenn Kinder- und Jugendarbeit Wissensvermittlung als grundlegende<br />

Leistung häufig der Schule zuschreibt und den eigenen Anteil eher ausblendet, lassen sich in der Praxis der<br />

Kinder- und Jugendarbeit vielfältige Formen der Wissensvermittlung im Bereich Politik beobachten. Häufig<br />

geht es dabei um die Information über die UN-Kinderrechtskonvention und die Auseinandersetzung<br />

darüber, was diese für Kinder und Jugendliche in unserer Gesellschaft bedeutet. Um die Information über<br />

Rechte und Pflichten – z. B. als Auszubildende und Arbeitnehmerinnen und -nehmer – von Jugendlichen<br />

und jungen Erwachsenen geht es z. B. in den arbeitsweltbezogenen Angeboten, wie sie u. a. von den Jugendorganisationen<br />

der Gewerkschaften durchgeführt werden. Im Zentrum der (partei-)politischen <strong>Kinderund</strong><br />

Jugendverbände steht schließlich ausdrücklich die politische Bildung auch im Sinne der Information<br />

über Strukturen, Verfahren und politische Fragen aller Art.<br />

– Wiederum eine andere Art politischer Bildung stellen all jene Angebote dar, innerhalb derer sich Jugendliche<br />

in einem engeren Sinne politisch engagieren, sei es gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit,<br />

Antisemitismus oder Muslimfeindlichkeit, sei es für Demokratie und Vielfalt in jeder Hinsicht, Toleranz<br />

und gegenseitigen Respekt, sei es für den Erhalt der Natur und gegen Umweltverschmutzung. Neben der<br />

Wissensvermittlung verfolgen diese Angebote politische Anliegen und nutzen dafür vielfältige Arbeitsformen.<br />

Diese grobe Typologisierung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass man in vielen Praxisangeboten eine Mischung<br />

dieser drei Varianten antreffen dürfte und dass man es immer auch mit sehr unterschiedlichen Akteurinnen<br />

und Akteuren zu tun hat.<br />

Außerhalb der Schule wird die politische Bildung im Jugend- und jungen Erwachsenenalter z. B. von der Bundeszentrale<br />

für politische Bildung und den Landeszentralen für politische Bildung gefördert; wichtige Akteure<br />

sind darüber hinaus vor allem Jugendbildungsstätten und andere Organisationen der politischen Jugendbildung,<br />

die Kinder- und Jugendverbände, zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen aus dem Umfeld der sozialen<br />

Bewegungen, eine Reihe von Medienangeboten sowie das gesamte weitere Spektrum der Kinder- und Jugendarbeit.<br />

Im Zuständigkeitsbereich des BMFSFJ werden Aktivitäten der politischen Jugendbildung z. B. einerseits<br />

durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ mit derzeit über 50 Mio € und andererseits durch das Programm<br />

1 des Kinder- und Jugendplanes des Bundes (KJP), das die einschlägigen bundeszentralen Träger fördert,<br />

mit 9,4 Mio € im Jahr 2015 unterstützt. Darüber hinaus verbergen sich hinter diesen drei Typen sehr unterschiedliche,<br />

enge und weite Konzeptionen des Politischen (vgl. Nassehi/Schroer 2003) bzw. dessen, was entsprechend<br />

unter politischer Bildung verstanden werden kann (Sander 2014b; Reheis 2016). 114<br />

Angesichts dieser Heterogenität von Konzepten und Akteuren und fehlenden belastbaren empirischen Überblicksdaten,<br />

lassen sich derzeit keine allgemeinen Aussagen über bevorzugte Ansätze und Arbeitsformen sowie<br />

thematische Schwerpunkte und vor allem gesamtgesellschaftliche Wirkungen machen. Während die einen unausgeschöpfte<br />

Potenziale erkennen, beklagen andere eine weitgehende Entpolitisierung der Fachpraxis der Kinder-<br />

und Jugendarbeit und sehen zudem ein vermeintliches Desinteresse junger Menschen. Während die einen<br />

Kinder- und Jugendarbeit als Ganzes als einen Ort der politischen Bildung verstehen, diagnostizieren die anderen<br />

ein Zurückdrängen der politischen Bildung auf überschaubare Inseln.<br />

Unstrittig aber dürfte sein, dass der Bedarf an politischer Bildung im Jugend- und jungen Erwachsenenalter eher<br />

wächst. Es reichen wenige Stichworte – wie Rechtspopulismus, Skepsis gegenüber der Demokratie, Vorbehalte<br />

gegenüber Rechtsstaat und Pressefreiheit, wachsende Komplexitäten im Gefolge von Globalisierung und dem<br />

Zusammenwachsen Europas, die neue Rolle der sozialen Medien im Bereich öffentlicher Meinungsbildungsprozesse<br />

und dem politischen Agendasetting – um dies zu verdeutlichen. Auf der gesellschaftlichen Ebene geht<br />

es um die Zukunft der Demokratie in einer komplexen und (ökonomisch und kulturell) global vernetzten Gesellschaft.<br />

Wie können Orientierungen in einer unübersichtlicher werdenden Gesellschaft vermittelt werden? Wie<br />

können die Sehnsüchte nach einfachen Lösungen bearbeitet werden? Wie kann zur Verantwortungsübernahme<br />

und Mitgestaltung motiviert werden? Wie können politische Entscheidungen transparent gemacht und mehr<br />

Räume für Partizipation eröffnet werden?<br />

114<br />

Dies ist insofern folgenreich, als mit dem Politikbegriff jenseits der verschiedenen ideologischen Positionen sehr unterschiedliche Konzeptionen<br />

von Politik verbunden sind: z. B. eher konsensorientierte vs. konfliktorientierte, eher deskriptive vs. eher normative, eher formale vs.<br />

eher prozessuale Konzepte. Je nachdem, welcher Politikbegriff zugrunde gelegt wird, hat dies Auswirkungen auf das Verständnis dessen,<br />

was jeweils unter politischer Bildung verstanden wird.

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