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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 349 – Drucksache 18/11050<br />

ben und in der Alltagsgestaltung von Jugendlichen durch die Ganztagsschule ab 76 – weder als Einschränkung<br />

von Freizeit und außerschulischer Einbindung Jugendlicher noch als Gewinn im Sinne besseren Lernens, veränderten<br />

Schullebens oder größerer Chancengleichheit. Wenn man dies mit den anfangs genannten, mit der Ganztagsschule<br />

verbundenen bildungspolitischen Zielen abgleicht, ist das vorerst eine relativ bescheidene Bilanz, die<br />

auch im Licht der tatsächlich erreichten besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die primär das Grundschulalter<br />

betrifft, nur bedingt besser wird. Mit anderen Worten: Das Reformprojekt Ganztagsschule bleibt bislang<br />

unter seinen Möglichkeiten.<br />

5.3 Jugendliche und Ganztagsschule: ein nur partiell geklärtes Verhältnis<br />

Die Ganztagsschule ist in den letzten Jahren aus vielfältigen Perspektiven beschrieben und diskutiert worden.<br />

Allen voran ist eine bildungspolitische Sichtweise zu verzeichnen, die der Ganztagsschule ein hohes Maß an<br />

Potenzialen zuweist. Immer wieder abgefragt wurde auch die Sicht der Schulleitungen und der Verantwortungsträger<br />

für die Ganztagsschule (vgl. etwa StEG-Konsortium 2016). Nicht zuletzt wurden auch die Eltern der<br />

Schülerinnen und Schüler interviewt (vgl. Züchner 2007b, S. 314ff.; Börner u. a. 2014).<br />

Demgegenüber sind die Bemühungen, die Sichtweisen, Einschätzungen und Bedürfnisse der Schülerinnen und<br />

Schüler im Jugendalter als eine weitere Perspektive einzubeziehen, bislang eher selten. Als der umfangreichste<br />

Versuch, auch die Sichtweise der Schülerinnen und Schüler einzubeziehen, kann bislang die erste STEG-<br />

Befragung gelten (Holtappels u. a. 2007). Dabei wurden mehr als 30.000 Kinder und Jugendliche der Klassen 3,<br />

5, 7 und 9 in die Befragung einbezogen. Die standardisierte Befragung wurde durch verschiedene weitere, qualitativ<br />

ausgerichtete, Studien zur Sichtweise von Eltern und Jugendlichen ergänzt (vgl. u. a. Soremski/Lange<br />

2010; von Salisch 2013).<br />

5.3.1 Ambivalenzen in der Beurteilung der Ganztagsschule<br />

Das Verhältnis zwischen Jugendlichen und der Schule bzw. der Ganztagsschule scheint – legt man die Ergebnisse<br />

der Jugend- und Schulforschung zugrunde – insgesamt ausgesprochen ambivalent zu sein. Jedenfalls ergibt<br />

sich aus den vorliegenden Befragungsergebnissen eher eine diffuse Mischung an Einschätzungen, die weder<br />

ein einheitliches, noch abgeschlossenes Bild über die subjektiven Haltungen der Schülerinnen und Schüler<br />

von Ganztagsschulen in der SEK I zeichnen. Selbst die positiven Ergebnisse liegen bei einer Skala von Null bis<br />

Vier zumeist gerade mal im Mittelfeld und kommen über den Wert Drei kaum hinaus (z. B. StEG-Konsortium<br />

2010 und 2015; Börner u. a. 2014).<br />

Dennoch wäre es vorschnell, daraus auf eine grundlegend positive oder ablehnende Einstellung Jugendlicher<br />

gegenüber der Ganztagsschule zu schließen. Immerhin liegt in der Zustimmung bzw. in den Sympathiewerten<br />

die Ganztagsschule gegenüber der Halbtagsschule geringfügig vorn. Allerdings muss beachtet werden, dass die<br />

Einschätzungen Jugendlicher zur Schule von mehreren Faktoren und Ereignissen beeinflusst werden. Dazu<br />

gehört – das wird auch in der Ganztagsschule nicht anders sein – unter anderem die Person der Lehrkraft, die<br />

Lernatmosphäre und die Lernerfolge. Für die Ganztagsschule dürfte die Messlatte sich auch daran orientieren,<br />

ob Jugendliche sich im Ganztag wohlfühlen und genügend Raum für eigene Bedürfnisse und Interessen vorhanden<br />

ist (Althoff u. a. 2012, S. 11).<br />

Grundsätzlich ist Schule für die meisten Jugendlichen ein Ort, zu dem sie gern gehen, an dem sie neben dem<br />

Unterricht Freunde treffen, Beziehungen aufbauen, sich engagieren und „ihren Alltag“ leben. Schule ist<br />

zugleich ein kaum hintergehbarer Rahmen für Kinder und Jugendliche, ein Raum der eigenen Alltagsgestaltung<br />

und gleichzeitig Ausgangspunkt für das eigene Netz an Beziehungen und Aktivitäten. Jugendliche erfahren<br />

Schule gleichermaßen als einen Grenzen setzenden Ort, der nicht vorrangig auf Bedürfnisse wie Eigenständigkeit,<br />

Autonomie und Freiheit Rücksicht nimmt und der ihnen meist wenige selbst gestaltbare Räume ermöglicht.<br />

Insoweit erfahren sie ihn als einen Ort mit Widersprüchen und Antinomien (vgl. Abs. 5.1).<br />

76<br />

So erreicht der Grad der Einbeziehung Jugendlicher in Sportvereine (Deutscher Olympischer Sportbund 2015, S. 12) derzeit – trotz Ganztagsschulausbau<br />

– einen historischen Höchststand, und auch die (steigende) Zahl der Nachhilfeschulen und -angebote zeugen von einer weiter<br />

steigenden Nachfrage (Dobischat u. a. 2013).

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