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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 476 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

8.2 Das institutionelle Gefüge des Jugendalters – Herausforderungen<br />

Nachdem Eckpunkte einer Politik des Jugend- und jungen Erwachsenenalters zu Beginn des 21. Jahrhunderts<br />

beschrieben wurden, die – aus der Sicht der Sachverständigenkommission – von der Sozial-, Bildungs-, Medienund<br />

Jugendpolitik sowie der Fachöffentlichkeit aufgegriffen werden sollten, werden im Folgenden zentrale<br />

öffentliche Handlungsfelder des Jugendalters im institutionellen Gefüge des Aufwachsens im Vordergrund stehen,<br />

die entweder durch den Berichtsauftrag vorgegeben wurden – Ganztagsschule und Kinder- und Jugendarbeit<br />

– oder aber für die Bearbeitung prekärer Lebenskonstellationen – soziale Dienste im Jugendalter – von<br />

elementarer Bedeutung sind. Auch diese Felder werden entlang zuspitzender Thesen entfaltet, die wiederum<br />

Handlungsempfehlungen enthalten.<br />

8.2.1 Die Ganztagsschule des Jugendalters<br />

‣ Jugend in und um Ganztagsschulen ermöglichen<br />

Ganztagsschulen erweisen sich vor allem als ein Bildungs- und Betreuungsangebot im Grundschulalter,<br />

während es im frühen Jugendalter deutlich weniger in Anspruch genommen wird. Den<br />

Ganztagsschulen fehlt es offensichtlich an einem Profil bzw. Konzept, das auch Jugendliche anspricht<br />

und ihre Bedürfnisse mit den schulischen Belangen in einen konstruktiven Zusammenhang<br />

bringt. Hier sind zukünftige Konzeptionen von Ganztagsschulen gefordert, die Kernherausforderungen<br />

des Jugendalters über die Qualifizierungsprozesse hinaus mitzugestalten.<br />

Mit ihrem gemeinsamen Beschluss im Jahre 2004 haben die Kultusministerkonferenz und die Jugend- und Familienministerkonferenz<br />

nicht nur die bildungspolitische Bedeutung der Ganztagsschule betont, sondern<br />

zugleich auch darauf hingewiesen, dass die Ganztagsschule im Kern multiprofessionell ausgerichtet sein sollte.<br />

Mit dieser Zielsetzung war die Erwartung verbunden, dass Ganztagsschulen mehr sein sollen als ganztägiger<br />

Unterricht. Nach inzwischen mehr als zehn Jahren Auf- und Ausbau der Ganztagsschullandschaft ist jedoch<br />

festzuhalten, dass – bezogen auf die Schulen der Sekundarstufe I – die Ganztagsschulentwicklung immer noch<br />

relativ am Anfang steht. Zwar hat sie sich zahlenmäßig deutlich gesteigert, dennoch prägt sie das Jugendalter<br />

zeitlich und qualitativ weit weniger als vielfach erwartet oder angenommen wurde. Insgesamt dürfte die diagnostizierte<br />

Scholarisierung oder Institutionalisierung des Jugendalters durch die breite Einführung der G8-<br />

Gymnasien stärker geprägt werden als durch die Ganztagsschule im Jugendalter.<br />

Auffällig ist bei dieser Entwicklung, dass es – auf Ebene der einzelnen Bundesländer – immer noch an einem<br />

verbindlichen und die Ganztagsschule inhaltlich formenden pädagogischen Konzept fehlt, das sowohl auf eine<br />

Verschränkung der unterrichtsbezogenen und außerunterrichtlichen Lernfelder abzielt als auch die schulischen<br />

Lern- und Bildungsziele für das Jugendalter entsprechend erweitert. So zeigt sich, dass in den höheren Jahrgangsklassen<br />

der Sekundarstufe die Teilnahme der älteren Jugendlichen am Ganztagsbetrieb unübersehbar zurückgeht.<br />

Das hängt vermutlich auch damit zusammen, dass es aus Sicht der Jugendlichen oftmals an der Passung<br />

der Angebote und Inhalte mit eigenen Interessen und Bedürfnissen, an Rückzugsräumen und Selbst- und<br />

Mitbestimmungsmöglichkeiten fehlt. Aber auch die Realisierung von Interessen an anderen Orten, die sich aus<br />

Sicht der Jugendlichen dort möglichweise besser umsetzen lassen, spielt dabei eine Rolle. Hier kollidiert die<br />

praktische Ausgestaltung der Ganztagsschule augenscheinlich mit den Interessen der Jugendlichen und dem<br />

pädagogischen Ziel, Jugendliche zugleich auch in den Selbstpositionierungs- und Verselbstständigungsprozessen<br />

zu stärken.<br />

Wenn Schulen neben den unterrichtsbezogenen Pflichtanteilen die Jugendlichen auch für die außerunterrichtlichen<br />

Ganztagsangebote gewinnen wollen, wird eine Öffnung der Schule notwendig, indem sie sich zugleich als<br />

ein Lebensort von Jugendlichen versteht, an dem auch „Jugend ermöglicht“ wird. Mehr als bisher muss daher<br />

die Ganztagsschule sich den Kernherausforderungen im Jugendalter zuwenden und sich in ihren pädagogischen<br />

Konzeptionen daran orientieren. Das bedeutet, dass Jugendliche in ganztägigen Schulsettings mehr benötigen<br />

als Unterricht mit einem unverbindlichen Anhängsel an Freizeitangeboten am Nachmittag, um sich dadurch<br />

entsprechend qualifizieren, positionieren und auch selbstständiger handeln zu können. Das Projekt „Ganztagsschule“<br />

muss sich in seinem Grundgefüge neuen Formen des Lernens und der Bildung öffnen und sich stärker<br />

mit den Kernherausforderungen des Jugendalters auseinandersetzen.

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