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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 354 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

aus einbezogen, dies stellt sich für sie jedoch nicht durchgängig im Sinne partizipativer Grundhaltungen der<br />

Schule dar. Ebenso fehlt es an Erprobungsmöglichkeiten, ob der Kurs, für den man sich entschieden hat, einem<br />

wirklich zusagt oder ob stattdessen ein anderer Kurs besucht werden kann (ebd., S. 48).<br />

Insgesamt zeigt sich, dass eine Ganztagsschule, die vorrangig durch die institutionellen unterrichtlichen Vorgaben<br />

bestimmt ist und kaum Möglichkeiten für eine „freie“ Gestaltung eröffnet, von Jugendlichen kaum akzeptiert<br />

werden und eher Unzufriedenheit erzeugen wird. Denn es zeigt sich mehr und mehr, dass es ein „Schlüsselindikator“<br />

für die Akzeptanz des Ganztags aus der Sicht der Jugendlichen ist, sie partizipativ einzubeziehen.<br />

Immerhin halten es mehr als 60 Prozent der von StEG-Befragten für selbstverständlich, dass sie um ihre Meinung<br />

bei der Gestaltung gefragt werden oder mitentscheiden können (StEG-Konsortium 2010).<br />

5.3.5 Jugendorientierte Ganztagsschulentwicklung als Chance<br />

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Einschätzungen Jugendlicher, inwieweit sie ihren Besuch einer Ganztagsschule<br />

positiv oder kritisch bewerten und warum sie ggf. wegbleiben, von einer Vielzahl von Faktoren und<br />

Erfahrungen beeinflusst werden. Die Bewertung von Ganztagsschulen durch Jugendliche, so kann man zusammenfassen,<br />

hängt wesentlich von der Frage ab, ob die Schule ihnen die Möglichkeiten eröffnet, diese für sich<br />

auch entsprechend erfolgreich nutzen zu können. Dabei ist die Balance zwischen den Bedarfen der Ganztagsschule<br />

und den Interessen der Jugendlichen sowie ihrer Eltern entscheidend. Ein allein auf die Bedürfnisse jüngerer<br />

Schülerinnen und Schüler ausgerichteter Angebotskanon kann sich bei älteren Jugendlichen durchaus<br />

negativ auswirken und das Interesse am Ganztag sinken lassen. Gleiches gilt bei einer zu starken Berücksichtigung<br />

allein der Elterninteressen, die die Teilnahme der jüngeren, aber möglicherweise nicht der älteren Jahrgänge<br />

ansteigen lässt (Arnoldt u. a. 2013, S. 36).<br />

Bedeutsam ist auch die Ressourcenausstattung der Schule hinsichtlich räumlicher, personeller und sachlicher<br />

Angebote, die mit darüber entscheidet, ob sie von den Schülerinnen und Schülern angenommen wird. Die vorliegenden<br />

Befunde zur Selbsteinschätzung von Jugendlichen in Ganztagsschulen machen deutlich, dass die<br />

gegebenen Rahmungen nicht immer auf die Belange der Jugendlichen zugeschnitten sind. Auch geben sie keine<br />

schlüssigen Hinweise darauf, welche Form (gebundene, teilgebundene oder offene) die pass- und zielgenauere<br />

sein kann. Schule selbst muss sich daher positionieren und sich auf dieses Spannungsverhältnis positiv einlassen.<br />

Daher muss auch hier danach gefragt werden, welche Möglichkeiten die Ganztagsschule bietet, wie sie der<br />

veränderten Rolle von Jugend – wie sie in den Kapiteln 1 bis 4 in diesem Bericht dargestellt wird – konzeptionell,<br />

räumlich und inhaltlich Rechnung tragen kann und wo auch die Grenzen einer jugendorientierten Ausrichtung<br />

von Ganztagsschule liegen.<br />

Eine positive Haltung zur Schule und eine Zufriedenheit mit der Ganztagsschule stellen sich nur ein, wenn<br />

Ganztagsschule nicht als Ort der Grenzen, sondern als Ort der Möglichkeiten gestaltet und wahrgenommen<br />

wird. Sicher ist die Ganztagsschule nicht so zu verstehen, dass sie beliebig ausgestaltet wird und sich allein an<br />

den individuellen Bedürfnissen Jugendlicher ausrichtet. Aber sie hat vielfältige und auch rechtlich abgesicherte<br />

Möglichkeiten, das aktive Mitwirken von Schülerinnen und Schülern offensiver anzugehen. Auch wenn der<br />

Nachmittag im Ganztag eine im rechtlichen Sinn „schulische Veranstaltung“ ist, so heißt das nicht, dass nicht<br />

mehr Beteiligung für Jugendliche ermöglicht werden könnte. Allerdings: Als pädagogisch gestaltetes Arrangement<br />

ergeben sich gleichwohl Grenzen, insbesondere dann, wenn es um das Bedürfnis Jugendlicher nach Kontrollfreiheit<br />

und nicht-pädagogisierten Räumen geht.<br />

Auch stellt sich für Jugendliche die Frage, ob durch Verdichtungs- und Beschleunigungsprozesse des Schulalltags,<br />

die auch für die Ganztagsschule gelten, nicht ohnehin das Zeitbudget für jeden einzelnen stärker „fremdbestimmt“<br />

wird, und dies eben nicht allein auf die Ganztagsschule zurückgeführt werden kann (vgl. Züchner<br />

2013). Demgegenüber zeigt sich – und das könnte das Plus einer Ganztagsschule sein –, dass sie das Potenzial<br />

hat, zeitentlastend zu wirken (vgl. Soremski 2013; Haenisch 2014). Es wundert daher nicht, wenn Jugendliche<br />

eher die für sie belastenden Faktoren bei der Bewertung der Zeit am Ort der Schule nennen. So zeigt eine Befragung<br />

in NRW (Börner u. a. 2014), dass Schülerinnen und Schüler ihre geringe Freizeit vor allem damit begründen,<br />

dass die Schule insgesamt zu lange dauert, dass sie nach der Schule oft müde sind und dass – an dritter<br />

Stelle – Hausaufgaben und Lernen einen hohen Zeitaufwand mit sich bringen (ebd., S. 41).<br />

Die vorliegenden Erkenntnisse zeigen erwartungsgemäß kein einheitliches Bild, sondern machen deutlich, dass<br />

das Interesse und die Einschätzung Jugendlicher zur Ganztagsschule einerseits stark abhängig davon sind, was<br />

ihnen die Schule außerhalb des Unterrichts bietet. Andererseits sind sie auch abhängig von Einschätzungen des

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