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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 401 – Drucksache 18/11050<br />

Auseinandersetzung über jugendtypischem Verhalten auch im Beisein von Kindern oder ausschließlich unter<br />

Jugendlichen geführt werden muss.<br />

Die Frage, wen die Kinder- und Jugendarbeit mit den Angeboten erreicht, wird darüber hinaus durch die demografische<br />

Entwicklung beeinflusst. Insbesondere in ländlichen Regionen und Regionen, die von Abwanderung<br />

betroffen sind, wird es problematisch, die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit noch aufrecht zu halten, wenn<br />

die Zahl der Jugendlichen immer geringer wird. Dies ruft einerseits automatisch Sparinteressen auf den Plan<br />

und wirft andererseits für die Kinder- und Jugendarbeit die Frage auf, wie überhaupt noch Orte und Angebote<br />

für Jugendliche und junge Erwachsene bereitgestellt werden können.<br />

Die Kinder- und Jugendarbeit steht dabei vor einem strukturellen Dilemma. Einerseits ist es offensichtlich, dass<br />

allein zwei Jugendliche noch keine Jugendverbandsgruppe ergeben und der Jugendhausbesuch wenig spannend<br />

ist, wenn dort kaum andere Jugendliche getroffen werden können. Andererseits sind die Angebote, die diese<br />

Kriterien erfüllen, irgendwann nicht mehr wohnortnah und für alle gut erreichbar. Zudem können mit diesen<br />

Entwicklungen Auswirkungen auf die bisherigen Inhalte und Prinzipien der Kinder- und Jugendarbeit verbunden<br />

sein: Gibt es interessante Kinder- und Jugendarbeit in ländlichen Regionen dann hauptsächlich an Schulzentren,<br />

weil nur noch dort eine hinreichend große Zahl von Jugendlichen zusammenkommt? Werden Angebote<br />

dann automatisch zu stärker von Erwachsenen kontrollierten Orten und richten sie sich dann eher an Jüngere?<br />

Erreicht eine dergestalt ausgerichtete Kinder- und Jugendarbeit noch die Jugendlichen, die nicht mehr zur Schule<br />

gehen oder für die Schule kein positiv besetzter Ort ist? Wie vergewissert sich wiederum ein Jugendverband<br />

seiner eigenen Identität, wenn die Zugehörigkeit zum Verband bei den Angeboten und Aktivitäten keinerlei<br />

Rolle mehr spielt?<br />

Ein weiterer Faktor, der die alte Frage, inwiefern die Kinder- und Jugendarbeit ihre Adressatinnen- und Adressaten<br />

erreicht, schon seit Längerem virulent hält, ist der wachsende Anteil junger Menschen mit Migrationshintergrund<br />

(vgl. Abs. 2.1.2). Diskutiert werden die damit einhergehenden Themen anhand unterschiedlicher<br />

Stichworte. Dazu gehören vor allem „interkulturelle Öffnung“, „kultursensible Kinder- und Jugendarbeit“, „antirassistische<br />

Kinder- und Jugendarbeit“, „Kinder- und Jugendarbeit in der Einwanderungsgesellschaft“ und –<br />

über den Migrationsaspekt hinausgehend, ihn aber beinhaltend – „diversitätsorientierte Kinder- und Jugendarbeit“.<br />

Auch in Bezug auf diese Debatten gilt, dass sich unter dem Etikett „Kinder- und Jugendarbeit“ sehr unterschiedliche<br />

Konstellationen verbergen. Im Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit gehören im Westen Deutschlands<br />

Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund schon lange zu den Hauptnutzerinnen und -<br />

nutzern z. B. der Jugendhäuser und -zentren. In den Vereinen und Verbänden sind Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />

nach wie vor aufs Ganze gesehen unterrepräsentiert (Gaiser/Gille 2012, Seckinger u. a. 2009, Seckinger<br />

u. a. 2012). Parallel dazu ist zu konstatieren, dass zunehmend Vereine junger Migrantinnen und Migranten<br />

in die Interessenvertretungsstrukturen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene eingebunden sind (vgl.<br />

DJI-Jugendringerhebung 2015; vgl. Abs. 6.2.2). Darüber hinaus wird die öffentliche Aufmerksamkeit wieder<br />

stärker auf die bereits vorhandenen verbandlichen Aktivitäten von Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />

gelenkt, die vor allem auch in der Quantität bislang nicht wahrgenommen wurden (vgl. z. B. Halm/Sauer 2015b,<br />

S. 28; Ilg u. a. 2014).<br />

Auch bei diesem Thema bewegt sich die Kinder- und Jugendarbeit in einem sich verstärkenden Spannungsfeld<br />

zwischen gesellschaftlichen Erwartungen, eigenen Existenzfragen und der Aufgabe, den jeweiligen Interessen<br />

der Jugendlichen nachzukommen. De facto geht es um die Frage, wie viel Heterogenität ermöglicht werden<br />

kann, ohne das eigene Profil aufzugeben.<br />

6.5.1.2 Interessen Jugendlicher und gesellschaftliche Erwartungen<br />

Kinder- und Jugendarbeit war schon immer durch das Spannungsfeld geprägt, das sich aus den Interessen Jugendlicher<br />

einerseits und den gesellschaftlichen Ansprüchen und Aufträgen, die an die Kinder- und Jugendarbeit<br />

herangetragen werden, wie z. B. Integration benachteiligter Jugendlicher, Betreuungsaufgaben, andererseits<br />

ergibt. Ob sich das Verhältnis beider Seiten eher in die eine oder in die andere Richtung verschiebt, hängt auch<br />

davon ab, inwiefern die Kinder- und Jugendarbeit als geeignet angesehen wird, den gesellschaftlichen Ansprüchen<br />

gerecht zu werden und wie sie sich selbst zu diesen Ansprüchen verortet. Das Thema Prävention kann<br />

exemplarisch herangezogen werden, um die Seiten in diesem Spannungsfeld zu verdeutlichen (vgl.<br />

Freund/Lindner 2001). So war die Kinder- und Jugendarbeit schon immer mit dem Auftrag konfrontiert, präven-

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