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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 360 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

beit zwischen Jugendhilfe und Schule in der Sekundarstufe gesprochen werden kann. Alle Erkenntnisse hierzu<br />

zeigen vielmehr, dass es u. a. aufgrund struktureller Verschiedenheit immer noch zu Missverständnissen oder<br />

auch zu Fehldeutungen und Fehlannahmen auf beiden Seiten kommt. Nach wie vor scheint es – jedenfalls zwischen<br />

bestimmten Partnern – Schwierigkeiten zu geben, die aus dem jeweiligen professionellen Selbstverständnis<br />

resultieren. Und offen ist dabei auch die Beantwortung der Frage, wie ggf. mit den strukturellen Differenzen<br />

umgegangen werden soll.<br />

Da kann der Blick nicht allein auf die Schule mit ihren auch heute noch bisweilen starren Formen, Strukturen<br />

und Denkmustern gerichtet werden. Auch in der Kinder- und Jugendhilfe bestehen anhaltende Vorbehalte und<br />

Sorgen, bezogen auf eine mögliche Verzweckung der eigenen Arbeit für schulische Ziele, ebenso wie bezogen<br />

auf das eigene fachliche Selbstverständnis und den Mangel an personellen Ressourcen. Insgesamt ist erkennbar,<br />

dass multiprofessionelle Kooperationen eher gering ausgeprägt sind, so Tillmann und Rollet (2011, S. 30f.).<br />

Entsprechend marginal sind auch die Partizipationsmöglichkeiten der nicht-lehrenden Berufsgruppen.<br />

Unter dem Strich bleibt die Herausforderung der Überwindung der Struktur- bzw. Kulturunterschiede zwischen<br />

Kinder- und Jugendhilfe und Schule mit dem Ziel, einen Rahmen der wechselseitigen Wertschätzung und Offenheit<br />

zu entwickeln, eine Konstellation, die vielleicht auf einzelne Schulen zutreffen mag, nicht aber in der<br />

ganzen Breite. Völlig unzulänglich ist zudem nach wie vor die Bereitstellung und dauerhafte Sicherung ausreichender<br />

personaler, sächlicher und finanzieller Ressourcen für die Kooperation. Hinzu kommt eine fehlende<br />

Sicherung der aufgaben- und organisationsbezogenen Klarheit beider Professionen, aber auch eine Verlässlichkeit<br />

hinsichtlich einer mittelfristigen Anstellung des nicht-unterrichtenden pädagogischen Personals, um Kontinuität<br />

in den Angeboten und in der Kooperation zu ermöglichen.<br />

Die multiprofessionelle Kooperation in Teams an Ganztagsschulen beschreiben Steiner und Tillmann (vgl. Steiner/Tillmann<br />

2011) daher deutlich ernüchtert: Die Hauptprobleme sind unverändert konfliktträchtige und einschränkende<br />

Arbeitsbeziehungen sowie Arbeitsbelastungen, Zeitmangel, fehlende Kontinuität. „Verschiedene<br />

Zonen der Beschäftigung“ (ebd., S. 50) zwischen Kern- und Randteams prägen den Personaleinsatz und erschweren<br />

die Kooperation. Auch die notwendige Klärung von pädagogischen Konzepten, von Förderverständnissen<br />

und Fördermethoden an der einzelnen Schule erhält noch zu wenig Raum. Nicht zuletzt sind es die jeweiligen<br />

strukturellen Bedingungen, die als rahmende Faktoren den Umgang mit Heterogenität und der individuellen<br />

Förderung beeinflussen. Und für einzelne Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe müssen die Voraussetzungen<br />

und Bedingungen der Kooperation mit Ganztagsschulen ohnehin spezifisch konturiert werden.<br />

So gilt beispielsweise für die Kinder- und Jugendarbeit, die – bezogen auf die Jugendverbandsarbeit, aber auch<br />

für Teile der offenen und der kulturellen Jugendarbeit sowie des Sports – vor allem ehrenamtlich gestaltet und<br />

verantwortet wird, dass darin objektive Grenzen für ein generelles Engagement in der Ganztagsschule liegen,<br />

die insbesondere mit den Strukturprinzipien und den personellen Ressourcen zusammenhängen (vgl. Kap. 6).<br />

Allerdings darf dabei auch nicht außer Acht bleiben, dass sich die Kinder- und Jugendarbeit immer wieder entscheiden<br />

muss, ob sie die an sie gestellten Erwartungen überhaupt erfüllen kann und will.<br />

Will man ein Fazit aus den unterschiedlichen Kooperationsbemühungen und -versuchen ziehen, so muss man<br />

konstatieren, dass bis heute nicht eindeutig geklärt ist, welche Rolle die Kinder- und Jugendhilfe im Kontext der<br />

Ganztagsschulen einnehmen soll, welche strukturelle Rahmung dabei sinnvoll ist, wie die damit zusammenhängenden<br />

Ressourcenfragen gelöst werden könnte und welchen strukturellen Status sie in der Ganztagsschule<br />

haben soll. Mehr noch: Es fehlt bis heute eine Generaldebatte über die unabdingbaren Koordinaten und Eckwerte<br />

einer erfolgreichen Zusammenarbeit, die auch gegenüber den Kooperationspartnern der Schulen klare Erwartungen<br />

formuliert, was diese in eine verlässliche Zusammenarbeit einbringen sollten und welche verbindlichen<br />

Ressourcen sie dafür im Gegenzug erwarten können<br />

Für die Bewertung des Standes der Kooperation zwischen der Schule und der Kinder- und Jugendhilfe (inklusive<br />

ihren unterschiedlichen Feldern) sind vor diesem Hintergrund zwei Annahmen relevant, um die Realisierungschancen<br />

der multiprofessionellen Gestaltung von Ganztagsschule besser einordnen zu können:<br />

– Für die Entwicklung von erweiterten Ganztagsschulkonzepten, so die erste Annahme, könnte die <strong>Kinderund</strong><br />

Jugendhilfe dann eine wichtigere Funktion einnehmen, wenn sie ihre spezifische sozialpädagogische<br />

Kompetenz einbringen und mit ihren Arbeitsweisen und -formen die Schule als Lern- und Lebensort von<br />

Kindern und Jugendlichen erweitern bzw. bereichern könnte. Mit ihren sozialpädagogischen Grundsätzen<br />

und Erfahrungen, mit ihren kooperativen und netzwerkorientierten Arbeitsweisen sowie mit einer Mitwirkung<br />

in Schulgremien könnte sie solche Konzeptentwicklungsprozesse gezielter anregen als andere außer-

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