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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 270 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

Transnationale Räume ergeben sich für junge Menschen also zunächst im Kontext ihrer Lebenswelten Familie,<br />

Gleichaltrigengruppe und Jugendszene, aber auch im lokalen Zusammenhang. Entsprechende Erfahrungen eröffnen<br />

sich Jugendlichen und jungen Erwachsenen dann weniger entlang sozialstruktureller Verortungen als<br />

vielmehr im Zusammenhang mit konkreten sozialen Netzwerken. Bestehende transnationale Netzwerke im<br />

Kontext von Migration, das Leben in durch Zuwanderung geprägten urbanen Räumen, die Identifikation mit<br />

einer Jugendszene bilden Zusammenhänge, die jungen Menschen Erfahrungen des Überschreitens nationaler<br />

Grenzen ermöglichen und ihnen zugleich Positionierungen in einer globalisierten Gesellschaft abverlangen.<br />

3.9.3 Mobilität und Transnationalität als Ressourcen junger Menschen<br />

Die kursorischen Darstellungen zu den Themen Mobilität und transnationale Lebenswelten junger Menschen<br />

machen deutlich, dass mit diesen Zusammenhängen sowohl Erfahrungen der Grenzüberschreitung und des Erschließens<br />

von kulturellen Räumen und sozialen Netzwerken als auch Möglichkeitsräume für Bildungs- und<br />

Qualifikationsprozesse eröffnet werden. Insbesondere Praktiken der Mobilität sind dabei massiv von sozialer<br />

Ungleichheit gekennzeichnet.<br />

Während längerfristige Migrationsprozesse im Jugendalter in der Regel aus Kontexten der Deprivation und<br />

bildungsbezogenen oder wirtschaftlichen Marginalisierung hervorgehen, sind Möglichkeiten internationaler<br />

Bildungsmobilität eng an die sozioökonomische Lage von Familien und jungen Erwachsenen gekoppelt. Diese<br />

differenten Bedingungszusammenhänge spiegeln sich auch in unterschiedlichen Formen gesellschaftlicher Anerkennung<br />

wider. Während Migrationserfahrungen in der Bundesrepublik nach wie vor als Abweichung und<br />

„Integrationsrisiko“ gewertet werden, genießen Qualifikationen und Erfahrungen aus internationaler Bildungsmobilität<br />

eine hohe Anerkennung.<br />

Grenzüberschreitende Bewegungen und Lebenswirklichkeiten junger Menschen werden bislang nicht umfassend<br />

in den Blick genommen und als Ressource anerkannt (bspw. in Kompetenzen der Mehrsprachigkeit, bezogen<br />

auf soziale Netzwerke). Sozialpolitische wie wissenschaftliche Diskurse um Jugend reflektieren bislang nur<br />

ungenügend ihre transnationale Verankerung. Vor dem Hintergrund der Berichtsfigur „Jugend ermöglichen“ ist<br />

kritisch zu hinterfragen, wer sich welche transnationalen Praktiken, Netzwerke und Orientierungen leisten kann,<br />

bzw. wer dazu in der Lage oder dazu gezwungen ist und welche Positionierungsmöglichkeiten sich damit verbinden.<br />

Insofern bleibt zu bedenken, dass gerade über Fragen transnationaler Mobilität und Migration die äußerst differenten<br />

Lebenswelten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen offensichtlich werden. Denn dort, wo Transnationalität<br />

und Migration nicht zu den alltagsweltlichen Erfahrungen gehören, sondern ausschließlich lokale Zugehörigkeiten<br />

bedeutsam sind – und auch so kommuniziert werden, entstehen neue soziale und regionale Disparitäten<br />

quer durch die jugendlichen Alltags- und Erfahrungswelten. Insofern eröffnet gerade das Mobilitätsthema<br />

neue Fragen im Horizont disparater Jugenden. Internationalisierungsstrategien und erwünschte Mobilität(en)<br />

finden sich auf der einen Seite, erzwungene, z. T. existenzielle Migrationsbewegungen auf der anderen. Dazwischen<br />

liegen äußerst vielschichtige und oft auch komplexe Prozesse der Aneignung, aber auch der grundlegenden<br />

Ablehnung.<br />

3.10 Jugendliches Handeln zwischen Gegenwarts- und Zukunftsorientierung<br />

Begreift man die Jugendphase als ein Lebensalter, das zwischen einer Gegenwarts- und Zukunftsorientierung<br />

pendelt und dem gesellschaftliche Regulierungsstandards zugeordnet werden (vgl. Reinders 2007), so ergeben<br />

sich zahlreiche Herausforderungen für Jugendliche, die sie bewältigen müssen, um einen eigenen Zukunftsentwurf<br />

entwickeln zu können. Die Jugendphase ist damit mehr als alle anderen Lebensphasen eine Zeit, die durch<br />

ein auf vielen Ebenen virulentes Spannungsverhältnis zwischen Gegenwarts- und Zukunftsorientierung gekennzeichnet<br />

ist. Auf den ersten Blick ergibt sich dies primär vor dem Hintergrund der Kernherausforderung der<br />

Qualifizierung und damit der Erwartungen an die schulische und berufliche Ausbildung sowie die daran anschließende<br />

und davon abhängige berufliche Integration. Für Jugendliche werden Gegenwart und Zukunft aber<br />

etwa auch im Hinblick auf Verselbstständigungs- und Selbstpositionierungsprozesse virulent, indem sie sich<br />

etwa in partnerschaftlichen oder familialen Zusammenhängen verorten oder ihr politisches und jugendkulturelles<br />

Engagement als zukunftsfähige Projekte zu entwerfen suchen. Gleichzeitig durchdringt aber die Frage nach

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