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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 269 – Drucksache 18/11050<br />

gleichzeitig transnationale Netzwerke aufrechterhalten (vgl. auch Yildiz 2014). Die internationale Studie von<br />

Schneider, Crul und Lelie (2014) weist darauf hin, dass die nachfolgende Generation das urbane Leben nationale<br />

Grenzen übergreifend gestaltet und gleichzeitig das kulturelle Erbe der Eltern pflegt. Aufbauend auf der europäischen<br />

TIES-Studie („The Integration of the European Second Generation and Pathways to Success“) heben<br />

sie die „zweite Generation“ als zentrale Akteure und Akteurinnen in der Gestaltung der superdiversen Zukunft<br />

europäischer Großstädte hervor (Schneider u. a. 2014).<br />

Ein wesentliches Instrument der Verflechtung von Lokalem und Transnationalem stellen auch die Medien und<br />

die Medienkommunikation dar. Insbesondere digitale Medien dienen der Aufrechterhaltung lokaler und transnationaler<br />

Beziehungen sowohl innerhalb der Familie als auch im Freundes- und Bekanntenkreis. So zeigt auch<br />

die Studie von Kanagaval (2015) zu internationalen Studierenden, wie über vielfältige digitale Kommunikationspraktiken<br />

nationale Grenzen überschreitend Formen sozialer Unterstützung aufrechtgehalten wurden. In<br />

diesem Zusammenhang erfährt das Internet als Ort des Transnationalen vermehrt Berücksichtigung (Hugger<br />

2009; Hunger/Kissau 2009; Goel u. a. 2010). Die Internet-Community wird dabei von Hugger als Ort verstanden,<br />

an dem die Herstellung und Entwicklung „natio-ethno-kultureller Hybrididentitäten“ ermöglicht wird<br />

(Hugger 2009), d. h., die Online-Communities werden als sozial-räumliche Rahmung wahrgenommen, innerhalb<br />

derer sich junge Erwachsene in ihren hybriden Zugehörigkeitsformen verorten, Anerkennung erfahren und<br />

ihre Zugehörigkeit verarbeiten können (Hugger 2009) (vgl. zu diesem Kontext ausführlicher Abs. 4.2.2).<br />

Als Kontexte der Etablierung transnationaler Praktiken der Grenzbearbeitung an der Schnittstelle von generationaler<br />

und ethno-natio-kultureller Zugehörigkeit fungieren auch lokale Verortungen und Peergemeinschaften<br />

(Klein-Zimmer 2015). So werden peer-to-peer Vergemeinschaftungen nicht nur dazu genutzt die Migrationsgeschichte<br />

der Eltern, vor dem Erfahrungshintergrund in Deutschland aufgewachsen zu sein, zu verhandeln, sie<br />

sind auch als Identifikationsräume zu verstehen, wo transnationale Praktiken wie z. B. multilinguale Sprachpraxis,<br />

grenzüberschreitende Kommunikation über digitale Medien oder transnationale Freizeitaktivitäten (z. B.<br />

kulturelle Veranstaltungen der ethnic community) alltäglich gelebt werden und an denen Mehrfachzugehörigkeiten<br />

unterhinterfragt anerkannt werden (Klein-Zimmer 2016). Auch entwickeln und bearbeiten Jugendliche in<br />

ihren Peergroups Fremdethnisierungen im öffentlichen Diskurs und in institutionellen Zusammenhängen in der<br />

Positionierung jenseits erwarteter und zugeschriebener Eindeutigkeiten in hybriden Entwürfen (z. B. Vogelgesang<br />

2008; Merten 2013; Huxel 2014). Der Zugang zu transnationalen sozialen Räumen, bspw. in der Gleichaltrigenkultur,<br />

wird dabei u. a. über spezifische Sprachkompetenzen, aber weniger über natio-ethno-kulturelle<br />

Zugehörigkeitskonstruktionen geregelt (Fürstenau 2004).<br />

Über jugendliche Gleichaltrigengruppen hinweg, aber zugleich in starkem Zusammenhang mit diesen, gewinnen<br />

auch jugendkulturelle Ästhetiken und Bezüge als transnationale Räume an Bedeutung. Am Beispiel von Hip<br />

Hop wird deutlich, dass sich transnationale ästhetische Praktiken der Musikproduktion und -rezeption junger<br />

Menschen sowohl im Kontext des elterlichen Einwanderungs- wie auch des elterlichen Herkunftslands entfalten<br />

(Bock u. a. 2007; Kaya 2015). Ohne direkten Bezug auf das Konzept der Transnationalität haben ältere Studien<br />

auf Formen der etwa im Kontext von Hip Hop jugendkulturell eingebetteten Bearbeitung von Diskriminierungserfahrungen<br />

und Differenzzuschreibungen von jungen Menschen aus spezifischen Migrationszusammenhängen<br />

aufmerksam gemacht (z. B. Nohl 2001; Pfaff 2006; Bock u. a. 2007). So wurde bspw. gezeigt, dass strukturell<br />

ähnliche Modi der Bearbeitung gesellschaftlicher Marginalisierungserfahrungen von jungen Menschen im Hip<br />

Hop in unterschiedlichen Weltregionen und unabhängig von Migrationszusammenhängen bestehen (Weller<br />

2003).<br />

Jugendkulturen werden dabei generell als globale soziale Arenen verstanden, die gleichzeitig kulturelle und<br />

soziale Globalisierungsprozesse vorantreiben (Roth 2002). Dies betrifft sowohl grundlegende Ästhetiken spezifischer<br />

Stile, wie Hip Hop, wie auch transnationale jugendbezogene Protestarenen (ebd.). Auch die digitalen<br />

grenzüberschreitenden Vernetzungs- und Austauschmöglichkeiten bewirken komplexe Verhältnissetzungen<br />

globaler und lokaler Entwicklungstrends in Jugendszenen und Jugendkulturen. Konkrete transnationale Ausformungen<br />

von Jugendszenen zeigen sich dabei u. a. für spezifische Migrantengruppen in ihrer Bezugnahme<br />

und Integration von Stilelementen und Praktiken aus jugendkulturellen Bezügen des Herkunfts- und des Einwanderungslandes<br />

(z. B. Villányi/Witte 2004), in der Transnationalisierung von Stilen durch spezifische Medienpraktiken,<br />

wie bei Musikrecherchen in der Indie-Szene (vgl. Eisewicht/Grenz 2011), oder in der Orientierung<br />

von Jugendlichen aus der Bundesrepublik an spezifischen national geprägten Stilen, wie im visual kei style<br />

(vgl. Höhn 2008; vgl. Kap. 4).

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