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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 201 – Drucksache 18/11050<br />

Zumindest weisen einige neuere Veröffentlichungen darauf hin, dass insbesondere Tanten-Beziehungen eine<br />

eigene Qualität als freundschaftlich-„inspirierende“ Beziehungen hervorbringen könnten, die familiale Beziehungen<br />

ergänzen. Ebenso können transnationale familiale Beziehungen für Jugendliche bedeutsam werden (vgl.<br />

hierzu Fürstenau/Niedrig 2007a; vgl. Abs. 3.9).<br />

Nicht umsonst hat sich innerhalb der Familienforschung der Akzent von der Kleinfamilie (Mutter-Vater-Kinder-Konstellationen)<br />

weg hin zu anderen Sichtweisen auf Familie verschoben: Schon Ende der 1970er-Jahre<br />

fanden sich Überlegungen, Familie als „unity of interacting persons“ (Mollenhauer u. a. 1975; auch Familiensurvey:<br />

Bertram 1991) zu begreifen und nicht länger ausschließlich Generationskonflikte und/oder nur die sogenannte<br />

„Kernfamilie“ zu thematisieren. Inzwischen hat sich auch in den Repräsentativbefragungen gezeigt, dass<br />

familiale Beziehungen auch und gerade für Jugendliche bedeutsam sind und eine andere Qualität haben, als dies<br />

noch vor zehn oder 15 Jahren verhandelt worden ist: „Doing families“ ist dabei ein Ansatz, der sich aus den<br />

Einsichten speist, dass Familie als intergenerationale Interaktionsbeziehung anzusehen ist, innerhalb derer Familienbeziehungen<br />

alltäglich interaktiv hergestellt werden (vgl. hierzu auch Familienbericht sowie zusf. Ecarius<br />

2010; Deutscher Bundestag 2013; Jurcyk u .a. 2014).<br />

In der nordrhein-westfälischen Studie Jugend.Leben (vgl. hierzu und im Folgenden: Maschke u. a. 2013,<br />

S. 26ff.) wird etwa gefragt, „Wer gehört zur Familie?“ Die Antworten lassen allerdings keine Interpretationen<br />

zu, die außerhalb der Familienstruktur ebenso die Beziehungsqualität thematisieren. Die 13- bis 18-Jährigen<br />

gaben an erster Stelle Mutter (98 %) und Vater (92 %), danach Omas (77 %) und Opas (63 %), gefolgt von<br />

Tanten (64 %), Onkel (59 %) und Geschwistern (57 %) sowie Cousinen und Cousins (40 %/37 %) an. Gute<br />

Freunde und Freundinnen sowie Partner und Partnerinnen werden mit 14 % bis 16 % seltener für zugehörig<br />

erklärt.<br />

Auch in der AID:A II-Studie werden die Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach der „Wichtigkeit von Personen<br />

des sozialen Nahumfeldes“ befragt, allerdings wird auch hier nicht weiter differenziert, inwiefern Mütter<br />

und Väter, Geschwister, Großeltern und „andere Verwandte“ diesen Wichtigkeitsstatus inhaltlich ausfüllen. Die<br />

Mütter werden bei allen Befragten auf den ersten Rang gesetzt, gefolgt (in der abgefragten Reihenfolge) von<br />

Vätern, Großeltern und anderen Verwandten. Es zeigt sich, dass mit steigendem Alter die Bedeutung der „wichtigen<br />

Bezugspersonen“ leicht abnimmt, aber in ihrer Wichtigkeitseinstufung konstant bleibt. Bei den befragten<br />

18- bis 25-Jährigen bleiben Mütter und Väter die wichtigen Bezugspersonen, zusätzlich wird die Wichtigkeit<br />

der Partner und Partnerinnen befragt, die ebenfalls mit nahezu 100 Prozent (97,8 %) eingestuft wird. Dagegen<br />

sinken die Wichtigkeitswerte der Großeltern leicht, sind aber mit 64,9 Prozent (12- bis 17-Jährige: 76,6 %) immer<br />

noch für über die Hälfte der Befragten bedeutsam. 29<br />

Wie schon in den Studien der letzten Jahrzehnte (vgl. etwa Kötters 2000) zeichnet sich auch in der NRW-Studie<br />

Jugend.Leben ab, dass Jugendliche ihre Sorgen und Probleme am häufigsten mit der Mutter besprechen (62 %).<br />

Der Vater folgt mit 36 Prozent an dritter Stelle nach der „guten Freundin“ (44 %). Geheimnisse vertrauen Jugendliche<br />

oft ihren „guten“ Freundinnen und Freunden an (Freundin: 47 %; Freund 37 %) und mit einer Häufigkeit<br />

von 34 % werden von den Jugendlichen auch die Mutter bzw. mit 17 Prozent auch der Vater als solche<br />

Vertrauenspersonen benannt (Maschke u. a. 2013, S. 48ff.). Als Ansprechpartner bei Belastungen und Problemen<br />

werden Eltern einer Studie von Harring (2011, 2014) zufolge von Jugendlichen mit einem sogenannten<br />

Migrationshintergrund als enorm hoch eingeschätzt: 69,3 Prozent von ihnen geben die Mutter als eine sehr<br />

wichtige Ansprechperson an (dt. Vergleichsgruppe: 50 %).<br />

In beiden AID:A Studien zeigt sich, dass unter den 13- bis 17-Jährigen die Beziehung zu Mutter und Vater als<br />

gleichermaßen sehr „wichtig“ eingeschätzt wird, wobei die Bedeutung des Vaters mit zunehmenden Alter leicht<br />

absinkt, während der Status der Mutter nahezu konstant bleibt. Dabei sprechen die Jugendlichen mit zunehmendem<br />

Alter häufiger mit ihrer Mutter, wobei hier die weiblichen Befragten deutlich mehr Gespräche führen als<br />

die männlichen Jugendlichen. Der Vater ist für Jungen und Mädchen dagegen generell ein „seltener Gesprächspartner“<br />

(Entleitner/Cornelißen 2012, S. 16).<br />

Allerdings zeigen die Befunde der Shell Jugendstudie 2015 auch belastete Beziehungen in den Herkunftsfamilien<br />

auf. In der so bezeichneten „unteren Schicht“ sind es lediglich 21 % der befragten Jugendlichen, die „bestens<br />

mit ihren Eltern auskommen“ (obere Schicht: 45 %, obere Mittelschicht: 46 %, Mittelschicht: 43 %, untere Mittelschicht:<br />

36 %). Nicht umsonst wird dieser Befund im Zeitreihenvergleich der Shell-Studien (im Verhältnis der<br />

Schichtzugehörigkeit etwa gleichbleibend 2002 bis 2015) als alarmierend eingestuft und führt die Autorinnen<br />

29<br />

Eigene Berechnungen auf Basis der Daten der AID:A II-Studie.

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