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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 452 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

schriftlich befragt. Auf die Umfrage haben 13 der 16 Bundesländer geantwortet. Im März 2016 hat das DJI die<br />

Länder in einem zweiten Schritt um eine Aktualisierung der für jedes Land zusammengefassten Überblicksinformationen<br />

gebeten. In einem Zeitraum von nur sechs Monaten hat es in einer Reihe von Ländern z. T. sehr<br />

grundsätzliche Veränderungen gegeben. Ein Überblick über Regelungen und Praxis der Einrichtung und Ausgestaltung<br />

von berufsvorbereitenden Bildungsgängen für junge Geflüchtete an beruflichen Schulen in den 16<br />

Ländern zeigt, dass es eine große Vielfalt gibt (Braun/Lex 2016, Übersicht 3). Diese Vielfalt beginnt bereits bei<br />

den Bezeichnungen der Bildungsgänge und setzt sich fort bei den vertretenen bildungspolitischen Prinzipien<br />

(getrennte Förderung vs. Inklusion), der Unterscheidung der Zielgruppen nach Aufenthaltsstatus oder Bleibeperspektive,<br />

der Art der Sprachförderung, der Teilnahme an Betriebspraktika, der Dauer der Bildungsgänge, der<br />

Möglichkeit, allgemein bildende (oder gleichwertige Berechtigungen beinhaltende) Abschlüsse zu erwerben und<br />

nicht zuletzt der Altersbegrenzung für die Teilnahme.<br />

In fast allen Ländern ist die Möglichkeit der Teilnahme an den berufsvorbereitenden Bildungsgängen an die<br />

Berufsschulpflicht gebunden, die nahezu überall mit dem Schuljahr oder Schulhalbjahr endet, in dem die Jugendlichen<br />

volljährig werden. Unter eng definierten Voraussetzungen sind Verlängerungen des Besuchs solcher<br />

berufsvorbereitender Bildungsgänge möglich: So können in Schleswig-Holstein bereits volljährige, also nicht<br />

mehr berufsschulpflichtige junge Erwachsene, „im Rahmen der verfügbaren Plätze“ in die Bildungsgänge aufgenommen<br />

werden. In Bayern ist das zweijährige Beschulungsmodell offen für Geflüchtete und Asylbewerberinnen<br />

und -bewerber zwischen dem 16. und 21. Lebensjahr; in begründeten Ausnahmefällen können junge<br />

Erwachsene bis zum 25. Lebensjahr beschult werden. Nordrhein-Westfalen bietet (mit geringer Platzzahl) für<br />

die Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen einen berufsvorbereitenden Bildungsgang in Teilzeitform an. Sieht<br />

man von solchen Ausnahmeregelungen ab, so sind die berufsvorbereitenden Bildungsgänge an den beruflichen<br />

Schulen explizit nicht gedacht für die große Gruppe der jungen Erwachsenen unter den Geflüchteten. Die Anhebung<br />

der Altersgrenze wird zwar immer wieder gefordert (Robert Bosch Expertenkommission zur Neuausrichtung<br />

der Flüchtlingspolitik 2015), doch in den Ländern zeichnet sich bisher keine Tendenz ab, diese Forderung<br />

umzusetzen.<br />

Nur unvollständige Informationen gibt es zum Ausbaustand der Bildungsgänge und zu den Schülerinnen- und<br />

Schülerzahlen. Damit kann zu diesem Zeitpunkt die Frage nicht beantwortet werden, ob in der Vergangenheit<br />

den anspruchsberechtigten (i. d. R. berufsschulpflichtigen) Jugendlichen eine Teilnahme an diesen Bildungsgängen<br />

möglich oder aus Kapazitätsgründen nicht möglich war. Für die jungen Geflüchteten selbst ist die bisherige<br />

Angebotsstruktur kaum zu verstehen, weil es vielerorts auch an mehrsprachigen Angeboten und Beratungsformen<br />

fehlt, die die Übergänge erleichtern.<br />

7.4.5 Gesundheitliche Situation<br />

Junge und dabei vor allem unbegleitete Geflüchtete gelten in Bezug auf gesundheitliche Belastungen als „Hochrisikogruppe“<br />

(Witt u. a. 2015, S. 218). Bislang vorliegende Studien weisen darauf hin, dass minderjährige unbegleitete<br />

Geflüchtete erkennbar höher belastet sind als die gleichaltrigen begleiteten Geflüchteten (vgl. z. B.<br />

Pinto Wiese/Burhorst 2007). Die begleitende Familie, Verwandtschaft oder das – wie immer auch geartete –<br />

soziale Netz der Begleitung wirken offenbar als ein wichtiger Schutzfaktor. Dies scheint im Übrigen auch für<br />

unbegleitete Geflüchtete zu gelten: Die Möglichkeit – soweit vorhanden –, Kontakt mit der Herkunftsfamilie zu<br />

halten, und sei es nur über das Smartphone, stellt offenbar einen wichtigen Schutzfaktor dar.<br />

Allerdings klaffen die Einschätzungen über Art und Umfang der gesundheitlichen Belastungen – wiederum<br />

aufgrund fehlender empirischer Studien und ausreichend fundierter Daten – weit auseinander. In pädagogischen,<br />

psychologisch-therapeutischen und klinischen Diskussionen wird vor allem immer wieder auf die zentrale Rolle<br />

traumatischer Erfahrungen und deren Auswirkungen hingewiesen. So zeigen etwa Witt u. a. auf der Basis eines<br />

systematischen Reviews, dass „über alle Studien hinweg (….) die Mehrzahl der UMF (bis zu 97 %) traumatische<br />

Erfahrungen (häufig Kriegserfahrungen) gemacht haben. UMF berichten signifikant häufiger von traumatischen<br />

Erfahrungen als begleitete Flüchtlinge“ (Witt u a. 2015, S. 211). Betrachtet man die Prävalenz bzw.<br />

Krankheitshäufigkeit der mit Traumatisierungen einhergehenden Auffälligkeiten und Störungen, so zeigen sich<br />

einerseits markante Unterschiede. Andererseits ist die Varianz der ermittelten Werte, die u. a. von den jeweils<br />

eingesetzten Diagnoseverfahren abhängt, so groß, dass kaum verlässliche Aussagen getroffen werden können:<br />

„Die Prävalenz von Auffälligkeiten reicht von 20 Prozent für PTBS [posttraumatische Stresssymptome; Erg.<br />

Kommission 15. KJB] (Geltman u. a. 2005) bis 81,5 Prozent für internalisierende und externalisierende Auffäl-

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