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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 220 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

schränkend auf die Möglichkeiten jugendlicher Sozialkontakte und verweist sie, ebenso wie Jugendliche in<br />

Heimunterbringungen, zumeist auf das enge soziale Netzwerk der jeweiligen Unterkünfte (Berg u. a. 2000,<br />

S. 50). Kontakte zu deutschen Jugendlichen sind dann vor allem über die Schule moderiert und können dazu<br />

beitragen, dass sich die Jugendlichen weniger isoliert fühlen und Defiziterfahrungen im Zusammenhang mit<br />

Unterbringung und Flüchtlingsstatus teilweise kompensieren (Eisenhuth 2015; Berg u. a. 2000).<br />

Demgegenüber sind Jugendliche, die in Internaten untergebracht sind, stark auf den Kontext Schule verwiesen,<br />

um Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzubauen, da dieser das jugendliche Alltagsleben größtenteils bestimmt<br />

und die Schule gleichsam den Lebensort stellt. Ein Wechsel zwischen schulischen und außerschulischen Peers<br />

findet damit nur zeitlich eingeschränkt statt, sodass das Aufrechterhalten von Peerbeziehungen am elterlichen<br />

Wohnort nur sehr begrenzt möglich und mit größeren Anstrengungen verbunden ist. Ähnliche Anforderungen<br />

ergeben sich für Jugendliche, die in multilokalen familialen Settings aufwachsen und zwischen getrennt lebenden<br />

Eltern pendeln (vgl. etwa Schier 2014). Abhängig von der Entfernung der neuen Wohnorte der Eltern haben<br />

es die Jugendlichen in Zeiten ihres Aufenthaltes beim weiter weg wohnenden Elternteil schwerer, Treffen mit<br />

Freunden oder Freizeitaktivitäten aufrechtzuerhalten. Gerade aufgrund dieser Problematik nimmt das regelmäßige<br />

Pendeln dann auch mit zunehmendem Alter ab, bzw. die Jugendlichen verweigern dies häufiger (vgl. Jensen<br />

2009; Schier/Hubert 2015).<br />

Für alle diese Formen des Wohnens und der Unterbringung gilt jedoch, dass die digitalen Medien mit ihren<br />

Kommunikationsmöglichkeiten Brücken bauen und den Jugendlichen helfen können, Entfernungen zu überwinden<br />

und an ihren Peer- (oder auch Familien-) kontakten zu arbeiten. Gerade in der Heimunterbringung werden<br />

Handys jedoch häufig auch als Kontrollinstrumente funktionalisiert und die Kommunikationsfunktion der Handynutzung<br />

von Jugendlichen als nicht so wichtig angesehen oder aufgrund ihrer Unkontrollierbarkeit als negativ<br />

eingeschätzt (IGFH 2015). Besonders schwierig stellt sich dies derzeit bei den Jugendlichen mit Flüchtlingsstatus<br />

dar (Kutscher/Kreß 2016).<br />

3.4 Was tun Jugendliche in und mit Paarbeziehungen?<br />

Neben den freundschaftlichen Beziehungen zu Gleichaltrigen spielen mit zunehmendem Alter auch Fragen von<br />

Partnerschaft und Sexualität eine wichtige Rolle im Leben von Jugendlichen. Vor dem Hintergrund biografischer<br />

Erfahrungen – vor allem mit Partnerschaftsmodellen aus dem engeren familiären Umfeld – treten die Jugendlichen<br />

in eine Phase ein, in der eigene Vorstellungen von Partnerschaft und Sexualität allererst entwickelt<br />

und erprobt werden (müssen). Die Peergroup stellt dafür eine wichtige Ressource dar. Sie bietet in unterschiedlicher<br />

Art und Weise Orientierungen, indem Jugendliche mit ihren Vorstellungen und Wünschen auf Anerkennung<br />

und/oder Ablehnung stoßen können und in der erste Kontaktaufnahmen und Annäherungen ermöglicht<br />

werden. Vor diesem Hintergrund wird den Peergroups in dieser Hinsicht auch eine Schrittmacherfunktion für<br />

die Initiierung erster Liebesbeziehungen zugeschrieben. Gleichzeitig nehmen die Medien, und dabei insbesondere<br />

das Internet, eine wichtige Orientierungsfunktion ein und stellen einen Erprobungsraum für den Umgang<br />

mit der eigenen Sexualität sowie möglichen Partnerschaften 31 dar (vgl. Bode/Heßling 2015, S. 60; Klein 2017).<br />

3.4.1 Paarbeziehungen und deren Serialität im Jugendalter<br />

Untersucht ist das Thema Partnerschaft und Sexualität im Jugendalter bislang jedoch allenfalls rudimentär. Forschungen<br />

beziehen sich häufig auf ältere Jugendliche und junge Erwachsene und sind – insbesondere bei statistischen<br />

Erhebungen – sehr einseitig an heteronormativen Vorstellungen orientiert, indem zumeist nach gegengeschlechtlichen<br />

Partnerschaften gefragt wird und unterschiedliche sexuelle Orientierungen kaum zum Thema<br />

gemacht werden (vgl. Klein 2017).<br />

Erste Liebesbeziehungen und Partnerschaften spielen für Jugendliche eine äußerst wichtige Rolle und ermöglichen<br />

ihnen, eigene sexuelle Orientierungen zu erproben und zu entwickeln sowie intime Vertrautheit und Unterstützung<br />

auch außerhalb der Familie und in Eigenregie zu erleben. Dabei zeigen Vergleichsdaten, dass sich<br />

Jugendliche heute deutlich früher verlieben als noch in den 1980er-Jahren, sodass hier von einer deutlichen<br />

31<br />

Vermutet wird, dass digitale Medien, etwa auch über gemeinhin als Flirt- und Dating-Apps bezeichnete mediale Partnerschaftsbörsen,<br />

zunehmend auch die Beziehungsanbahnung bei Jugendlichen beeinflussen. Die Dating-App „tinder“ z. B. ist bereits für Jugendliche ab 13<br />

Jahren zugänglich.

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