02.02.2017 Aufrufe

Kinderund

1811050

1811050

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 63 – Drucksache 18/11050<br />

Die gegenwärtigen Erkenntnisse über die Einschätzungen der Schülerinnen und Schüler zeigen demzufolge eher<br />

ein ambivalentes Bild. Deutlich wird, dass die Zufriedenheit der Jugendlichen sehr von den schulinternen und<br />

sie umgebenden, externen Rahmungen abhängig ist. Dies bezieht sich sowohl auf die Möglichkeiten der Partizipation,<br />

der Einbeziehung außerunterrichtlicher Partner und ihrer Angebote als auch auf die interessenorientierte,<br />

jugendorientierte Gestaltung des möglichen Zusammenspiels unterschiedlicher Bildungs- und Erfahrungsräume<br />

in der Ganztagsschule. So zeigen Ergebnisse empirischer Untersuchungen, dass das Beziehungsgeflecht in der<br />

Schule und die Angebotsqualität ebenso gewichtige Zufriedenheitsfaktoren sind wie auch die Berücksichtigung<br />

der individuellen Bedürfnisse, die Vielfalt und vor allem die altersspezifisch geeigneten Angebote.<br />

Auffällig ist jedoch, dass bei der Gestaltung und Weiterentwicklung der Ganztagsschule die Sichtweisen und die<br />

Interessen der Jugendlichen bisher nicht systematisch zum Ausgangspunkt der Konzipierung der Angebote gemacht<br />

wurden. Zu ihren Vorstellungen und Erwartungen liegen kaum Befunde vor. Dies ist umso überraschender,<br />

als die Ganztagsschule bei Jugendlichen deutlich stärker als bei Grundschulkindern um Akzeptanz ringen<br />

muss: Im Jugendalter ist die Ganztagsschule ein überwiegend freiwilliges Angebot, und ein aus Sicht der Jugendlichen<br />

„unpassendes“ Angebot wird sicherlich auf geringe Resonanz und Nachfrage stoßen. Deshalb erscheint<br />

eine stärkere Berücksichtigung der Perspektiven Jugendlicher erstrebenswert, will die Ganztagsschule<br />

ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden.<br />

Mit anderen Worten: Die Ganztagsschule muss sich fragen lassen, ob sie der Grundidee einer multiprofessionellen<br />

Gestaltung als Lern- und Lebensort unter Berücksichtigung der Interessen und der Beteiligung Jugendlicher<br />

durch entsprechende Handlungskonzepte Rechnung tragen kann und will. Dazu gehört auch, Jugendliche an<br />

neue Themen und Inhalte heranzuführen, ihnen Möglichkeiten für andersartige Bildungserfahrungen zu eröffnen<br />

und diese zugleich in lebensweltliche Zusammenhänge einzubinden.<br />

Schafft die Ganztagsschule ein neues Organisationsmodell von Schule?<br />

Von Beginn an waren Ganztagsschulen der Idee und des bildungspolitischen Anspruchs nach auf die Kooperation<br />

mit unterschiedlichen Akteuren aus anderen Feldern, wie z. B. der Kinder- und Jugendhilfe, dem Sport und<br />

der Kultur, hin angelegt. In der Praxis hat sich mittlerweile ein breites Spektrum an Kooperationen entwickelt,<br />

wobei die entsprechenden Vereine, Verbände und Organisationen in sehr unterschiedlicher Art und Weise in<br />

den Schulalltag einbezogen werden. Bisher erweisen sich diese Kooperationen häufig als relativ fragil. Immer<br />

wieder wird um die Dauer, die Form und auch die Stabilität sowie nicht zuletzt um die eigenständige Rolle der<br />

Kooperationspartner gerungen. Vor allem Gymnasien vereinbaren meist eine zeitlich begrenzte, projektbezogene<br />

Zusammenarbeit mit eher lockerer Einbindung der Partner. Dabei ragt die Zusammenarbeit mit dem Sport<br />

deutlich hervor. Demgegenüber sind Angebote der Kinder- und Jugendhilfe vor allem an Gymnasien auffällig<br />

wenig präsent. Etwas anders gelagert sind die Bedingungen an Haupt- und Förderschulen. Diese kooperieren<br />

häufiger mit Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, um deren sozialpädagogische Potenziale zu nutzen.<br />

Aufs Ganze gesehen ist jedoch eine breit angelegte, selbstverständliche Zusammenarbeit zwischen der Ganztagsschule<br />

und ihren Partnern – auch der Kinder und Jugendhilfe – bislang nicht erkennbar. Dabei läge vor allem<br />

in dieser Kooperation die Chance, Schule auch als Bildungsort zu verstehen, an dem Jugendliche selbst<br />

organisierte Formen des sozialen Lernens und eigene Positionierungen entwickeln können. Die 15 Jahre alte<br />

These „Bildung ist mehr als Schule“, die v. a. als Folge der PISA-Befunde zum Beginn des Ganztagsschulausbaus<br />

formuliert wurde, hat noch zu wenig praktische Bedeutung erlangt.<br />

Um Ganztagsschulen stärker an den lebensweltlichen Interessen und Bedarfen Jugendlicher zu orientieren, bedarf<br />

es der Organisationsentwicklung und der Erweiterung des Angebots. Auf diese Weise sollten Möglichkeitsräume<br />

geschaffen werden, die auf die vielfältigen Anforderungen der Jugendphase besser antworten können. Im<br />

Vergleich zu den Halbtagsschulen sind Ganztagsschulen zwar nicht durch prinzipiell andere Funktionen gekennzeichnet,<br />

können jedoch aufgrund ihrer zusätzlichen Optionen erweiterte strukturelle und pädagogische<br />

Mittel einsetzen, um diese zu erfüllen und zu ergänzen, etwa mit Blick auf eine dezidiert jugendorientierte Konzeption<br />

von Methoden, Themen und Orten der außerunterrichtlichen Bildungsangebote. Die Chance einer gelingenden<br />

Ganztagsschulentwicklung liegt in der Akzeptanz und Stärkung der individuell verschiedenen Bewältigungsstrategien,<br />

um zu einem für sie jeweils austarierten Verhältnis von Schulkultur und Jugendkultur zu kommen.<br />

Als wesentliche Elemente wären dabei zu nennen:<br />

– die institutionelle Öffnung nach innen und außen,<br />

– erweiterte Bildungsmöglichkeiten,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!