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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 280 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

4.2.1.4 Cybermobbing<br />

Im Hinblick auf den Umgang mit Daten Anderer ist in der Öffentlichkeit vor allem das Phänomen „Cybermobbing“<br />

bzw. „Cyberbullying“ im Gespräch. Bezeichnet wird damit ein Verhalten von Individuen oder Gruppen,<br />

die ohne Einverständnis einer Person oder durch eine unbefugte Identitätsübernahme aggressive Botschaften<br />

mittels digitaler Medien übermitteln, die darauf gerichtet sind, anderen Schaden zuzufügen, z. B. durch die<br />

Verbreitung von Gerüchten oder von peinlichen oder diskreditierenden Bildern. Betont wird teilweise, dass es<br />

sich um ein wiederholtes Verhalten handelt und zwischen dem Täter oder der Täterin und dem Opfer ein ungleiches<br />

Machtverhältnis besteht.<br />

Da sich die Definitionen von Cybermobbing im Detail unterscheiden, den vorliegenden Studien somit unterschiedliche<br />

Fragestellungen zugrunde liegen und auch die Zeiträume der Erhebung und Beschreibungen von<br />

Situationen in den Studien differieren, ist eine eindeutige Aussage über die Verbreitung von Cybermobbing nur<br />

schwer zu treffen. Die Prävalenzzahlen variieren zwischen 7 und 19 Prozent (Livingstone u. a. 2011; Schneider/Katzer<br />

2013; Mascheroni/Cuman 2014; Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2014). Laut<br />

einer Online-Befragung des Bündnisses gegen Cybermobbing waren z. B. 17 Prozent der befragten zehn- bis<br />

22-jährigen Schülerinnen und Schüler schon mal Opfer von Cybermobbing, zehn Prozent gaben an, selbst schon<br />

einmal andere gemobbt zu haben, wobei ein Drittel der Täter auch selbst Opfer war (Schneider/Katzer 2013). In<br />

der EU-Kids-Online-Studie von 2014, in der Neun- bis 16-Jährige aus 25 europäischen Ländern befragt wurden,<br />

sind 13- bis 14-Jährige und insbesondere Mädchen häufiger von Cybermobbing betroffen (Mascheroni/Cuman<br />

2014). Die Folgen können für das Opfer aufgrund der Besonderheiten der Online-Kommunikation (Anonymität,<br />

Persistenz, Reichweite, virale Verbreitung) mitunter schwerer wiegen als beim traditionellen Mobbing, sodass<br />

sich hier Beratungsbedarf zeigt, insbesondere auch bei Eltern und Pädagogen und Pädagoginnen.<br />

Einen tiefer gehenden Einblick in das Konfliktverhalten Jugendlicher online eröffnen qualitative Befragungen.<br />

Deutlich wird hier, dass der Begriff „Mobbing“ von Jugendlichen zwar aufgegriffen wird, sie aber in Sozialen<br />

Netzwerken sehr unterschiedliche Konfliktformen beschreiben, die sich nicht alle unter dem Begriff subsumieren<br />

lassen. In Boyds Studie grenzen die amerikanischen Jugendlichen z. B. den Begriff „Drama“ von „Mobbing“<br />

ab. Bei einem „Drama“ gibt es keine Täter und Opfer, keine Stärkeren und Schwächeren, es habe vielmehr,<br />

so die Jugendlichen, jede und jeder die Möglichkeit zu antworten. Oft entstünden solche Dramen aus<br />

Sicht der Jugendlichen aus Langeweile, zur reinen Unterhaltung oder aufgrund eines Aufmerksamkeitsbedürfnisses<br />

mindestens einer Seite (Boyd 2014). In der Studie des JFF München, in der 61 Heranwachsende aller<br />

Schultypen im Alter von 13 bis 16 Jahren befragt wurden, zeigte sich ebenfalls, dass Jugendliche differenzierte<br />

Sichtweisen auf Konflikte in Sozialen Netzwerken haben. Sie distanzieren sich ebenfalls von der Sicht der Erwachsenen,<br />

die den Fokus vor allem auf Mobbing legen und aus ihrer Sicht vorschnell in Täter und Opfer unterscheiden.<br />

Jugendliche definieren im Unterschied hierzu ein breites Spektrum an Konfliktformen: niedrigere<br />

Eskalationsstufen sind dabei stärker in ihrem Alltag verortet, Spaß-Streitereien und Meinungsverschiedenheiten<br />

sind den Jugendlichen zufolge alltäglich, ernsthafte Streitereien treten bereits weniger häufig auf und Mobbing<br />

kommt selten vor (Wagner/Brüggen 2013, S. 50). Die Jugendlichen gehen selbstverständlich davon aus, dass<br />

diese Einordnungen der Konfliktformen geläufig und innerhalb der Peergroup geteilt werden, die Übergänge<br />

sind allerdings fließend und die Grenzen werden, je nach individuellem Empfinden, unterschiedlich gezogen<br />

(Wagner u. a. 2012, S. 30). Zentrale Ausgangspunkte von Meinungsverschiedenheiten und dann auch ernsthaften<br />

Streitigkeiten sind in der Regel Missverständnisse. Jugendliche führen an, dass sie online enthemmter seien<br />

und sich stärker fühlen würden als offline und es im Zuge dessen auch zu Fehleinschätzungen und Grenzüberschreitungen<br />

käme. Zudem wäre der Kreis an Kommunikationspartnerinnen und -partner größer, wodurch sich<br />

Missverständnisse leichter entwickeln würden, insbesondere im Kreis der „Freundesfreunde“ (Wagner u. a.<br />

2012, S. 30). Das grundsätzliche Bestreben Jugendlicher ist es, Konflikte nicht eskalieren zu lassen, sondern sie<br />

frühzeitig zu lösen. Auffallend häufig sprechen sie als Problemlösestrategie „Ignorieren“ an: „Es kann bedeuten,<br />

dass man souverän über einer Provokation steht. Dass man den Konfliktparteien ihren Raum zur Austragung des<br />

Konflikts zugesteht. Dass man einem Konflikt voyeuristisch beiwohnt. Oder dass man eine Anfeindung aushalten<br />

muss, da man sich sonst die Blöße geben würde“ (Wagner/Brüggen 2013, S. 52).

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