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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 466 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

Der Abbau sozialer Ungleichheiten ist das primäre Anliegen einer Sozial- und Bildungspolitik des Jugendalters.<br />

Diese sollte neben den grundlegenden sozialpolitischen Aufgaben wie z. B. der Armutsbekämpfung und der<br />

Verteilung sozialer, kultureller und materieller Ressourcen zugleich die im Bildungssystem ungleich verteilten<br />

Chancen aufgreifen und soweit als möglich Beiträge leisten, um diese abzubauen. Sowohl in den Zugängen zu<br />

formaler als auch zu non-formaler Bildung, aber auch im Erwerb von Schul- und Berufsbildungsabschlüssen<br />

sind die Chancen je nach sozialer Herkunft ungleich verteilt, sodass oft über Generationen hinweg weitere Teilhabechancen,<br />

etwa in das Erwerbssystem, darüber festgeschrieben werden. Es stimmt nachdenklich, warum<br />

Deutschland auch nach PISA in den letzten 15 Jahren in den sozialen Diskrepanzen im europäischen Vergleich<br />

nur leichte Fortschritte gemacht hat – sozialpolitisch ist ein Gewöhnen daran kaum akzeptabel.<br />

Die Gewährleistung von gerechten Teilhabechancen im Bildungssystem ist damit im Wesentlichen auch eine<br />

sozialpolitische Aufgabe. Das gilt vor allem auch für diejenigen jungen Menschen, die aus allen Systemen herauszufallen<br />

drohen und infolgedessen langfristig – auch im Verlauf des Erwachsenenalters – auf soziale Unterstützungsleistungen<br />

angewiesen sein werden. Hier reichen auf den einzelnen Jugendlichen abzielende Maßnahmen<br />

nicht aus. Sie sind durchaus sinnvoll, müssen aber begleitet werden durch strukturelle Veränderungen in<br />

den generellen Rahmenbedingungen. Hierzu gehört vor allem, Zugangsbarrieren zu Bildungsinstitutionen und<br />

zu anderen Institutionen des Jugendalters abzubauen bzw. diese Zugänge zu vereinfachen und so zu gestalten,<br />

dass sie soziale Ungleichheit nicht weiter verstärken. Zusätzlich problematisch ist, dass die Idee eines inklusiven<br />

Bildungssystems mit wachsenden Anteilen von förderbedürftigen Schülerinnen und Schülern im Regelunterricht<br />

in Anbetracht der anhaltenden Stabilität des Förderschulsystems in den Ländern nicht wirklich voranzukommen<br />

scheint und daher mehr sozialpolitisch untersetzt werden muss.<br />

Darüber hinaus bedarf es einer (Infrastruktur)Politik der Teilhabe, bei der es z. B. um verbesserte Zugänge zum<br />

Internet, um Zugänge zur Gesundheitsversorgung, um Barrierefreiheit und Wohnraumversorgung geht. All das<br />

sollten zentrale Bausteine einer Sozialpolitik des Jugendalters sein, welche die spezifischen Bedarfe und Bedürfnisse<br />

von jungen Menschen wahr- und aufnimmt. Die Belange des Wohnens, der Kommunikation und der<br />

allgemeinen Lebensführung stellen sich für jüngere Menschen anders dar als für ältere. Sie sind eine eigene<br />

Herausforderung im Sinne der Ermöglichung von Jugend. Solange eine Verselbstständigung vom Elternhaus<br />

durch ökonomische Abhängigkeiten von den Eltern bis weit ins dritte Lebensjahrzehnt erschwert oder verhindert<br />

wird, stellt sich die Frage, inwieweit nicht auch die Reduzierung dieser Abhängigkeit Aufgabe einer Sozialpolitik<br />

des Jugendalters (im Sinne der Ermöglichung von Jugend) sein muss, da die soziale Herkunft nicht nur<br />

die Bildungsteilhabe, sondern auch die Prozesse der Selbstpositionierung und der Verselbstständigung beeinflusst.<br />

‣ Pluralisierung des Jugendalters durch migrationsbedingte Vielfalt<br />

Das Aufwachsen im Jugendalter ist heutzutage mehr denn je durch eine migrationsbedingte Vielfalt<br />

geprägt. Für eine wachsende Zahl junger Menschen, die gegenwärtig in Deutschland leben,<br />

gehören Zuwanderungshintergrund und Fluchterfahrung zu ihrer eigenen Lebenswirklichkeit. Sie<br />

machen immer wieder die Erfahrung, dass die Möglichkeiten und Zugänge im Jugendalter wesentlich<br />

in diesem Licht strukturiert und gestaltet werden. Hier bedarf es neuer Öffnungs- und Zugangsstrategien,<br />

damit jungen Menschen – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, Migrationsgeschichte<br />

und ihrem Aufenthaltsstatus – Jugend gleichermaßen ermöglicht wird.<br />

Die Lebenswirklichkeiten aller jungen Menschen sind heutzutage mehr denn je von Migration und transnationalen<br />

Verflechtungen geprägt. Dies gilt für jene Jugendlichen und jungen Erwachsenen in besonderem Maße,<br />

deren Prozess des Aufwachsens durch eine eigene familiäre Zuwanderungsgeschichte charakterisiert ist. Aber<br />

auch junge Menschen, deren Bildungskarrieren durch Auslandsaufenthalte grenzüberschreitend ausgerichtet<br />

oder deren Familien oder Freundeskreise durch transnationale Konstellationen geprägt sind, erfahren unmittelbar<br />

die gesellschaftlichen Ambivalenzen und Widersprüche im Kontext des gesellschaftlichen Umgangs mit<br />

Migration. Selbst in Regionen, die in den letzten Jahrzehnten kaum von Zuwanderung, sondern eher von Abwanderung<br />

tangiert worden sind, sind Prozesse der Diversifizierung und Transnationalisierung für junge Menschen<br />

in medialen und jugendkulturellen Zusammenhängen bedeutsam.<br />

Gleichwohl erfahren junge Menschen migrationsbedingte Vielfalt und Transnationalität unterschiedlich. Insgesamt<br />

ist ein großer Teil von jenen, die im öffentlichen Diskurs als Migrantinnen und Migranten adressiert werden,<br />

in Deutschland geboren und aufgewachsen und hat auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Viele dieser<br />

jungen Menschen sind dennoch erheblichen Teilhaberisiken ausgesetzt, etwa im Bereich der schulischen Quali-

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